Rechtsbericht Norwegen Arbeits- und Arbeitsgenehmigungsrecht
Das norwegische Arbeitsrecht ändert sich schrittweise
Das Arbeidsmiljøloven ist wohl das wichtigste Gesetz im norwegischen Arbeitsrecht. Nun erhält es ein Update – einige Neuerungen gelten seit 1. Januar 2024, andere folgen zum 1. Juli 2024.
23.01.2024
Von Karl Martin Fischer | Bonn
Änderungen zum 1. Januar 2024
Neu und anders gefasst wird zunächst der Arbeitnehmerbegriff als solcher. Der neu gefasste Artikel 1-8 Absatz 1 des Arbeidsmiljøloven (AML) bietet eine neue Definition des Arbeitnehmerbegriffs. Die Kriterien sind zwar an sich nicht überraschend – es geht vor allem um das Weisungsverhältnis und um Kontrolle. Neu und bemerkenswert ist die Vermutung eines Arbeitsverhältnisses in Satz 3 dieser Vorschrift. Diese Vermutung wird erst widerlegt, wenn der Arbeitgeber es schafft zu beweisen, dass das Fehlen eines Arbeitsverhältnisses „sehr wahrscheinlich“ ist.
Zum 1. Januar 2024 werden die Arbeitnehmerrechte im Konzern gestärkt. Bei einer betriebsbedingten Kündigung erstreckt sich die Suche nach einem geeigneten Ersatzarbeitsplatz künftig auf alle Betriebe des Konzerns in Norwegen, nicht nur auf den betroffenen Betrieb. Entsprechendes gilt für einen bevorzugten Anspruch auf Wiedereinstellung, falls ein Ersatzarbeitsplatz später frei wird. Dies ist im neu gefassten Artikel 14-2 AML normiert. Artikel 15-4 des AML regelt ergänzend, dass das Kündigungsschreiben auf diese Vorzugsrechte hinweisen und benennen muss, welche Unternehmen im Zeitpunkt der Kündigung Teil des Konzerns sind.
In Konzernen mit regelmäßig mindestens 50 Beschäftigten muss das Mutterunternehmen einen Rahmen für die Zusammenarbeit, Information und Diskussion schaffen. Das regelt der neue Artikel 8-4 des AML. Davon profitieren sowohl die Tochterunternehmen als auch die Arbeitnehmer. Letztere können durch Gewerkschaften vertreten werden. Insbesondere wenn Umstrukturierungen geplant sind, die erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten haben werden, muss das Unternehmen frühzeitig informieren und konsultieren.
Arbeitsschutzbeauftragte sind künftig in allen Betrieben mit fünf oder mehr Beschäftigten zu wählen (Artikel 6-1 AML) - bislang lag die Grenze bei zehn Beschäftigten. In Betrieben, die mindestens 30 (bislang 50) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, sind Arbeitsschutzausschüsse einzurichten. In diesen muss neben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite auch der arbeitsmedizinische Dienst vertreten sein. In Betrieben mit zwischen zehn (bisher 20) und 30 Beschäftigten kann ein solcher Ausschuss eingerichtet werden, wenn eine Partei im Unternehmen dies verlangt oder die Arbeitsaufsichtsbehörde dies entscheidet (neu gefasster Artikel 7-1 AML).
Gemäß Artikel 14-9 AML (neu) haben befristet Beschäftigte nach drei Jahren eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses automatisch einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Dabei ist es unerheblich, auf welcher rechtlichen Basis die Befristung beruht. Bislang war dies differenziert, und bei Befristung mit Sachgrund aufgrund der vorübergehenden Natur der Aufgabe waren vier Jahre Befristung möglich.
Schließlich bestimmt der neue Artikel 14-14a AML, dass die Arbeitgeberin mindestens einmal jährlich mit Arbeitnehmervertretern den Einsatz von Teilzeitarbeit, Leiharbeit oder externer Dienstleister bespricht und erläutert.
Änderungen zum 1. Juli 2024
Zum 1. Juli 2024 werden Änderungen des AML (Artikel 14-6 ff.) in Kraft treten, die die europäische Richtlinie (EU) 2019/1152 zu transparenten und vorhersehbaren Arbeitsbedingungen in norwegisches Recht umsetzen. Dies wird dazu führen, dass Arbeitsverträge neue Pflichtangaben erhalten müssen. Nicht zuletzt erstrecken sich diese auch auf Angaben betreffend Auslandsentsendungen von mehr als vier aufeinander folgenden Wochen (insbesondere: die Währung, in der das Gehalt zu zahlen ist, Geld- und Sachleistungen im Zusammenhang mit der Arbeit im Ausland, die Bedingungen für die Rückreise des Arbeitnehmers, einschließlich der Kostenübernahme).
In Sachen Probezeit gilt, dass diese nach wie vor höchstens sechs Monate betragen darf. Für befristete Arbeitsverhältnisse von weniger als 12 Monaten Dauer sind sechs Monate Probezeit allerdings künftig nicht mehr zulässig, denn die Probezeit darf nur maximal halb so lang sein wie das Arbeitsverhältnis.
Insgesamt setzt sich mit den neuen Regelungen der Trend zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte in Norwegen fort.
Zum Thema:
Work Environment Act (Englisch)
Lov om arbeidsmiljø, arbeidstid og stillingsvern mv. (arbeidsmiljøloven) (Norwegisch)