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Nordafrika will mehr Lebensmittel lokal produzieren
In der Region entstehen weitere Nahrungsmittelfabriken. Alle Länder setzen auch auf die lokale Agrarproduktion, um teure Lebensmittelimporte zu verringern.
19.09.2022
Von Friedrich Henle, Sherif Rohayem, Michael Sauermost | Berlin, Kairo, Casablanca
In den meisten Ländern Nordafrikas wächst die Bevölkerung weiter stark und damit auch der Bedarf an Lebensmitteln. Nationale Programme beziehungsweise Strategien setzen auf größere Anbauflächen für Getreide, um die Einfuhrabhängigkeit zu reduzieren.
Ägypten will mehr Selbstversorgung bei Lebensmitteln erreichen
Die ägyptische Regierung will die importierte Inflation eindämmen. Ihr Mittel der Wahl ist Importsubstitution. Zu diesem Zweck hat das Handelsministerium jüngst ein Strategiepapier ausgearbeitet, das Waren und Sektoren identifiziert, die auch lokal hergestellt werden könnten. Darunter fallen Agrarprodukte und Lebensmittel – wie zum Beispiel getrocknetes Gemüse und Früchte, Molkereiprodukte, Lebensmittelzubereitungen, aromatische Pflanzen, Datteln und Dattelprodukte.
Ein wesentlicher Baustein auf dem Weg zu mehr Selbstversorgung ist die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen. In diesem Sinne hat die ägyptische Regierung das 1,5 Millionen-Feddan-Projekt ins Leben gerufen. In mehreren Phasen soll auf einer Fläche von umgerechnet circa 6.300 Quadratkilometern Wüstenland in Landwirtschaft umgewandelt werden. In diesem Zusammenhang berichtete die Middle East News Agency in ihrem Newsletter vom 3. Mai 2022, dass die National Bank of Egypt der Countryside Development Company einen Kredit in Höhe von umgerechnet 1,02 Millionen US-Dollar (US$) gewährt hat. Mit dieser Summe wird das Staatsunternehmen bei Siwa an der libyschen Grenze eine Fläche von 1.911 Quadratkilometern entwickeln.
Die Canal Sugar Company berichtete in einer Pressemitteilung Mitte Mai 2022 über einen Kredit von einem Konsortium aus nationalen und regionalen Banken in Höhe von etwa 681 Millionen US$. Den Betrag investiert das ägyptische Unternehmen in sein Großprojekt zum Bau einer Zukerrübenfabrik in West Minya, wenige hundert Kilometer südlich von Kairo. Insgesamt soll die Anlage 1 Milliarde US$ kosten und jährlich 900.000 Tonnen weißen Zucker produzieren.
Die Firma Cimbria informierte Ende März 2022 auf ihrer Internetseite von einem Auftrag der General Company for Silos and Storage. Das ägyptische Staatsunternehmen hat den dänischen Spezialisten für Lagerlogistik mit dem Bau eines Silokomplexes im Hafen von Port Said am Mittelmeer beauftragt. Insgesamt acht Silos sollen jeweils 12.500 Tonnen Weizen lagern.
Die ägyptische Onlinezeitung Al Borsa meldete Ende Mai 2022, dass die Firma Taiba Pack einen Betrag von umgerechnet etwa 16,2 Millionen US$ in den Bau einer Fabrik für die Herstellung von Verpackungen für Pharmazeutika investiert.
Die Firma Albaik hat Ende Juni 2022 in einer Mitteilung an der saudi-arabischen Börse Absichten über eine Kooperation mit Halawani Brothers bekannt gegeben. Halawani Brothers ist ebenfalls ein saudisches Unternehmen, das in Ägypten Fleisch- und Geflügelprodukte herstellt. Geplant ist, dass Halawani in seinen ägyptischen Werken Geflügelprodukte von Albaik produziert. Das wird Kapazitätserweiterungen erfordern, deren Kosten auf 53 Millionen US$ geschätzt werden.
Laut einer Meldung von Enterprise Egypt von Ende Mai 2022 plant der deutsche Hersteller von Snacks Lorenz zwischen 2023 und 2026 Investitionen in Ägypten in Höhe von circa 10,6 Millionen US$. In derselben Ausgabe berichtete das Nachrichtenportal von Investitionsplänen der Firma Milky. Der Hersteller von Molkereiprodukten will mit einem Betrag von 21,2 Millionen US$ seine Kapazitäten deutlich ausweiten. Die japanische Otsuka will in Ägypten Nahrungsergänzungspräparate und Gesundheitsgetränke produzieren und dafür 30 Millionen US$ investieren.
Algerisches Unternehmen investiert in Verpackungsmaterialien
Der algerische Marktführer für Wellpappe, Général Emballage, hat im Mai 2022 angekündigt, eine neue Fabrik mit einem geplanten Jahresausstoß von 350.000 Tonnen errichten zu wollen. Das Unternehmen hat dafür Sammelstellen für Altpapier/Altpappe errichtet und für die Sammlung auch eine Partnerschaft mit dem Pharmaunternehmen Merinal abgeschlossen.
Trans American Aquaculture aus den USA und sein algerischer Partner Aqua Continentale haben Ende Juli 2022 in Algier eine Absichtserklärung zum Bau und Betrieb einer Aquakulturanlage im Regierungsbezirk Relizane geschlossen. Die Anlage soll bis zu 1.000 Tonnen Garnelen pro Jahr für den lokalen Verbrauch und den Export nach Europa produzieren.
Viel Süß- und Backwaren bei Marokkos neuen Nahrungsmittelprojekten
Die Anouar Invest Group baut ihre führende Marktposition durch mehrere Projekte mit Gesamtinvestitionen von rund 100 Millionen US$ bis 2024 weiter aus. Unter anderem hat die Tochterfirma Best Biscuits Maroc, einer der führenden Hersteller von Backwaren in Marokko, knapp 36 Millionen US$ zur Produktionserweiterung erhalten. Weitere Investitionen betreffen die Produktion von Käse (Modern Cheese Farm, Universal Cheese Company), Hefe (American Yeast Company) sowie Schokolade (Golden Chocolate),
Die marokkanische Atlas Fruits Company will die Nachhaltigkeit ihrer Zitrusproduktion erhöhen. Durch neue Maßnahmen soll der Einstieg in die Bio-Obstproduktion gelingen. Realisiert wird das Ganze mit dem Verkauf einer Minderheitsbeteiligung an den Investmentfonds Land Degradation Neutrality (LDN). Auch soll die Atlas-Obstanbaufläche bis 2028 von 250 Hektar auf 1.000 Hektar wachsen.
Im Frühjahr 2022 unterzeichnete das marokkanische Industrieministerium Investitionsvereinbarungen für zehn Vorhaben aus dem Bereich der Lebensmittelverarbeitung mit einem Volumen von rund 120 Millionen US$. Dabei geht es um die Produktion von Säften, Schokolade und Konditorwaren, Nudeln und Couscous, Obst- und Gemüse sowie Molkereierzeugnisse. Außerdem wurden drei Pharmaprojekte im Gesamtwert von etwas mehr als 50 Millionen US$ auf den Weg gebracht.
Kentucky Fried Chicken (KFC) Marokko ist eine Partnerschaft mit dem mexikanischen Backunternehmen Grupo Bimbo eingegangen. Im Rahmen der Kooperation wird die Fast-Food-Kette Back- und Konditoreiprodukte von Bimbo in ihr Sortiment aufnehmen. KFC beabsichtigt, im Jahr 2022 zehn neue Filialen zu eröffnen, um die Präsenz auf 30 Filialen zu erhöhen. Bimbo ist seit 2017 im Königreich aktiv und verfügt über eine Produktionsstätte in Casablanca.
Der Nahrungsmittelgigant Nestlé feiert in Marokko das 30-jährige Bestehen seiner Fabrik in El Jadida. Dort werden hauptsächlich Milchpulver sowie die Nescafé-Produktpalette hergestellt - auch für den Export nach Nordafrika und in den Mittleren Osten. Das Nestlé-Werk hat sich vor Ort durch sein Umweltmanagement und die Installation einer Solaranlage auch einen Namen in Sachen Nachhaltigkeit gemacht.
Die Barry Callebaut Group, weltweit führender Hersteller von hochwertigen Schokoladen- und Kakaoprodukten, hat ein Chocolate Academy Center in Casablanca eröffnet. Die Einrichtung soll als kreative Plattform für Branchenvertreter dienen, um neue Trends, Techniken und Rezepte zu entwickeln. Es ist das zweite Akademiezentrum des Unternehmens auf dem afrikanischen Kontinent. Das erste existiert seit 2018 in Südafrika.
Schokolade scheint im Trend zu liegen: Der Hersteller Marrakech Fine Food (MFF) hat im Industriegebiet Sidi Ghanem in Marrakesch rund 7 Millionen US$ in eine Keks- und Schokoladenfabrik investiert.
Getreideversorgung steht in Tunesien oben auf der Agenda
Die Weltbank hat Tunesien am 4. Juli 2022 einen Kredit in Höhe von 130 Millionen Euro gewährt. Damit finanziert sie ein Programm zur Förderung des Getreidesektors, das vom „Office des Céréales“ (ODC) durchgeführt wird. Das im Mai 2022 vorgestellte Programm zielt unter anderem auf die Stärkung des Schienentransports und die Anschaffung von 30 neuen Waggons ab. Die ODC ist eine Behörde, die für die internationale und nationale Beschaffung, die Lagerung und den Vertrieb von Getreide in Tunesien zuständig ist. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung wiederum hat der ODC ebenfalls im Juli 2022 einen Betriebsmittelkredit in Höhe von 159 Millionen US$ zur Verfügung gestellt, um im Ausland Getreide einkaufen zu können.
Das Unternehmen Farhet El Hicha will in Gabes im Südosten des Landes auf 200 Hektar Tomaten anpflanzen. Für umgerechnet 203 Millionen Euro sollen Gewächshäuser entstehen. Das Projekt wird sich über einen Zeitraum von fünf Jahren erstrecken und soll jährlich zwischen 35.000 und 40.000 Tonnen Tomaten für den Export produzieren.
Unilever hat im Juni 2022 die Eiscreme-Marke Magnum in Tunesien eingeführt und dafür eine Partnerschaft mit der tunesischen Slama-Gruppe geschlossen. Laut Medienberichten will Unilever auch in eine eigene Produktion in Tunesien investieren, um den lokalen und benachbarte Märkte zu bedienen. Details dazu gab der Konsumriese allerdings nicht bekannt.
Die tunesische Agentur zur Förderung landwirtschaftlicher Investitionen (APIA) meldet für das 1. Halbjahr 2022 umgerechnet 171 Millionen Euro an landwirtschaftlichen Investitionen – ein Rückgang von 22,3 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2021.
Tunesien ist in Nordafrika die Nummer 1 in der Bierproduktion. Ein im Juli 2022 veröffentlichter Bericht des Hopfenhändlers BarthHaas beziffert den Jahresausstoß 2021 auf rund 2 Millionen Hektoliter. Dahinter folgen Algerien mit 1,5 Millionen, Ägypten mit 0,9 Millionen und Marokko mit 0,8 Millionen Hektolitern. Die Zahlen verblassen allerdings gegenüber der Nummer 1 auf dem afrikanischen Kontinent, Südafrika, das 31 Millionen Hektoliter des Hopfengetränks herstellte.