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Nachfrage nach modernen Logistikflächen flacht ab
Die große Bedeutung Polens als europäischer Logistikstandort wächst weiter, wenn auch abgeschwächt. Führende Bauentwickler verfolgen neue Projekte.
29.06.2023
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Polen wird als Logistikstandort im Zentrum Europas immer wichtiger. Landesweit entstanden 2022 laut der Immobilienfirma Axi Immo gut 4,4 Millionen Quadratmeter an modernen Lagerhallen. Das ist erneut ein Rekordwert beim Zubau von Logistikflächen. Allein im 1. Quartal 2023 hatte sich der Bestand um beachtliche 1,6 Millionen Quadratmeter vergrößert.
Insgesamt verfügt das Land damit mittlerweile über moderne Logistikflächen im Umfang von 30 Millionen Quadratmetern. Das entspricht fast einer Verdoppelung gegenüber dem Bestand von 2018 (15,9 Millionen Quadratmeter).
Produktionsunternehmen weiter interessiert
Die Dynamik schwächt sich nun allerdings etwas ab. Ende März 2023 befanden sich 2,1 Millionen Quadratmeter Lager- und Logistikflächen im Bau. Das sind 57 Prozent weniger als Ende März 2022. Dennoch zeigen sich Fachleute wie die Direktorin der Industrieabteilung bei Axi Immo, Anna Głowacz, in der Tageszeitung Rzeczpospolita verhalten optimistisch. Die Nachfrage nach modernen Flächen sei im 1. Quartal 2023 um 7 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal auf 1,2 Millionen Quadratmeter gestiegen. Ein Grund für das Wachstum waren noch laufende Verhandlungen aus dem Jahr 2022, die sich über den Jahreswechsel hinaus zögerten.
Nun aber halten die Inflation sowie hohe Betriebs- und Finanzierungskosten potenzielle Mieter von weiteren Transaktionen ab. Gerade Logistik- und E-Commerce-Firmen hätten 2022 zudem in Erwartung der Preissteigerungen Flächen über ihren eigentlichen Bedarf hinaus angemietet.
Eine wachsende Nachfrage sei dagegen von Seiten produzierender Unternehmen zu erwarten. Hier mache sich der Trend zum Nearshoring zunehmend bemerkbar: Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten zum Beispiel aus Asien wieder nach Europa zurück. Jakub Kurek, Abteilungsleiter für Industrie- und Lagerflächen bei der Immobilienfirma Newmark Polska, sieht insbesondere bei Unternehmen im Bereich Kfz-Industrie und Elektromobilität eine Tendenz, Lieferketten zu verkürzen. Dadurch rücke Polen als Standort stärker ins Blickfeld.
Marktführer starten neue Projekte
Auch die Bauentwicklungsfirmen zeigen sich laut Immobilienexpertin Głowacz zurückhaltender mit Investitionsprojekten. Von den gestiegenen Finanzierungskosten und der Forderung nach einem möglichst hohen Anteil bereits vorab abgeschlossener Mietverträge lassen sich nur einige Firmen mit genügend Eigenkapital nicht abschrecken. Das gilt vornehmlich dann, wenn es um spekulativ errichtete Objekte geht.
Zu den kapitalstarken Bauentwicklungsfirmen zählt der in Polen etablierte US-Konzern Panattoni. Dieser errichtet seit März 2023 in Świdnik in der südöstlich gelegenen Woiwodschaft Lublin einen umfangreichen Lagerpark mit einer Hallenfläche von 55.000 Quadratmetern, der 2023 fertiggestellt werden soll. Pre-let-Verträge konnte Panattoni dafür mit drei Firmen abschließen. Dazu zählt ein Hochtechnologie-Produktionsunternehmen, an dessen Bedarf die Räumlichkeiten ausgerichtet werden. Panattoni erhielt für das Vorhaben von der Alior Bank einen Kredit von 32,8 Millionen Euro.
Zuvor hatte Panattoni bereits von der Bank Pekao einen Kredit von 57 Millionen Euro für den Bau von Lagerflächen in Nadarzyn, südwestlich von Warschau, sowie einen weiteren Kredit von 67 Millionen Euro für ein Projekt bei Poznań (Posen) erhalten. Das Projekt Panattoni Park Nadarzyn II verwirklicht der US-Konzern zusammen mit der Gesellschaft International Industrial Properties. Die beiden zu diesem Komplex gehörenden Gebäude umfassen eine Gesamtfläche von über 91.000 Quadratmetern.
Panattoni errichtete außerdem zusammen mit DB Schenker in Toruń (Thorn) ein Verladeterminal (für sogenanntes Cross-Docking) mit 54 Lkw-Docks und guter Verkehrsanbindung. Zum Objekt, das über 11 Millionen Euro kostete, gehört nicht nur ein Platz zum Manövrieren im Freien, sondern auch eine Halle. Es ist bereits der 18. Logistikstandort von DB Schenker in Polen und wurde im Mai 2023 in Betrieb genommen.
Neue Logistikobjekte werden oft mit Umweltzertifikaten versehen. Die Erhöhung der Energieeffizienz etwa wird zu einem zentralen Aspekt bei der Bauplanung. Daneben ist der sparsame Verbrauch von Wasser von Bedeutung. Bei der technischen Ausstattung spielt die Automatisierung eine wachsende Rolle, auch um dem Mangel an Arbeitskräften entgegenzuwirken.
Großraum Warschau bietet die meisten Lagerhallen
Die vorhandenen Logistikobjekte konzentrieren sich in einzelnen Landesteilen. Besonders der Großraum Warschau ist von hoher Bedeutung. Dort spielt der Onlinehandel eine wichtige Rolle, der kleinere und hochautomatisierte Objekte in Stadtnähe benötigt.
Potenzial für weitere Flächen besteht noch in Westpolen und insbesondere im Raum Szczecin (Stettin). Ein wesentlicher Faktor ist dabei die Nähe zu Deutschland. Auch der Raum Gdańsk (Danzig), wo die Hafenkapazitäten ausgebaut werden, kann seine Position noch stärken.
Landesteil | Anteil in Prozent |
---|---|
Raum Warszawa (Warschau) | 20 |
Górny Śląsk (Oberschlesien) | 17 |
Zentralpolen | 14 |
Dolny Śląsk (Niederschlesien) | 13 |
Raum Poznań (Posen) | 12 |
Gdańsk-Sopot-Gdynia (Danzig-Zoppot-Gdingen) | 5 |
Westpolen | 4 |
Ostpolen | 4 |
Raum Szczecin (Stettin) | 3 |
Małopolska (Kleinpolen) | 3 |
Kujawsko-Pomorskie (Kujawien-Pommern) | 2 |
Trotz der regen Aktivitäten und Zuwächse liegt Polen bezüglich des Wertes der Projekte im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. Laut BNP Paribas Real Estate sanken die Investitionen in Logistik- und Industrieimmobilien 2022 in ganz Europa um 19 Prozent gegenüber 2021 auf 55,6 Milliarden Euro. Auf Polen entfiel davon mit 1,8 Milliarden Euro ein Anteil von nur 3,2 Prozent. Im Jahr 2021 hatten die entsprechenden Investitionen in Polen noch bei etwa 3 Millionen Euro gelegen.