Rechtsbericht | Polen | Arbeitsrecht
Arbeitsrecht
Seit 2016 ist die Beschäftigung von EU-Ausländern in Polen vereinfacht. Doch es gilt einige Dinge zu beachten.
28.06.2023
Von Jessica Ceglecki (AHK Polen) | Warschau
Vergütung: Frei verhandelbar, unter Berücksichtigung des Mindestlohns |
Mindestlohn1): |
Arbeitsstunden pro Woche: 40 |
Regelarbeitstage pro Woche: 5 |
Zulässige Überstunden: Grundsätzlich 150 im Kalenderjahr |
Bezahlte Feiertage: 13 |
Bezahlte Urlaubstage: 20 bei unter 10 Arbeitsjahren; danach 262 Unbezahlte Urlaubstage: 5 Pflegetage für Familienangehörige/Angehörige desselben Haushalts |
Sonderzahlungen pro Jahr in Monatslöhnen (13. und/oder 14. Gehalt): Im privaten Sektor nicht zwingend, kann Arbeitgeber aber freiwillig leisten; pflichtmäßige (betriebliche) Altersvorsorge (Pracownicze Plany Kapitałowe – PPK): Arbeitgeberanteil fakultativ 1,5 Prozent (mindestens) bis 4 Prozent (maximal) vom Bruttogehalt; Arbeitnehmeranteil fakultativ 2 Prozent bis 4 Prozent (maximal) vom Bruttogehalt |
Tage mit bezahltem Arbeitsausfall im Kalenderjahr: 2 Tage beziehungsweise 16 Stunden Kinderpflege bis 14 Jahre; 2 Tage beziehungsweise 16 Stunden Kinderpflege bedingt durch unvorhergesehene Ereignisse (50 Prozent-Bruttogehalt); 2 Tage für Hochzeit, Geburt eines Kindes, Tod engster Familienmitglieder; 1 Tag für Hochzeit des Kindes, Tod eines nächsten Familienmitglieds; 60 Tage bei Krankheit je Kind bis zum 14. Lebensjahr, wobei Anspruch auf Entgeltfortzahlung hier gegen die Sozialversicherungsanstalt ZUS besteht |
Tage mit Lohnfortzahlung bei Krankheit: Anspruch gegen Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung für bis zu 33 Krankheitstage (in der Regel in Höhe von 80 Prozent des Bruttogehalts), danach Anspruch gegen die Sozialversicherungsanstalt ZUS (Krankengeld)3 |
Probezeit: Maximal 3 Monate, wobei die Probezeit in einem eigenständigen Probearbeitsverhältnis zu regeln ist; im Anschluss ist ein Arbeitsvertrag abzuschließen; Verlängerung oder Abschluss eines weiteren Probearbeitsverhältnisses für die gleiche Arbeitsstelle gesetzlich ausgeschlossen |
Urlaube und Leistungen im Zusammenhang mit der Geburt von Kindern: Entgeltlicher Mutterschaftsurlaub 20 Wochen (1 Kind), 31 Wochen (2 Kinder) usw. bis 37 Wochen (5 Kinder), Vaterschaftsurlaub 2 Wochen, Elternurlaub 41 bis 43 Wochen (1 Kind; Mehrlingsgeburt) für beide Elternteile gemeinsam, davon: 9 Wochen ausschließlich durch ein Elternteil nutzbar; unentgeltlicher Erziehungsurlaub bis zu 36 Monate für Elternteile gemeinsam |
Wichtigste Rechtsgrundlage und Rahmenbedingungen
Die wichtigste Rechtsgrundlage für das polnische Arbeitsrecht stellt das polnische Arbeitsgesetzbuch vom 26. Juni 1974 dar.
Seit 2016 können EU-Ausländer ohne die Einholung einer Arbeitsgenehmigung mit einem in Polen ansässigen Unternehmen ein Beschäftigungsverhältnis eingehen. Erforderlich sind die Registrierung beim zuständigen Ausländeramt und eine Anmeldung bei der Sozialversicherungsanstalt ZUS.
Darunter fällt auch, wenn ein deutsches Unternehmen einen in Deutschland angestellten Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum in einer polnischen Niederlassung beschäftigen möchte (Versetzung). Mit Beginn dieser Beschäftigung sind alle Lohnabgaben mit den zuständigen polnischen Organen, insbesondere mit dem polnischen Finanzamt, abzurechnen. Der deutsche Arbeitsvertrag wird für die Dauer der Beschäftigung in Polen in der Regel ruhend gestellt.
Anders verhält es sich im Falle einer Entsendung, bei der es im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu einer kurz- oder mittelfristigen Verschiebung des Tätigkeitsschwerpunktes ins Ausland kommt. Hier muss das Finanzamt in Polen bei einer Tätigkeitsdauer von bis zu 183 Tagen nicht informiert werden. In Fällen der Entsendung ist grundsätzlich auch die polnische Sozialversicherungsanstalt ZUS erst nach 24 Monaten zuständig, sofern der Arbeitgeber bei der zuständigen Stelle in Deutschland die A1-Bescheinigung beantragt hat.
Vertragsabschluss
Ein Arbeitsvertrag bedarf grundsätzlich der Schriftform. Haben die Parteien einen Arbeitsvertrag nicht schriftlich abgeschlossen, hat der Arbeitgeber spätestens am Tag des Arbeitsantritts dem Arbeitnehmer gegenüber bestimmte Beschäftigungsbedingungen schriftlich zu bestätigen. Hierzu zählen: Die Vertragsparteien und -art, Art der zu leistenden Arbeit, Arbeitszeit und -ort, Vergütung einschließlich ihrer Bestandteile entsprechend der vereinbarten Arbeitsart und der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme.
Mit einem Angestellten dürfen maximal nur drei kalendermäßig befristete Arbeitsverträge unterzeichnet werden. Die gesamte Laufzeit der befristeten Verträge darf 33 Monate nicht überschreiten. Diese Vorgaben gelten für die Gesamtheit der Arbeitsverhältnisse zwischen einem Arbeitnehmer und demselben Arbeitgeber. Beabsichtigt ein Arbeitgeber, eine befristete Anstellung über die 33 Monate hinaus fortzusetzen, muss er hierfür einen "sachlichen Grund" nennen, diesen im Arbeitsvertrag festschreiben und dies binnen fünf Tagen bei der zuständigen Bezirksarbeitsaufsicht melden. Bei befristeten Arbeitsverträgen kann der Arbeitnehmer nach 6 Monaten Beschäftigung eine Entfristung des Arbeitsverhältnisses beantragen. Der Arbeitgeber hat einen Monat Zeit, um dem Antrag stattzugeben oder unter Angabe von Gründen abzulehnen.
Einer befristeten und unbefristeten Anstellung kann eine maximal dreimonatige Probezeit vorangehen. Eine solche Probezeit bedarf allerdings eines eigenständigen Probearbeitsverhältnisses (Probearbeitsvertrag), dessen Dauer sich danach richtet, wie lange das anschließende Beschäftigungsverhältnis dauern soll. Für mehr als ein Probearbeitsvertrag mit demselben Arbeitnehmer muss entweder ein Stellenwechsel im Betrieb stattfinden, der eine erneute Erprobung des Mitarbeiters erfordert, oder eine Anstellungspause von mindestens drei Jahren vorliegen.
Die Übernahme aus einem Probearbeitsverhältnis in eine befristete beziehungsweise unbefristete Anstellung bedarf stets der Aufsetzung eines neuen und entsprechenden Arbeitsvertrages zwischen den Parteien. Die Möglichkeit einer ineinandergreifenden Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses besteht in Polen nicht.
Die Verwendung der polnischen Sprache im innerpolnischen Rechts- und Geschäftsverkehr ist in einem speziellen Gesetz über die polnische Sprache vom 7. Oktober 1999 geregelt. Gemäß diesem Gesetz sind Arbeitsverträge grundsätzlich in polnischer Sprache abzuschließen, können bei polnischen Staatsbürgern aber auch um eine Fremdsprache ergänzt werden. Maßgeblich bleibt jedoch die polnische Sprachfassung. Arbeitsverträge mit in Polen wohnhaften ausländischen Staatsbürgern können indes auch ausschließlich in einer Fremdsprache formuliert werden, wenn der zukünftige Arbeitnehmer formell bestätigt, dieser Sprache mächtig zu sein. Im Behördenverkehr und vor Gericht ist jedoch eine Kommunikation auf Polnisch zwingend.
Rechte und Pflichten der Vertragsparteien
Das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses zieht unterschiedliche Rechte und Pflichten für die Vertragsparteien nach sich.
Durch den Arbeitgeber muss beispielsweise innerhalb von sieben Tagen nach Einstellung eines Mitarbeiters eine Registrierung beim Sozialversicherungsträger ZUS erfolgen.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Überstunden sind zulässig, sofern die gesetzlichen Ruhezeiten von 11 Stunden und einmal in der Woche von 35 Stunden eingehalten werden und es im Abrechnungszeitraum der durchschnittlichen Arbeitszeit zum Überstundenausgleich gekommen ist - entweder in Freizeit oder in Entgelt.
Der gesetzlich festgelegte bezahlte Urlaubsanspruch beträgt bei einer Vollzeitbeschäftigung jährlich 20 Tage, soweit die Berufserfahrung kürzer als 10 Jahre ist. Nach einer dokumentierten zehnjährigen Berufserfahrung besteht ein Anspruch auf 26 Tage bezahlten Erholungsurlaub. In die Beschäftigungsdauer ist zu bestimmten Teilen auch die Dauer der Ausbildung beziehungsweise Studiums einzurechnen: Hat der Arbeitnehmer beispielsweise eine Berufsschule abgeschlossen, so zählen die Schuljahre als drei Beschäftigungsjahre. Das Maximum stellt ein Hochschulabschluss dar, welcher acht Beschäftigungsjahren gleichgestellt wird. Über den Erholungsurlaub hinaus gibt es 13 gesetzliche polnische Feiertage.
Bei Krankheit erhält ein Arbeitnehmer eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 Prozent (in Ausnahmefällen 100 Prozent) seines durchschnittlichen Einkommens. Eine Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ist auf maximal 33 Krankheitstage jährlich beschränkt. Danach übernimmt die Sozialversicherungsanstalt ZUS die Krankengeldzahlungen. Vollendet der Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr das 50. Lebensjahr, erfolgt die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber nur für 14 Krankheitstage.
Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist das Arbeitsgericht zuständig.
Vertragsbeendigung durch Kündigung
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Im Falle eines unbefristeten Arbeitsvertrags muss der Arbeitgeber zudem die Kündigungsgründe angegeben. Die Länge der Kündigungsfrist richtet sich nach der Beschäftigungsdauer. Die ordentlichen Kündigungsfristen betragen in Polen:
- zwei Wochen zur Monatsmitte oder zum Ende eines Kalendermonats - bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als sechs Monaten,
- einen Monat zum Ende eines Kalendermonats - bei einer Beschäftigungsdauer zwischen sechs Monaten und drei Jahren,
- drei Monate zum Ende eines Kalendermonats - bei einer Beschäftigungsdauer von mindestens drei Jahren.
Probearbeitsverhältnisse können von beiden Vertragsparteien jederzeit ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. In diesem Fall beträgt die Kündigungsfrist je nach Dauer des Probearbeitsverhältnisses drei Tage bis zwei Wochen.
Folgende Arbeitnehmergruppen sind rechtlich gegen eine Kündigung geschützt: Arbeitnehmer, die weniger als vier Jahre vom Pensionsalter entfernt sind, Schwangere, Frauen im Mutterschaftsurlaub, Väter in Vaterschaftsurlaub, Arbeitnehmer im Erholungsurlaub oder in krankheitsbedingter Abwesenheit. Das Kündigungsschutzrecht greift in Polen schon ab einem Beschäftigten pro Unternehmen.
Ungeachtet dessen, aus welchen Gründen ein Arbeitsverhältnis beendet wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis auszustellen. Das Arbeitszeugnis kann auf Verlangen des Arbeitnehmers auch Angaben zur Vergütung enthalten. Sollte der Arbeitgeber nicht mehr existent sein oder sollte es ihm aus anderen Gründen unmöglich sein, ein Arbeitszeugnis auszustellen, kann der Arbeitnehmer ein solches auch beim Arbeitsgericht beantragen.