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Telekommunikationssektor wächst trotz schwerer Rahmenbedingungen
Neun von zehn Haushalten haben Zugang zum Internet. Die Internet-Nutzung durch Unternehmen ist aber begrenzt. Der Telekommunikationssektor leidet unter israelischen Behinderungen.
23.06.2023
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Moderne Telekommunikation setzt sich in den Palästinensischen Gebieten zunehmend durch. Das geht aus Angaben des Palästinensischen Zentralamts für Statistik (Palestinian Central Bureau of Statistics - PCBS) hervor. Allerdings kann das Potenzial nur sehr schwer ausgeschöpft werden; Grund sind israelische Kontrollen.
Anteil von Smartphones wächst
Immer mehr palästinensische Haushalte verfügen über Internet und Smartphones. Im Jahr 2022 hatten 4,4 Millionen palästinensische Bewohner einen Smartphone-Anschluss. Demgegenüber waren es 2021 noch 4,1 Millionen. Laut dem PCBS hatte 2022 mindestens ein Mitglied von 89 Prozent aller palästinensischen Haushalte einen Internetanschluss. Noch 2019 waren es nur 80 Prozent.
Fast drei Viertel aller Personen im Alter ab zehn Jahren, und zwar 73 Prozent, besaßen 2022 ein Smartphone. Das waren zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Weitere 6 Prozent besaßen andere Mobiltelefone. Im Gesamtergebnis lag die Besitzquote für Mobiltelefone aller Kategorien in der Altersgruppe ab zehn Jahren 2022 bei 79 Prozent.
Internet-Nutzung in der Wirtschaft begrenzt
In der gewerblichen Wirtschaft ist die Nutzung des Internets weniger verbreitet. Im Jahr 2021 nutzten nach PCBS-Angaben 61 Prozent der palästinensischen Unternehmen das Internet für betriebliche Zwecke oder hatten zumindest diese Möglichkeit. Noch niedriger war der Anteil der Firmen, die Geschäftsaufträge über das Internet erhielten. Er lag bei 53 Prozent.
Eine neue Entwicklung ist die Einführung von glasfasergestütztem FTTH-Internet (Fiber-to-the-home). Ende 2022 waren fast 52.000 Kunden an dieses Netz angeschlossen. Dadurch ging die Zahl der ADSL-Anschlüsse (Asymmetric Digital Subscriber Line) 2022 um 11,6 Prozent auf 358.000 zurück. Die durchschnittliche Übertragungsgeschwindigkeit der Internetverbindungen hat sich 2022 fast verdoppelt und erreichte 26 Megabit pro Sekunde.
Paltel und Ooredoo sind führende Anbieter
Im Jahr 2022 waren in den Palästinensischen Gebieten, so das PCBS, neun Internetanbieter tätig. Ferner besaßen 103 drahtlose WiFi-Netze eine Betriebslizenz.
Das führende palästinensische Telekommunikationsunternehmen ist die Palestine Telecommunications Group (Paltel). Der Konzern bietet lokale und internationale Telefondienste, Internet, Datenkommunikation, Mobilfunk und Mehrwertdienste an.
Ein weiterer wichtiger Marktteilnehmer ist Ooredoo Palestine, auch unter dem früheren Namen Wataniya Mobile Palestine bekannt. Das Unternehmen ist ein Mobilanbieter und wird vom katarischen Telekommunikationsunternehmen Ooredoo Group kontrolliert.
Der Gazastreifen bleibt hinter der Westbank zurück
Bei der Nutzung des Internets und der Mobiltelefone bestehen erhebliche Unterschiede zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen. Letzterer ist durch eine Blockade auch wirtschaftlich weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten und erzielt ein deutlich niedrigeres Bruttoninlandsprodukt je Einwohner als die Westbank.
Der Anteil der Haushalte mit Internetanschluss lag in der Westbank 2022 bei 92 Prozent, während es in Gaza 83 Prozent waren. Von allen Personen in der Westbank ab zehn Jahren besaßen rund 83 Prozent ein Smartphone, aber nur 58 Prozent im Gazastreifen.
Unterschiede bestehen auch in der gewerblichen Wirtschaft. Während in der Westbank 68 Prozent der Unternehmen 2021 Zugang zum Internet hatten und 56 Prozent auf diesem Wege auch Aufträge erhielten, lagen die entsprechenden Quoten in Gaza bei 48 beziehungsweise 44 Prozent.
Israelische Kontrollen behindern die Entwicklung
Die Entwicklung des palästinensischen Telekommunikationssektors wird durch Einschränkungen behindert, welche die israelische Regierung seit Jahrzehnten verhängt. Israel kontrolliert die Vergabe von Frequenzen an palästinensische Telekom-Unternehmen ebenso wie die Einfuhr von Telekommunikationsausrüstungen.
Zwar erklärte US-Präsident Joe Biden im Juli 2022 bei einem Besuch in Ramallah, dem Sitz der Palästinensischen Autonomiebehörde, die US-Regierung habe mit Israel über Wege zur Ankurbelung des palästinensischen Wirtschaftswachstums verhandelt. Einer dieser Wege sei die Einrichtung von 4G-Mobilfunknetzen.
Indessen sagte der palästinensische Minister für Kommunikations- und Informationstechnologie, Ishaq Sadr, im März 2023, die palästinensische Regierung bemühe sich um die Zuteilung von Frequenzen der vierten und fünften Generation. Allerdings schiebe Israel das Thema ohne berechtigte Gründe vor sich her. Das israelisch-palästinensische Verhältnis und Israels Politik dürften auch künftig ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des palästinensischen Telekommunikationssektors bleiben.