Die norwegische Baubranche hat bereits Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen ergriffen. Die zeitgerechte Umsetzung der Klimaziele wird aber von manchen Experten angezweifelt.
Holzbau liegt seit jeher im Trend
Norwegen blickt auf eine lange und erfolgreiche Tradition im Holzbau zurück. Auch die norwegische Regierung unterstützt die Branche, beispielsweise durch Initiativen wie die Grüne Plattform. Projekte wie circWOOD haben Millionen erhalten, um eine zirkuläre Wertschöpfungskette für Holz zu etablieren, und verschiedene Cluster, wie der WoodWorks! Cluster oder der norwegische Holzcluster, sorgen für Synergien innerhalb der Forst- und Holzwirtschaft.
Auch Ökolabels wie der Nordische Schwan helfen Verbrauchern und gewerblichen Abnehmern, umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen zu erkennen. Als Instrument sorgt es für mehr Sichtbarkeit von Unternehmen, die sich auf nachhaltige Lösungen spezialisiert haben. Insgesamt auf 59 Produktkategorien ist die Kennzeichnung anwendbar. Für die Baubranche stellt das Label beispielsweise Anforderungen an den Energieverbrauch eines Gebäudes, chemische Produkte, Bauprodukte und eine Reihe von Umweltaspekten in Innenräumen, die für die Gesundheit und die Umwelt von Bedeutung sind. Aber auch das Qualitätsmanagement während des Bauprozesses kann ausgezeichnet werden.
Ziel: CO2-Neutralität bis 2030
Das Königreich gilt bereits als führend auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Bauindustrie mit nachhaltigen Materialien, emissionsfreien Baustellen bis möglichst 2025 und intelligenten, energieeffizienten Gebäuden. Grund hierfür sind auch durchweg ambitionierte Ziele, die sich die Regierung selbst gesetzt und damit Maßnahmen auferlegt hat.
Konkrete Pläne für den Gebäudebau
Es bestehen aber Zweifel, inwiefern die großen Pläne zu erreichen sind. Denn zufolge der letzten Studie des Beratungsunternehmens DNV soll Norwegen, das derzeit noch über einen ausgeprägten Stromüberschuss verfügt, bereits 2030 mit einem nennenswerten Stromdefizit zu kämpfen haben. Dies beeinträchtigt letztlich die groß angelegte und angestrebte grüne Transformation der Industrie. Selbst NHO Byggenaeringen, der Verband der norwegischen Bauindustrie, hat in seiner jüngsten Studie darauf verwiesen, Norwegen habe sich zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Reiche Vorkommen natürlicher Ressourcen seien längst nicht mehr genug, um die bisherige Vorreiterrolle auch zu halten.
Eine Stärke Norwegens sind Dynamik und Pragmatismus. Entsprechend passend ist die kürzliche Ankündigung weiterer Gelder, um Norwegen nicht ins Abseits geraten zu lassen. Laut einer Pressemeldung der norwegischen Klima- und Energieagentur ENOVA wurde eine Zusatzvereinbarung zwischen der Agentur und dem Ministerium für Klima und Umwelt getroffen, wonach noch im laufenden Jahr 2024 zusätzlich zu den bereits geplanten Mitteln rund 240 Millionen Euro in den Klima- und Energiefonds fließen sollen. Etwa 76 Millionen Euro davon sind konkret für Energieeffizienzmaßnahmen in Gewerbegebäuden und im Wohnungsbau vorgesehen.
Der Stellenwert der Branche wird auch aus groß angelegten Förderzentren wie dem Forschungszentrum für umweltfreundliche Energie (FME) deutlich. Ziel ist die Erforschung von Null-Emissions-Gebieten, als Erweiterung zu der bereits fortgeschrittenen Erforschung von Gebäuden, die beim Bau und während des Betriebs keine Treibhausgasemissionen verursachen. Erfolgreiche Beispiele für diese Gebäudeklassen finden sich mit Visund in Haakonsvern in Bergen, oder dem Campus Evenstad in Koppang oder der Heimdal-Oberschule in Trondheim.
Longship ist das CCS-Flaggschiff
Bei den Bemühungen, ganzheitliche CCS (Carbon Capture and Storage)-Wertschöpfungsketten abzubilden, gilt Norwegen als Vorreiter. Auch ein deutsches Unternehmen ist von Beginn an mit an Bord. Heidelberg Materials ist einer der Projektpartner und baut im Rahmen der Initiative sein Zementwerk in Brevik so um, dass dort bis Ende 2024 die weltweit erste großtechnische CCS-Anlage in der Zementindustrie entsteht. Insgesamt stellt die Regierung für die Investition knapp 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.
Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand
Baumaschinen stehen fast die Hälfte der Arbeitsstunden still und sind für 20 Prozent der Treibhausgasemissionen der Bauindustrie verantwortlich. Hier setzt das Forschungsprojekt zu datengesteuerten Baustellen an, das der Baukonzern Skanska ins Leben gerufen hat. In Kooperation mit SINTEF, Volvo und dem Softwareunternehmen Ditio soll eine künstliche Intelligenz entwickelt werden, die zu mehr Effizienz beim Betrieb der Baumaschinen und einer Senkung von mindestens zehn Prozent der produzierten Emissionen führen soll. Das Projekt verfügt über ein Budget von 1,6 Millionen Euro, wovon die Hälfte vom norwegischen Forschungsrat im Rahmen des Pilot-E-Förderprogramms finanziert wird.
Die Methode wird im Rahmen eines Pilotprojekts beim Bau der neuen Autobahn E16 bei Jevnaker im Bezirk Viken getestet. Ditio hat ein Programm entwickelt, das die Daten aller von Skanska eingesetzten Baumaschinen aufzeichnet. Zusammen mit den Daten, die direkt von den Baumaschinen stammen, verwenden die Forscher von SINTEF maschinelles Lernen, um den effizientesten Betrieb der Maschinen zu berechnen.
Auch ENOVA setzt hier mit konkreten Maßnahmen an: Durch zwei Förderprogramme sollen die Emissionen auf Norwegens Baustellen gesenkt werden. Mittel werden beispielsweise für die Anschaffung emissionsfreier Baumaschinen sowie für mobile Ladestationen für elektrische Baumaschinen vergeben. In der ersten Antragsrunde dieses Jahres wurden Käufe von insgesamt 58 Maschinen mit einem Fördervolumen von knapp 6,5 Millionen Euro unterstützt. Marie Tranaas Skjærvik leitet den Bereich Landverkehr bei ENOVA und stellt fest, dass "Optimismus und Interesse unter den Marktteilnehmern zugenommen haben und dass ENOVA nun über mehr Erfahrung verfügt, um das Angebot zukünftig auszuweiten." Fest steht jedenfalls schon heute, dass die besagten Programme auch über das Jahr 2024 hinaus fortgeführt werden sollen.
Von Judith Illerhaus
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Stockholm