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Baubeginn für Offshore-Windkraftanlagen für 2024 angesetzt
Die Investoren der neuen Gebiete für Offshore-Windkraft vor Polens Küste stehen fest. Zugleich machen Vorbereitungen für Projekte der ersten Vergaberunde deutliche Fortschritte.
07.12.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Polens Infrastrukturministerium hat die Vergabe von elf weiteren Offshore-Flächen für abgeschlossen erklärt. Einsprüche potenzieller Investoren, die bei dem Verfahren leer ausgegangen waren, scheinen damit vom Tisch. Wie sich bereits im Sommer 2023 nach ersten Vorentscheidungen abzeichnete, gehen je fünf Gebiete an den staatlichen Stromkonzern PGE (Polska Grupa Energetyczna) und an den staatlich kontrollierten Mineralölkonzern Orlen. Eine Fläche bleibt ohne Investor, da sie inzwischen als Militärübungsgebiet vorgesehen ist.
Die neuen Projekte stehen noch am Anfang. Zehn weitere Vorhaben aus einer früheren Vergaberunde sind deutlich weiter fortgeschritten. Hier konnten sich neben PGE und Orlen auch der deutsche Energiekonzern RWE sowie Firmen aus Polen, Dänemark, Frankreich, Kanada und Spanien durchsetzen.
Unterstützung von internationalen Branchengrößen
Orlen und der Partner Northland Power aus Kanada gelten als besonders aktiv. Bereits 2024 wollen sie erste Offshore-Windkraftanlagen aufstellen. Die beiden Unternehmen verfügen laut eigener Auskunft über alle notwendigen Genehmigungen. Im Herbst 2023 startete der Bau des Installationsterminals im Hafen von Świnoujście. Der Bauriese Budimex übernimmt die Arbeiten an Land. Die österreichische PORR Gruppe konnte sich als Auftragnehmerin bei den wasserseitigen Bauleistungen durchsetzen. Sie errichtet in Świnoujście Anlegestellen. Die Unternehmen profitieren laut Branchenportal WysokieNapiecie auch davon, dass Polens Umweltbehörde den Bau zügig freigab.
Der dänische Hersteller Vestas liefert die nötigen Turbinen für Orlen. Wichtige Komponenten wie Gondeln und Naben werden aus dem geplanten Werk in Szczecin stammen. Vestas hat zudem in derselben Stadt die Fundamentefabrik des insolventen Herstellers ST3 Offshore übernommen.
Mehrere Unternehmen kümmern sich um die Unterseekabel für das Projekt von Orlen/Northland. Während die polnische TFK Gruppe und die dänischen NKT die Herstellung übernehmen, wird die belgische DEME die Leitungen verlegen. Überhaupt wächst im Zuge der Investitionen die Strominfrastruktur. Polens staatlicher Netzbetreiber PSE (Polskie Sieci Elektroenergetyczne) baut bis 2028 vier 400-Kilovolt-Leitungen, um Strom aus den Offshore-Windparks an Land zu verteilen.
Orlen will außerdem in Schiffe investieren. Im Herbst 2023 hat das Unternehmen eine Vereinbarung mit der staatlichen Wirtschaftsförderagentur ARP (Agencja Rozwoju Przemysłu) unterschrieben. ARP wird drei Schiffe bestellen und später an Orlen vermieten. Die Wasserfahrzeuge sollen jeweils 24 Techniker transportieren können und einen Kran haben.
Einige Aufträge sind noch offen. Beispielsweise sucht Orlen einen Wartungsdienstleister für die Offshore-Anlagen. Der Mineralölkonzern hat eine Informationsanfrage (Request For Information) veröffentlicht. Interessenten können bis Mitte Dezember 2023 ihre Unterlagen über die Projekt-Webseite einreichen.
Deutsche Zulieferer an unterschiedlichen Projektphasen beteiligt
Fortschritte machen neben dem Orlen/Northland-Vorhaben auch die beiden Gemeinschaftsprojekte von PGE und dem dänischen Partner Ørsted aus der ersten Vergaberunde. Die Windparks sollen 2027 und 2029 ans Netz gehen. Siemens Gamesa wird Turbinen liefern. Die Fundamente wiederum stammen von drei Herstellern. Einer von ihnen ist die deutsche Steelwind. Ein Konsortium der spanischen Firmen Navantia und Windar wird ebenfalls Fundamente liefern.
Die Wahl des Installationshafens fiel im Falle von PGE und Ørsted auf Gdańsk. Bevor es hier losgehen kann, ist noch einiges zu tun. Das Hafenunternehmen Baltic Hub wird ein neues Terminal für den Offshore-Sektor bauen. Der Spatenstich erfolgt laut der Betreibergesellschaft in der zweiten Jahreshälfte 2024. Es gibt noch keinen Auftragnehmer für die Bauarbeiten.
Ähnlich wie PGE und Ørsted arbeiten die beiden Partner Polenergia und Equinor bei ihren gemeinsamen Offshore-Projekten ebenfalls mit Siemens Gamesa zusammen. Der japanische Technologiekonzern Hitachi liefert die Umspannplattformen. Ein norwegisch-belgisch-griechischer Zusammenschluss aus den Unternehmen Seaway7, Jan de Nul und Hellenic Cables produziert und verlegt die Kabel.
Ein weiterer Investor vor Polens Küste ist Ocean Winds. Das Joint Venture entschied sich im Oktober 2023 für eine Zusammenarbeit mit SeaRenergy aus Hamburg. SeaRenergy wird einen Entwurf ausarbeiten und Genehmigungen einholen. Der geplante Windpark mit 400 Megawatt Leistung aus der ersten Vergaberunde soll ab 2027 Strom produzieren.
Steigende Kosten oft nicht die größte Hürde
Die Offshore-Installation von RWE wird hingegen erst 2029 ans Netz gehen - zwei Jahre später als ursprünglich geplant. Als Grund für die Verzögerung nennt RWE "makroökonomische Faktoren". Gemeint sind gestiegene Zinsen und Preise für Baumaterialien. Auch PGE erklärte, die Kosten für die Offshore-Projekte lägen höher als ursprünglich geplant. "Die Rentabilität ist aber auf einem zufriedenstellenden Niveau", beruhigte PGE-Vizevorstand Lechosław Rojewski auf einer Pressekonferenz. Der Konzern darf sich über eine vorläufige Kreditentscheidung der Europäischen Investitionsbank (EIB) freuen. Polenergia wiederum hat neue Aktien ausgeschüttet, um an das nötige Kapital zu kommen.
Gut für die Unternehmen: Investoren aus der ersten Vergaberunde werden für den erzeugten Strom einen garantierten Abnahmepreis erhalten. Mittlerweile ist der Betrag an die Inflation gekoppelt. Außerdem können die Investoren einen Teil in Euro abrechnen.
Vor diesem Hintergrund sieht der polnische Windenergieverband PSEW (Polskie Stowarzyszenie Energetyki Wiatrowej) die größten Herausforderungen bei planerischen Vorgaben. Die Interessenvertretung will, dass eine Offshore-Anlage um bis zu 50 Meter entfernt vom ursprünglich geplanten Standort aufgebaut werden darf – ohne zusätzliche Genehmigung. Das sei in anderen Ländern möglich. Zusätzlich verlangt PSEW, dass sich Unterseekabel in Zukunft überschneiden dürfen. Das Infrastrukturministerium solle ferner neue Offshore-Gebiete ausweisen.