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Mehr Rohstofflieferungen aus den Nordischen Ländern

In Nordeuropa häufen sich die Funde seltener Erden. Damit könnte die Rohstoffabhängigkeit des Kontinents von Drittstaaten reduziert werden.

Von Judith Illerhaus | Stockholm

Schweden, Grönland, Norwegen alle drei nordeuropäischen Länder verfügen über nennenswerte Rohstoffvorkommen, die wichtig für die europäische Industrie sind. Laut Mario Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank, hätte schon die Eröffnung von lediglich ein bis zwei Minen im europäischen Raum das Potenzial, die Abhängigkeit des Kontinents massiv zu verringern. Mit dem im Oktober 2024 gestarteten Rohstofffonds unterstützt die Bundesregierung deutsche Unternehmen finanziell bei Rohstoffprojekten. Germany Trade & Invest ordnet die Potenziale der drei Nordischen Länder ein.

Norwegen setzt weiter auf Nachhaltigkeit

Eigentlich plante Norwegen einen großen Schritt im Bereich Tiefseebergbau: Ab 2025 sollten Lizenzen für den Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresboden vergeben werden. Hierdurch wäre es das erste Land, das das sogenannte Deep Sea Mining erlaubt hätte. Doch sowohl EU-Parlament als auch internationale Meereswissenschaftler übten scharfe Kritik an den invasiven Plänen. Nun hat die Regierung verkündet, die Vergabe vorerst zu pausieren und setzt damit ein deutliches Zeichen für die Umwelt.

Dies geschieht im Einklang mit der nationalen Rohstoffstrategie von 2023. Sie zielt darauf ab, in Norwegen die weltweit nachhaltigste Rohstoffindustrie zu etablieren. Teile der Strategie beinhalten eine schnellere Umsetzung neuer Rohstoffprojekte und die Integration der Industrie in die Kreislaufwirtschaft. Finanzielle Unterstützung bietet die norwegische Regierung sowohl für den Forschungs- als auch den operativen Bereich. Für Projekte in der Frühphase gibt es zum Beispiel die Programme Nysnø und Investinor.

Für viel Aufsehen sorgte die Entdeckung des Fen-Karbonatit-Komplexes im Sommer 2024 durch das norwegische Unternehmen Rare Earths Norway (REN) im Süden des Landes. Das Vorkommen gilt als das größte seiner Art in Europa und könnte dazu beitragen, eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung für den Kontinent zu schaffen. Es enthält schätzungsweise 8,8 Millionen Tonnen seltene Erden, von denen 1,5 Millionen Tonnen im Rahmen der Herstellung von Elektrofahrzeugen und Windturbinen verwendet werden könnten. Derzeit erkundet REN das Gebiet durch weitere Kernbohrungen und Aufbereitungstests und schätzt, dass ein Abbau ab 2030 realistisch wäre. Etwa 10 Prozent des europäischen Bedarfs an seltenen Erden könnte allein durch dieses Gebiet gedeckt werden.

Großes Seltenerdvorkommen in Nordschweden entdeckt

In Nordschweden befindet sich das größte Eisenerzvorkommen Europas. Die Region hat eine lange Fördertradition. Anfang 2023 entdeckte das staatliche Bergbauunternehmen LKAB dort eine bedeutende Lagerstätte in der Nähe der Stadt Kiruna. Sie soll über 1 Million Tonnen Seltenerdoxide enthalten.

Die schwedische Regierung plant zudem, die Verwaltungsprozesse der staatlichen Bergbaubehörde Bergsstaten effizienter zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist die schnelle Genehmigung der Nunasvaara-Süd-Mine im Oktober 2024. Obwohl gegen die Genehmigung der Umweltbehörde Einspruch eingelegt wurde, erhielt Talga eine 25-jährige Konzession für den Graphitabbau. Auch die Sahavaara-Grube des Bergbauunternehmens Kaunis Iron wurde im Juli 2024 genehmigt. Diese Genehmigungen sind ein wichtiger Schritt für die Produktion von Anodenmaterialien für Lithium-Ionen-Batterien in Europa.

Zusätzlich prüft die schwedische Regierung, das seit 2018 geltende Verbot des Uranabbaus aufzuheben. Der Grund: Seltene Erden kommen oft als Nebenprodukt von Uranvorkommen vor.

Neue Rohstoff- und Minenprojekte in NordschwedenMenge in 1000 Tonnen
ProjektBetreiberProdukte / Anmerkung

Menge 

Zeitplan
Nunasvaara-Süd-MineTalga GroupGraphit

120

18 bis 24 Monate nach erfolgter Investitionsentscheidung
Sahavaara-GrubeKaunis IronEisenerz; Gangminerale u.a. Apatit, Chlorit und Graphit

101.000

Eröffnung geplant für 2026/2027
Per-Geijer-Grube, KirunaLKABSeltene Erden

1.700 

Produktion geplant ab 2027
Zusätzliche Gewinnung von Apatit, GällivareLKABEisenerz und kritische Minerale, u.a. Apatit

5.700.000

n.a.
Bau eines R&D-Zentrums und Demonstrationsanlage, LuleåLKABPhosphor, Seltenerdmetalle

n.a.

Eröffnung geplant für Ende 2026
Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

Grönland hat noch einen langen Weg vor sich

Grönlands nationale Rohstoffstrategie läuft in diesem Jahr aus. Angesichts der wachsenden Bedeutung Grönlands für die europäische Industrie wird eine baldige Aktualisierung der Strategie erwartet. Ein ausführlicher Bericht Grönlands und Dänemarks aus dem Jahr 2023 gibt einen Überblick über die Vorkommen der 27 identifizierten Mineralien im Land. Der Inselstaat verfügt über ein erhebliches ungenutztes Potenzial: Es gibt Vorkommen von 27 der 34 von der EU als kritisch eingestuften Mineralien, darunter seltene Erden, Graphit, Platingruppenmetalle und Niob. 

Im November 2023 gründeten die EU und Grönland eine strategische Partnerschaft zur Schaffung nachhaltiger Rohstoffwertschöpfungsketten. Da Grönland nicht Teil der EU ist, fällt die Rohstoffpartnerschaft unter die externe Strategie zu kritischen Rohstoffen der EU.

Was besagt das MoU zwischen Grönland und der EU?

  • Wirtschaftliche und industrielle Integration von Wertschöpfungsketten für kritische Rohstoffe und andere Rohstoffe, um gemeinsame Projekte entwickeln zu können.

  • Zusammenarbeit entlang hoher internationaler Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (ESG), um sicherzustellen, dass die grönländischen Rohstoffsektor ein Hebel für nachhaltiges und integratives Wirtschaftswachstum sein kann.

  • Aufbau der für die Entwicklung von Rohstoffwertschöpfungsketten erforderlichen Infrastruktur. 

  • Stärkung der Kapazitäts- und Kompetenzentwicklung entlang der Wertschöpfungsketten für Rohstoffe. 

  • Zusammenarbeit in den Bereichen Forschung und Innovation.

Bis Europa aus Grönland Rohstoffe bezieht, könnten allerdings noch Jahrzehnte vergehen. Die lokale Industrie ist bisher unterentwickelt und erfordert hohe Anlaufkosten für die Infrastruktur unter rauen Wetterbedingungen. Zudem werden Aktivitäten von Umweltaktivisten als weitere Hürde empfunden. Auch die geringe Bevölkerungszahl von etwa 56.000 Einwohnern stellt Grönland mit Blick auf qualifizierte Arbeitskräfte vor große Herausforderungen. Darüber hinaus gibt es derzeit keine Gesetzgebung für ausländische Direktinvestitionen (FDI), obwohl die Behörden sich verpflichtet haben, solide FDI-Regelungen zu entwickeln, die durch strenge ESG-Standards vorangetrieben werden. Zuletzt verkompliziert auch die Überschneidung von Bergbau- und Sicherheitspolitik, die von Dänemark verwaltet wird, die Angelegenheit.

Nachhaltigkeit als Chance für deutsche Zulieferer

Aktuell bezieht Deutschland bereits einen Teil seiner kritischen Rohstoffe aus den Nordischen Ländern: Auf Norwegen entfällt beispielsweise ein bedeutender Teil der deutschen Titanimporte, während Schweden im Jahr 2022 für mehr als 30 Prozent der Bleilieferungen verantwortlich war. Deutsche Zulieferer für Bergbaumaschinen sind bereits heute starke Partner der nordischen Region. 

Chancen ergeben sich sowohl im Rahmen der Exploration als auch durch den Abbau der Rohstoffe. Insbesondere Technologien und Dienstleistungen im Bereich nachhaltiger Bergbau und Rohstoffverarbeitung sind gefragt. Unternehmen können von der steigenden Nachfrage nach umweltfreundlichen Lösungen profitieren. Auch Kooperationen in Forschung und Entwicklung in den Bereichen der Kreislaufwirtschaft und der Wiederverwertung von Rohstoffen sind vielversprechend.

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