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Branche kompakt | Norwegen | Medizintechnik

Private Gesundheitsleistungen nur wo es sein muss

Das norwegische Gesundheitssystem wird vom Staat dominiert. Auch langfristig soll vor allem er für gleichen Zugang und hohe Qualität sorgen. Entsprechend viel wird investiert.

Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Marktentwicklungen und -trends

    Die großangelegten Krankenhausinvestitionen erhalten zusätzliche Mittel. Auch andere Baustellen bedürfen Zuwendung: Hausarztmangel, Psychologie oder Effizienz.

    Der norwegische Markt für Medizintechnik hat ein geschätztes Volumen von jährlich etwa 3 Milliarden Euro. Nahezu die Hälfte des Bedarfs wird dabei von Importen gedeckt. Diese könnten 2022 nochmal sichtlich zulegen. Nach den ersten zehn Monaten des Jahres ergab sich gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021 ein Zuwachs von etwa 10 Prozent. Zu den wichtigsten Lieferanten zählen neben Deutschland auch China, die USA, Schweden sowie das Vereinigte Königreich.

    Die Bedürfnisse steigen stetig

    „Wir wollen eine Gesellschaft, in der möglichst viele Menschen eine gute Lebensqualität erfahren. Eine Strategie für Lebensqualität gibt uns die Grundlage für wirksame Maßnahmen, die den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen“, sagt Ministerin für Gesundheit und Pflege Ingvild Kjerkol. Diese sollen besser erfasst werden und darauf aufbauend „politische Maßnahmen entwickelt werden, die darauf ausgerichtet sind, was die Bewohner als wichtig für ihre Lebensqualität erachten“, so die Ministerin. Im Sinne der Gesundheitspolitik werden dabei voraussichtlich Präventionsmaßnahmen sowie eine weitere Angleichung des Dienstleistungsportfolios und der -qualität landesweit im Vordergrund stehen. Die Strategie, die von einer Arbeitsgruppe erstellt wird, die aus Vertretern der nationalen Gesundheitsbehörde des Volksgesundheitsinstituts sowie des Statistikamtes SSB besteht, soll im Spätfrühling 2023 vorgelegt werden.

    Zusätzliche Mittel werden 2023 auch für Krankenhäuser zur Verfügung gestellt. Neben zusätzlicher etwa 240 Millionen Euro für Behandlungen, wurden mit knapp 1 Milliarde Euro im Jahresvergleich etwa ein Drittel mehr Mittel für Investitionen veranschlagt. Laut Angaben der Regierung werden aktuell 22 Investitionsvorhaben durchgeführt, deren gesamter Kostenrahmen auf nahezu 7 Milliarden Euro geschätzt wird. Die Spanne reicht dabei von einer neuen Psychiatrieabteilung in Sørlandet für etwa 60 Millionen Euro bis zum Megaprojekt des Universitätskrankenhauses in Oslo für knapp 3 Milliarden Euro.

    Mangel an Fachkräften ist groß

    Wie in den meisten Ländern hat sich auch in Norwegen der Fachkräftemangel in den gesundheitsrelevanten Sektoren in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Das Gesundheits- und Pflegewesen wies in den ersten drei Quartalen 2022 laut SSB durchschnittlich knapp 17.500 unbesetzte Stellen auf. Das waren um ein Fünftel mehr als 2021 und fast um die Hälfte mehr als im Durchschnitt der 2010er Jahre. Erst im Oktober dieses Jahres publizierte die Gesundheitsbehörde Daten, nach denen sich die Wartezeiten auf einen Facharzttermin deutlich verlängert haben. Zwischen April und Juni lagen sie mit durchschnittlich 66 Tagen etwa 6 Tage über dem Wert aus dem gleichen Zeitraum 2021.

    Um die Engpässe zumindest teilweise abzubauen, verlängerte die Regierung abermals die zu Beginn der Coronapandemie etablierten Ausnahmen für bestimmte Kompetenzanforderungen für Allgemeinmediziner. So können für solche Funktionen bis Ende 2023 und nur, falls keine geeigneten Kandidaten verfügbar sind, auch Personen eingestellt werden, die keine Fachärzte für Allgemeinmedizin sind oder sich noch in der entsprechenden Weiterbildung (LIS1) befinden.

    Zusätzlich wird 2023 die Förderung des ALIS-Ausbildungssystems für Hausärzte auf 40 Millionen Euro verdoppelt. Die Hoffnung ist, mit besserer Langzeitplanung mehr Fachkräfte für die Spezialisierung gewinnen zu können. Weitere knapp 50 Millionen Euro sollen zusätzlich ab dem 1. Mai 2023 für die Finanzierung der Hausarztpraxen zur Verfügung stehen. Die Mittel sollen vor allem dafür verwendet werden, dem Einzelpatienten mehr Zeit zu widmen - entweder durch höhere Einzelerstattung oder Mittel für die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter. Dem vorausgehen wird eine Nachjustierung des Hausarztsystems, die die Regierung zusammen mit dem Regionenverband KS sowie der Ärztekammer abstimmen will. Auch hier steht der gleiche Zugang für alle im Vordergrund, wie Ministerin Kjerkol erklärt: „Wir akzeptieren keine Entwicklung, bei der die Zahlungsbereitschaft des Einzelnen zunehmend Vorteile wie eine schnellere oder bessere Gesundheitsversorgung mit sich bringt. Ein tragfähiges Hausarzt-System ist wichtig, um weitere Privatisierungen zu verhindern“.

    Daraus folgt die Abschaffung der Möglichkeit der sogenannten freien Behandlungswahl (FBV). Das System der durch die norwegische Gesundheitswirtschaftsadministration Helfo zugelassenen Privatunternehmen zur Erbringung spezialisierter Gesundheitsleistungen, die aus Staatsmitteln bezahlt werden, hat die formulierten Ziele nicht erreicht. So konnten weder Wartezeiten verkürzt, noch die Effizienz gesteigert werden, heißt es von offizieller Seite. Ganz im Gegenteil, die Kosten seien seit der Einführung exponentiell gestiegen – zwischen 2016 und 2021 nahezu um das zehnfache. „Die Beendigung des Anerkennungsverfahrens bedeutet nicht, dass weniger Ressourcen für den Fachärztlichen Dienst zur Verfügung stehen, sondern dass die regionalen Gesundheitsorganisationen den Ressourceneinsatz besser steuern können. Gleichzeitig bleiben private Dienstleistungen weiterhin wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitsdienstes. Zukünftig wird die Zusammenarbeit aber durch langfristige Vereinbarungen geregelt“, unterstrich die Gesundheitsministerin Ende Oktober.

    Kampf gegen die psychische Belastung

    Neben des zu Corona-Zeiten noch akuter gewordenen Fachkräftemangels wurden Maßnahmen zur Beschaffung von Impfstoffen und Hilfsmitteln ergriffen. So wurden alleine im Staatshaushalt 2023 knapp 20 Millionen Euro für den Kauf von Vakzinen bewilligt. Ferner beteiligt sich das Land sowohl an der nordischen Initiative zur Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen, als auch an ähnlichen Vorhaben der Europäischen Union (EU).

    Nicht zuletzt durch die Coronapandemie ist auch die psychische Gesundheit noch stärker ins Augenmerk gerückt. Entsprechend sollen Maßnahmen vor allem für Kinder und Jugendliche, aber auch für schwerwiegende Fälle und Drogenabhängige verstärkt werden. Im Jahr 2023 werden zusätzliche jeweils etwa 15 Millionen Euro für entsprechende Versorgung in Gesundheitszentren und Schulen sowie in Krankenhäuser fließen. Bereits seit Mitte 2022 läuft in diesem Zusammenhang die Kampagne „ABC für psychische Gesundheit“ (das ABC steht für: Act, Belong, Commit, also Handeln, Dazugehören, Engagieren). Zusätzlich soll im Laufe 2023 ein Aktionsplan für psychische Gesundheit vorgestellt werden. „Jeder muss Zugang zu gleich guten Dienstleistungen haben, unabhängig von Adresse und Geldbeutel. Hilfe muss zugänglicher und näher an den Menschen werden“, umriss die Gesundheitsministerin Kjerkol die Hauptziele. Für die Sicherstellung der Ziele werden die Kommunen verantwortlich sein.

    Kunde Staat ist König

    Der Aufbau des norwegischen Gesundheitssystems gestaltet sich analog zu den beiden skandinavischen Nachbarn. Durch das Sozialversicherungsgesetz haben alle Einwohner das Anrecht auf eine kostenlose Gesundheitsversorgung. Diese wird über Steuern sowie entsprechende Abgaben der Arbeitnehmer und -geber finanziert. Auf zentraler Ebene werden die Gesundheitspolitik gestaltet, Mittel verteilt sowie die Krankenhäuser verwaltet. Die spezialisierte Gesundheitsversorgung obliegt vier sogenannten Regionalen Gesundheitsbehörden (RHF), die diese über 27 Gesundheitsbetriebe gewährleisten. Für die Organisation der Grundversorgung, Pflege, psychologischen Behandlung sowie Prävention sind auf ihrem Gebiet wiederum die 356 Kommunen zuständig.

    Entsprechend ist der Staat auch der größte Auftraggeber. In seinem Budget sind für 2023 etwa 26 Milliarden Euro für die Gesundheitspflege festgeschrieben. Von den RHF ist die Region Süd-Ost mit Oslo der größte Nutznießer, 7 Milliarden Euro. Die restlichen drei Gesundheitsbehörden erhalten zwischen etwa 1,6 Milliarden Euro und 2,5 Milliarden Euro.

    Zeitgleich wurden zusätzliche Mittel in Höhe von knapp 250 Millionen Euro für das Krankenhaussystem für 2022 zugeteilt. Die in die Verluste geratenen Einrichtungen kündigten angesichts der Finanzlage im September Investitionsverzögerungen und -aufschübe an. Die Regierung hofft, dass die Sonderzahlung bei der planmäßigen Realisierung helfen wird.

    Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Norwegen (Investitionssumme in Millionen Euro)

    Projekt

    Investitionssumme

    Anmerkung

    Internetadresse

    Ausbau Neues Landeskrankenhaus in Oslo

    1.905

    100.000 qm Nutzfläche; Projektbewilligung wird am 16.12.2022 erwartet

    Helse Sør-Øst

    Ausbau Krankenhaus Nye Aker

    1.424

    35.000 qm Nutzfläche; Projektbewilligung wird am 16.12.2022 erwartet

    Helse Sør-Øst

    Neubau Klinik für psychische Gesundheit und Suchterkrankungen, Åsgård

    224

    18.900 qm, 128 Betten; Konzept wartet auf Bewilligung von Helse Nord

    Universitätskrankenhaus Nord-Norwegen

    C-Flügel des Krankenhauses in Breivika

    k.A.

    Konzeptphase im Herbst 2022 gestartet

    Universitätskrankenhaus Nord-Norwegen

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Gesundheitswesen soll effizienter werden

    Die Entwicklung des norwegischen Gesundheitssektors folgt mehrjährigen Strategiedokumenten der Regierung. Dazu zählen maßgeblich der Nationale Gesundheits- und Krankenhausplan 2020-2023 sowie die Nationale E-Health-Strategie 2017-2022. Eigentlich sollte die letztere längst eine Neufassung erhalten haben, die ab 2023 gelten würde. Nach dem Ende der öffentlichen Konsultationen Anfang Oktober dauert das Feintuning allerdings noch an.

    In der Zwischenzeit waren allerdings weitere Projekte vorgestellt, die aktuelle Probleme im Gesundheitssystem angehen sollen. Dazu zählt eine Ende August 2022 von der Regierung beauftragte Organisationsuntersuchung. Demnach sollen Aufgaben und Zuständigkeiten zentraler Institutionen des Gesundheitswesens - der nationalen Gesundheitsbehörde, des Volksgesundheitsinstituts, der Arzneimittelbehörde, der E-Health-Behörde sowie der Atomsicherheitsbehörde - überprüft werden. „Basierend auf einem Mapping wird das Projekt beurteilen, ob Änderungen in der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten erforderlich sind, um Doppelarbeit zu vermeiden“, erklärte Gesundheitsministerin Ingvild Kjerkol. Besonders im Fokus sollen die Themenbereiche Vorsorge und Digitalisierung stehen. Nach der für spätestens Mitte Februar 2023 geplanten Fertigstellung des Berichts könnte eine Reorganisierung folgen.

    Ein weiterer Ausschuss soll die staatliche zahnärztliche Versorgung unter die Lupe nehmen. „Die Regierung will einen schrittweisen Ausbau des öffentlichen zahnmedizinischen Dienstes mit dem Ziel, ihn mit anderen Gesundheitsdiensten anzugleichen“, so Kjerkol. Möglich seien beispielsweise der Ausbau des kommunalen Zahnarztdienstes, Leistungen für zahnärztliche Behandlungen über die gesetzliche Krankenversicherung oder in den fachärztlichen Dienst integrierte zahnärztliche Dienste.

    Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Norwegen

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (1.1.2022 in Mio.)

    5,4

    Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.)

    0,6

    Altersstruktur der Bevölkerung (2021)

      Anteil der unter 15-Jährigen (in %)

    17

      Anteil der über 64-Jährigen (in %)

    18

    Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2021 in Jahren)

    83,2

    Durchschnittseinkommen (2021 in Euro, Bruttomonatslohn)*

    4.997

    Gesundheitsausgaben pro Kopf (2021 in Euro)*

    7.600

    Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2021 in %)

    10,1

    Ärzte/100.000 Einwohner (2021)

    518

    Zahnärzte/100.000 Einwohner (2021)

    93

    Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2020), davon

    340

      privat

    81

      öffentlich

    263

    * EZB-Umrechnungskurs 2021: 1 Euro = 10,1633 nkrQuelle: Norwegisches Statistikamt SSB 2022; OECD 2022

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Digital Health

    Das stark digitalisierte Norwegen muss auf E-Health setzen. Anders ist im Flächenland die anvisierte Gleichstellung aller Patienten nicht machbar.

    Nur mit E-Health lassen sich die Herausforderungen lösen

    Ausgaben für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) machen etwa 6 Prozent der Kosten der vier Gesundheitsregionen aus. Nahezu drei viertel der etwa 840 Millionen Euro entfielen 2020 auf Betriebskosten. Für Investitionen wurden etwa 235 Millionen Euro aufgebracht. Digitale Gesundheitsleistungen gewinnen in Norwegen schnell an Bedeutung. Laut der Behörde für E-Health verzeichnete das öffentliche Gesundheitsportal Helsenorge über 77 Millionen Einlogg-Vorgänge im Jahr 2021 - nahezu doppelt so viele wie ein Jahr zuvor. Laut der Bevölkerungsbefragung zu E-Health 2021 haben nur 6 Prozent der Befragten keine E-Health-Angebote genutzt. Allerdings wünscht sich nur jeder dritte noch mehr davon.

    Entsprechend gehört Norwegen mit seinen staatlichen E-Leistungen zu der Spitzengruppe. Im eGovernment Benchmark 2022 der EU verfehlt das Land nur im Bereich der grenzübergreifenden eDokumente sowie des Designs der Lösungen den Durchschnittswert. Andererseits erreicht es in Bereichen wie digitale Post, inländische eDokumente oder Anpassung an mobile Geräte die maximale oder fast maximale mögliche Punktezahl.

    Im World Index of Healthcare Innovation der FreOpp-Stiftung musste das Land 2021 hingegen deutlich Federn lassen – von Rang 12 ging es runter auf Platz 24 unter den 31 untersuchten Wirtschaften. Allerdings muss hier unterstrichen werden, dass das Ranking vor allem auf Wirtschaften mit privater Gesundheitsvorsorge abzielt. Entsprechend hing die Entwicklung neben den begrenzten Wahlmöglichkeiten für Patienten, vor allem mit der sogenannten „Fiskalen Nachhaltigkeit“ zusammen. Dieser Faktor bemängelt unter anderem „hohe staatliche Gesundheitsausgaben pro Kopf sowie ihre zunehmende Steigerungsrate“ - kein schlechtes Zeichen für Zulieferer und Lösungsanbieter. Bei der Qualität des Gesundheitswesens oder dem Thema Forschung und Technologien schnitt das Land dagegen überdurchschnittlich ab.

    Um das digitale Gesundheitssystem weiter zu stützen sollen 2023 über 30 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt in die digitale Interaktion oder den Bereich Gesundheitsdaten fließen. Einerseits wurde angekündigt, den einzelnen Regionen mehr Spielraum bei deren Verwendung zu geben: „Die Kommunen selbst kennen die Bedürfnisse und Kapazitäten in den Kommunen am besten und können daher am besten Verantwortung übernehmen und die Arbeit voranbringen“, unterstrich die Gesundheitsministerin. Andererseits soll die Verantwortlichkeit für die Zurverfügungstellung von Gesundheitsdaten beim Gesundheitsdatendienst liegen: „Die Regierung möchte, dass der Einsatz innovativer E-Health-Lösungen sowohl zu einem sicheren und effizienten Gesundheits- und Pflegedienst als auch zur Schaffung eines Heimatmarktes für norwegische Anbieter beiträgt“, erklärte Kjerkol.

    Der Staat hilft beim Kauf von Innovationen

    Damit neuartige Lösungen auch wirklich eine Marktchance haben und nicht dem teilweise konservativen Einkaufssystem zum Opfer fallen, führt die staatliche Innovationsagentur Innovation Norway zusammen mit dem Forschungsrat ein Nationales Programm für Lieferantenentwicklung (Nasjonalt program for leverandørutvikling). Darin enthalten sind Maßnahmen, wie Innovationspartnerschaften, vorkommerzielle öffentliche Beschaffung oder die Einrichtung neuer öffentlich-private Partnerschaften im Gesundheitssektor. Diese Programme sollen weiter gestärkt werden und sowohl der spezialisierte als auch primäre Gesundheitsdienst animiert werden, "die wichtigsten Herausforderungen durch diese Innovationsprogramme zu lösen", heißt es von offizieller Seite. Ziel sei eine deutliche Erhöhung des Anteils innovativer Beschaffungen.

    Augenmerk liegt auf Daten

    Seit dem 24. Oktober 2022 wird mit „Pasientens prøvesvar“ (Testergebnisse der Patienten) ein System implementiert, dass Labor- und Radiologie-Untersuchungsergebnisse unabhängig davon wo sie durchgeführt wurden dem Gesundheitspersonal digital zur Verfügung stellt. Damit soll die bisher meist per Telefon, Brief oder Fax stattfindende Abfrage deutlich effizienter gestaltet werden. Laut offiziellen Angaben werden in Norwegen jeden Monat etwa 2 Millionen solcher Anfragen bearbeitet. „Unser gemeinsamer Gesundheitsdienst ist auf eine solide digitale Infrastruktur angewiesen. Wir setzen uns dafür ein, dass neue Lösungen schnell angenommen werden“, unterstrich Gesundheitsministerin Ingvild Kjerkol. Langfristig sollen auch Patienten Zugang zu ihren Untersuchungsergebnissen erhalten. Um der Sensibilität dieser Daten Rechnung zu tragen wird der Zugriff aber technisch begrenzt, jeder Aufruf protokolliert und kontrolliert werden. Ferner erhalten Patienten das Anrecht, entsprechende Einträge ins digitale Journal zu verbieten oder ihren Abruf einzuschränken.

    Andererseits werden sie den Zugang zukünftig aber noch breiter freigeben können. Im Oktober 2022 ist Norwegen nämlich offiziell der Infrastruktur für elektronische grenzübergreifende Gesundheitsdienste in der EU - MyHealth@EU - beigetreten. Dadurch soll es einerseits möglich sein, die Patientenakte mit europäischen Ärzten zu teilen. Andererseits können aber Einträge über Behandlungen im EU-Ausland in die norwegische Patientenakte eingetragen werden und so ein volleres Patientenbild liefern.

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Lokale Branchenstruktur

    Trotz Förderprogrammen und einer lebhaften Start-up-Landschaft bleiben die norwegischen Ausstatter des Gesundheitswesens ein überschaubarer Kreis.

    Inlandsangebot bleibt klein

    Laut dem Marktforschungsunternehmen Menom Economics erwirtschaftete die norwegische Gesundheitswirtschaft 2019 einen Umsatz von nahezu 5,5 Milliarden Euro. Davon entfiel knapp zweidrittel auf die Pharmaindustrie und weitere 6 Prozent auf E-Health. Produzenten von Medizintechnik kamen demnach auf etwa 1,7 Milliarden Euro.

    Auf diesem Feld tätig waren 2020 laut dem norwegischen Statistikamt SSB etwas mehr als 300 Unternehmen. Diese Zahl weist seit mehreren Jahren - hauptsächlich durch eine fortschreitenden Konsolidierung - einen leicht negativen Trend auf. Mit der Herstellung fortgeschrittener Technik, wie Bestrahlungs-, elektromedizinischer oder elektrotherapeutischer Geräte, beschäftigt sich dabei nur eine Handvoll Firmen. Vorwiegend besteht das Angebot aus medizinischen und zahnmedizinischen Instrumenten sowie Mitteln. Die Umsätze mit solchen stiegen zwischen 2017 und 2020 in der Landeswährung gerechnet um etwa 15 Prozent. Unter Einbeziehung der Abwertung der norwegischen Krone erwirtschafteten die knapp 2.000 Angestellten aber 2020, genau wie 2017, etwa 430 Millionen Euro.


    Führende Branchenunternehmen in Norwegen (Umsatz in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Umsatz 2019

    Veränderung (2019/18)

    Laerdal Medical AS

    391,5

    2,7

    GE Vingmed Ultrasound AS

    221,1

    32,1

    Blatchford Ortopedi AS

    23,7

    1,7

    Ortopediteknikk AS

    23,4

    2,5

    Och Ortopedi AS

    19,1

    11,4

    Sophies Minde Ortopedi AS

    18,7

    3,7

    Trondelag Ortopediske Verksted AS

    10,0

    7,6

    Proteket AS

    8,3

    25,5

    Quelle: Largestcompanies 2022

    Mit Ausnahme von GE Healthcare entscheiden sich selten ausländische Konzerne, eine Produktion in Norwegen aufzubauen. Laut einem Bericht des Marktforschungsinstituts Menom Economics liegen dem vor allem drei Faktoren zugrunde: das hohe Kostenniveau, fehlende öffentliche Risikominderungsprogramme für solche Investitionen sowie der schwache Inlandsmarkt. "Im letzterem liegt sowohl die Erkenntnis, dass der norwegische Markt klein ist und nicht in unmittelbarer Nähe zu den großen und wichtigen internationalen Märkten für Gesundheitstechnologie liegt, als auch, dass das norwegische Ausschreibungsregime sehr starr ist und dass der starke Fokus auf den Preis wenig zur Innovation beiträgt", resümieren die Experten.

    Auf Importe angewiesen

    Angesichts der überschaubaren Eigenkapazitäten ist Norwegen beim Stillen des Medizintechnikbedarfs auf Importe angewiesen. Hauptlieferant sind die USA mit über einem Fünftel Anteil an den Einfuhren 2021. Wichtige Lieferanten sind ferner China, Schweden, die Schweiz sowie Dänemark.

    Deutsche Anbieter halten seit Jahren konstant Rang 2 mit einem Importanteil, der bei 11 Prozent liegt. Allerdings können sie in einigen Teilbereichen weit größere Erfolge vermelden. Beispielsweise sind sie führend bei Diagnosegeräten, wie Röntgenapparaten sowie Magnetresonanz- und Computertomographen, aber auch bei Sterilisatoren, zahntechnischen Instrumenten und Schrittmachern.

    Einfuhr ausgewählter medizintechnischer Produkte nach Schweden (in Millionen Euro)*

    HS Produktgruppe

    2019

    2020

    2021

    davon aus Deutschland 2021 (in %)

    9018.11 bis .20 Elektrodiagnoseapparate und -geräte

    149,8

    157,7

    169,3

    9,1

    9022 Röntgenapparate etc.

    77,1

    59,5

    62,6

    35,4

    8419.20 Sterilisierapparate

    7,1

    4,4

    6,3

    31,7

    8713 Rollstühle

    40,0

    33,9

    38,4

    18,0

    9018.41, .49 Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.

    34,1

    26,9

    36,1

    20,8

    9018.31 bis .39 Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.

    109,9

    104,7

    117,2

    3,5

    9018.50 Ophthalmologische Instrumente

    18,8

    17,4

    17,9

    10,2

    9018.90 Andere Instrumente, Apparate und Geräte    

    237,5

    247,2

    232,7

    13,4

    9019, 9020 Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.

    79,7

    100,8

    122,6

    4,9

    9402 Medizinmöbel etc.

    41,9

    47,5

    41,8

    12,6

    9021 Orthopädietechnik, Prothesen etc.

    291,5

    321,3

    342,1

    8,9

    Summe

    1087,2

    1121,3

    1187,0

    11,2

    * Umrechnung nach jeweiligem Jahresdurchschnittskurs der EZBQuelle: Norwegisches Statistikamt SSB 2022

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Rahmenbedingungen

    Durch Norwegens enge Anknüpfung an die EU liegen die Formalitäten zwischen dem Binnenmarkt und Drittländern. Vergaben werden digital durchgeführt, aber in Landessprache.

    Zahlreiche Registrierungspflichten sind zu beachten

    Da Norwegen "nur" Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), nicht aber der Europäischen Union (EU) ist, gestaltet sich der Export schwieriger als in die beiden skandinavischen Nachbarländer. Vor allem muss bei der Wareneinfuhr ein zugelassener Wirtschaftsbeteiligter beauftragt werden. Eine aktuelle Liste dieser sogenannten AEO veröffentlicht die norwegische Zollbehörde.

    Immerhin decken die EWR-Handelsabkommen die Zertifizierung ab. Hat ein Medizinprodukt bereits in einem anderen EU-Land die CE-Kennzeichnung erhalten, kann es auch in Norwegen vertrieben werden. Da bei einzelnen medizinischen Produkten landesspezifische Vorschriften und Richtlinien gelten können, über die die Arzneimittelbehörde informiert, ist die Kontaktaufnahme mit der Zollbehörde empfehlenswert.

    Alternativ kann diese Klärung auch ein landeskundiger Partner durchführen. Die Zusammenarbeit mit einem solchen ist generell empfehlenswert, da die meisten Ausschreibungen in Landesprache veröffentlicht werden. Dieser kann zudem auf bestehende Netzwerke zurückgreifen, die in allen drei skandinavischen Ländern eine wichtige Rolle für die erfolgreiche Geschäftsanbahnung spielen. Und weil die Länder so eng verzahnt sind, kann der richtige Partner meistens den Weg in den gesamten skandinavischen Raum ebnen.

    Weitere Formalitätspflichten ergeben sich aus der Art des medizinischen Gerätes, seiner Risikoklasse sowie der Rolle des Unternehmens. So müssen sich beispielsweise alle Hersteller von Medizinprodukten, die auf den norwegischen Markt kommen, in der entsprechenden Datenbank für medizinische Produkte registrieren. In einigen Fällen kann dies auch für Distributoren und Importeure gelten.

    Um überhaupt auf dem Markt tätig zu werden muss zudem ein Eintrag im norwegischen Register für ausländische Unternehmen NUF vorliegen, genau wie eine Registrierung beim Steueramt vorgenommen werden. Da auch bei der Mitarbeiterentsendung besondere Regelungen zu beachten sind, empfiehlt sich ein Outsourcing der Behördengänge an einen spezialisierten Dienstleister. Dazu zählt unter anderem die Deutsch-Norwegische Handelskammer (AHK Norwegen), die ebenfalls einen Kurzüberblick der zu beachtenden Formalitäten publiziert. Auch die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Geschäftschancen online gelistet

    Sind die rechtlichen Hürden genommen, geht es vor allem digital auf Auftragssuche. Neben dem allgemeinen Ausschreibungsportal der öffentlichen Hand DOFFIN sollten vor allem die Vorhaben der nationalen Krankenhauseinkaufsgesellschaft Sykehusinnkjøp verfolgt werden. Sie legt landesweite Rahmenvereinbarungen fest, die von den regionalen Gesundheitsbehörden entweder übernommen werden, oder auf deren Basis sie Modifikationen vornehmen. Anbieter digitaler Produkte und Dienstleistungen für das Gesundheitswesen sollten daneben die Interaktionsplattform der Agentur Norsk helsenett im Auge behalten. Die Behörde ist für Tele-Lösungen sowie einen Teil der IT-Ausschreibungen zuständig.

    Eine wichtige Zielgruppe stellen die knapp 5.000 norwegischen Hausarztpraxen dar, die ihren Technikbedarf selbst decken. Meistens geschieht dies durch die individuelle Zusammenarbeit mit Distributoren. Um mehr Gleichgewicht ins Kräfteverhältnis zu bringen wurde 2014 die Einkaufsgemeinschaft Polar-Medica gegründet, die den Bedarf bündelt und so größere Anschaffungen vornehmen kann.

    Im skandinavischen Vergleich ist der Einkauf medizinischer Hilfsmittel in Norwegen einzigartig. Dieser wird zentral von der Sozialverwaltung NAV vorgenommen. Die Hilfsmittel werden in der entsprechenden Datenbank gelistet und können von den Patienten beantragt werden.

    Kriterien hängen vom Auftraggeber ab

    Welche Verkaufsargumente beim Kunden am besten ankommen, hängt von seiner Größe und Art ab. Bei großen Aufträgen und im Krankenhaussektor sind beispielsweise die Lebenszeitkosten entscheidend. Entsprechend sollten im Angebot Kostenfaktoren, wie Lebenszeit, Qualität, Servicebedingungen und Instandhaltungsumfang unterstrichen werden. Auch ist hier das technologische Verständnis des Kunden am höchsten und entsprechend das Interesse an innovativen Lösungen am größten.

    Bei den Kommunen und Hausärzten dominiert der Einkaufspreis die Entscheidungsfällung. Marktspieler bemängeln, dass hier oft technisches Fachwissen fehlt und somit qualitative Vorzüge der angebotenen Lösungen nur schwer vermittelbar sind. Zudem sei das Fachpersonal nur im geringen Maße in den Prozess involviert, was zusätzlich zu einem vorsichtigen und auf "bewehrte Technologien" ausgerichteten Agieren führt.

    Von Michał Woźniak | Stockholm

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Norwegen

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft

    Helse- og omsorgsdepartementet

    Ministerium für Gesundheit und Pflegedienste

    Helsedirektoratet

    nationale Gesundheitsbehörde

    Statens legemiddelverk

    nationale Arzneimittelagentur

    Helsetilsynet

    Kontrollbehörde für die Sozial- und Gesundheitspflege

    Direktorat for e-helse

    Behörde für E-Health

    Melanor

    Fachvereinigung für Gesundheitswirtschaft 

    Medisinsk Teknologisk Forening

    Fachvereinigung für Medizintechnik

    Von Michał Woźniak | Stockholm

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