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Geothermie kann 2045 ein Drittel der Fernwärme liefern
Die Voraussetzungen zur Nutzung von Thermalwasser als Wärmeenergiequelle durch polnische Gemeinden sind gut, etwa in Westpommern. Der Staat fördert solche klimaneutralen Projekte.
11.10.2023
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Bislang war die Tiefengeothermie in Polen eine eher selten genutzte Art der erneuerbaren Energie. Das Potenzial vor allem für die Wärmeerzeugung ist jedoch groß. Aus Analysen der Consultingfirma McKinsey geht hervor, dass Geothermie 2045 bis zu 33 Prozent des Bedarfs der Fernwärmesysteme abdecken könnte.
Etliche Gemeinden verfügen über gute Voraussetzungen für das Hochpumpen von Thermalwasser aus der Erde. Die Geothermie ist nicht nur eine umweltfreundliche Art der Energieerzeugung. Sie kann zudem dazu beitragen, Energiepreise zu stabilisieren oder gar zu senken, zumal Abgaben für Emissionen von Kohlenstoffdioxid entfallen.
Umweltfreundliche Energieversorgung gefragt
Bei der Suche nach alternativen Energiequellen gewinnt Geothermie daher an Bedeutung. Das Ministerium für Klima und Umwelt MKiŚ (Ministerstwo Klimatu i Środowiska) entwickelte 2022 eine Road Map zur Nutzung der Geothermie bis 2040 mit Perspektive auf 2050. Die damit verbundenen Kosten veranschlagt das MKiŚ auf gut 10 Milliarden Euro. Eine Co-Finanzierung aus dem Staatshaushalt, vom Landesfonds für Umweltschutz und Wasserwirtschaft NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) und anderen Institutionen in Höhe von etwa 2,6 Milliarden Euro ist vorgesehen.
Auf etwa 40 bis 55 Prozent der Landesfläche Polens soll laut Schätzungen des MKiŚ Thermalwasser nutzbar sein. Bis 2040 sind laut Road Map 78 Probebohrungen geplant, um eine Gesamtkapazität von 290 Megawatt zu schaffen. Erwogen wird ferner, 114 bestehende Heizwerke mit einer Kapazität von je über 5 Megawatt auf die Nutzung von Thermalwasser umzurüsten.
Einige Installationen bestehen bereits oder sind fast fertig. Laut dem NFOŚiGW wurden von 2016 bis 2020 zehn Verträge zur Nutzung der Geothermie durch zehn Gemeinden zur Errichtung entsprechender Anlagen geschlossen. Davon befinden sich fünf im Zentrum des Landes. Die größte Anlage in Koło mit einer Kapazität von 257 Kubikmetern pro Stunde und einer Temperatur von 84,3 Grad Celsius, das Geothermie- und Biomasse-Fernwärmewerk in Sieradz mit 249 Kubikmetern pro Stunde und 51,8 Grad Celsius sowie eine Anlage in Konin sollen noch 2023 übergeben werden.
Die fünf anderen Objekte liegen in den südlichen Woiwodschaften Dolnośląskie (Niederschlesien) und Małopolskie/Podkarpackie (Kleinpolen/Vorkarpatenland). Im September 2023 belieferten sieben geothermische Installationen in Mszczonów, Poddębice, Podhale (Zakopane), Pyrzyce, Stargard, Uniejów und Toruń (Thorn) das Fernwärmenetz.
Weitere Probebohrungen sollen folgen
Die größten Probebohrungen für 28,7 Millionen Euro werden in Szaflary, nördlich von Zakopane mit 200 Kubikmetern pro Stunde angegangen. Dort bereitet die polnische Gesellschaft UOS Drilling S.A. eine besonders tiefe Bohrung von 7.000 Metern vor, um Thermalwasser mit bis zu 180 Grad Celsius zu gewinnen. Damit sollen Häuser mit Fernwärme beheizt, Strom produziert und Thermalbäder geschaffen werden. Bereits in 3.600 Metern Tiefe wird Thermalwasser vermutet, das möglicherweise alternativ oder ergänzend zu den tiefer liegenden Vorkommen nutzbar ist.
Unternehmen (darunter kommunalen) bietet das staatliche Programm Polska Geotermia Plus 2019 bis 2025 einen Förderbetrag von 130 Millionen Euro. Sie können 2023 noch Verträge mit dem NFOŚiGW abschließen. Die Gelder sind bis Ende 2025 auszugeben. Darlehen können sie für bis zu 100 Prozent der Kosten aufnehmen, zuschussfähig sind bis zu 50 Prozent. Förderfähig sind die Errichtung neuer und der Ausbau bestehender Energieanlagen sowie vorbereitende Arbeiten für solche Baumaßnahmen. Am kostspieligsten und risikoreichsten sind die Probebohrungen, die mit bis zu 50 Prozent zuschussfähig sind (kein zusätzliches Darlehen). Einige werden zurzeit durchgeführt. Der Betrieb der Pumpenanlagen ist dann langfristig kostengünstig.
Westpommern nutzt Thermalquellen
Verschiedene Unternehmen führen derzeit in Polen Geothermieprojekte durch. In Pyrzyce (Pyritz), südöstlich von Szczecin (Stettin), versorgt die kommunale Gesellschaft Geotermia Pyrzyce Sp. z o. o., an welcher der NFOŚiGW beteiligt ist, die Gemeinde mit Wärme. Möglich sind Public Private Partnerships (PPP), wo eine Gemeinde ihre Thermalwasserquellen einbringt und ein privater Investor - auch aus dem Ausland - die Anlagen zu deren Ausbeutung. Das sagte der Geschäftsführer des Beratungs- und Planungsbüros von Ingenieuren und Geologen, Geothermie Neubrandenburg GmbH (GTN), Peter Seibt.
Ein Investor könne auch eigenständig und auf eigenes Risiko handeln. Das gelte etwa für Veolia Energia Polska, Veolia Energia Poznań und die dänische Innargi, die gemeinsam das Potenzial für ein Geothermieprojekt mit 100 Megawatt für das Fernwärmenetz der Stadt Poznań (Posen) erkunden wollen. Eine große Anlage könnte dort Anfang 2028 in Betrieb gehen.
Die günstigen geologischen Bedingungen in Zachodniopomorskie (Westpommern) seien bereits gut erkundet und dokumentiert, wie Seibt beim von der Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg organisierten Wirtschaftskreis der Metrolpolregion Stettin in Szczecin sagte. Auch in Stargard versorgt eine Geothermieanlage die Einwohner mit Wärme. Die G-Term Energy Sp. z o. o. hatte ihre Jahreskapazität - gefördert durch den NFOŚiGW und die EU - noch um 12 Megawatt erhöht und damit fast verdoppelt.
GTN suche Standorte sowie Investoren für künftige Projekte. Das Ingenieurbüro formuliert Ausschreibungen etwa für Bohrungen und stellt bei konkreten Bauvorhaben eine Gruppe von internationalen Firmen zusammen, die jeweils ihren Teil zur Realisierung beitragen. Bohrunternehmen habe Polen zwar selbst, für deutsche Unternehmen bestehen nach Einschätzung Seibts aber Zulieferchancen insbesondere bei Pumpenanlagen oder auch der technischen Ausstattung der Heizwerke. Deutsche Firmen sollten die Ausschreibungen verfolgen und sich bewerben.
Ein wichtiges Kontaktforum bietet vom 28. bis 30. November 2023 der VIII. Kongres Geotermalny der Polnischen Vereinigung der Geothermie (Polskie Stowarzyszenie Geotermiczne) in Kraków (Krakau).