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Wirtschaftsumfeld | Polen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Löhne und Gehälter

Arbeitskosten sind in Polen niedriger als in Westeuropa. Die Löhne holen zum europäischen Durchschnitt auf. Investoren müssen außerdem Zusatzleistungen berücksichtigen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Arbeitgeber in Polen sehen sich mit deutlichen Lohnsteigerungen konfrontiert. Im 1. Quartal 2024 kletterte das Durchschnittgehalt laut der Sozialversicherungsanstalt ZUS auf 1.900 Euro. Das entspricht einem Plus von 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Laut Prognosen der Europäischen Kommission werden die Wachstumsraten im Gesamtjahr 2024 zweistellig bleiben, bevor sie dann ab 2025 auf 7,1 Prozent absinken.

Die großen Sprünge bei den Durchschnittsgehältern stellen kein neues Phänomen dar. Zahlen von Eurostat belegen, dass die Löhne in Polen seit 2020 dreieinhalb Mal so schnell gestiegen sind wie der EU-Durchschnitt.

Mindestlohn steigt schneller als das Durchschnittsgehalt

Zu den wichtigsten Treibern dieser Entwicklung zählen das dynamische Wirtschaftswachstum und die zweistellige Inflationsrate im Jahr 2023. Hinzu kommt der Mindestlohn. Die mittlerweile abgewählte Regierung hatte ihn zwischen 2023 und 2024 um 20 Prozent angehoben - auf rund 1.000 Euro. Polens neue Regierung kündigt einen weiteren Anstieg von 7,6 Prozent für das Jahr 2025 an. 

Nicht ohne Einfluss auf das Durchschnittsgehalt bleibt der Umstand, dass die Gehälter im öffentlichen Dienst deutlich zugelegt haben. Sie waren lange eingefroren. Auch der Bausektor meldet Sprünge bei den Löhnen - trotz der aktuellen Konjunkturflaute in diesem Wirtschaftszweig.

IT-Fachkräfte müssen sich hingegen mit unterdurchschnittlichen Gehaltserhöhungen zufriedengeben. Der Boom in der Branche scheint vorerst vorbei zu sein. Das hängt mit der wachsenden Beliebtheit von Plattformen für künstliche Intelligenz zusammen. Sie übernehmen einfache Programmieraufgaben. Verglichen mit anderen Branchen sind IT-Fachkräfte in Polen ohnehin deutlich näher am europäischen Gehaltsdurchschnitt als andere Branchen.

Wirtschaftliche schwächere Regionen holen auf

Es gibt auch regionale Unterschiede bei den Lohnzuwächsen. Besonders deutlich ist das Plus in den Woiwodschaften Podkarpackie oder Świętokrzyskie. Die Gehaltsgefälle zwischen Ost- und Westpolen bleiben trotzdem bestehen. Ein Beispiel: Arbeitgeber im südwestlichen Dolnośląskie zahlen rund ein Viertel mehr für einen Beschäftigten als Unternehmen in nordöstlichen Warmińsko-Mazurskie.

Rund um Industriezentren wie Wrocław, Katowice oder Poznań herrscht Vollbeschäftigung. Die AHK Polen empfiehlt darum deutschen Mittelständlern, auch die ostpolnischen Regionen oder Gegenden abseits der Ballungsräume in den Blick zu nehmen.

Als Faustregel gilt: Große und internationale Betriebe bieten höhere Löhne als kleine und heimische Firmen. Die Personalagentur Sedlak & Sedlak rechnet vor, dass die Gehälter von ausländischen Investoren rund ein Drittel über dem Niveau von Unternehmen mit polnischem Eigentümer liegen. Großbetriebe zahlen immerhin ein Viertel mehr als kleinere Unternehmen bis 50 Beschäftigte. 

Die Arbeitskosten, bestehend aus Arbeitnehmerentgelt und Steuern (Labour cost index, LCI), lagen in Polen im Jahr 2023 bei 14,50 Euro die Stunde. Das entspricht weniger als der Hälfte des EU-Durchschnittes und beträgt etwas mehr als ein Drittel des Niveaus in Deutschland. Verglichen mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn zahlen Arbeitgeber nur im letztgenannten Land noch weniger.

Die Gehaltsunterschiede zwischen Deutschland und Polen können in bestimmten Situationen schnell zusammenschrumpfen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Arbeitgeber neben Fachkompetenzen auch deutsche Sprachkenntnisse mit Fachvokabular voraussetzt.

Durchschnittliche Bruttomonatslöhne für ausgewählte Branchen in Złoty und in Euro, 2024
 

1. Quartal 2024 in Złoty

Veränderung 1. Quartal 2024/2023 (in %)1

1. Quartal 2024 in Euro2

Insgesamt8.07712,51.884
Information, Telekommunikation (IKT)

13.790

9,1

3.216

Energieerzeugung, -versorgung12.529162.922
Bergbau11.8109,82.754
Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit11.19411,82.611
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei9.506102.217
Immobilienbranche8.02111,11.871
Verarbeitendes Gewerbe7.58312,61.768
Transport, Lagerwirtschaft7.56211,81.764
Bauwirtschaft7.54614,71.760
Handel, Reparaturen von Kraftfahrzeugen 7.531121.756
Kunst, Unterhaltung und Erholung7.12714,51.662
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung6.97214,31.626
Verwaltung, unterstützende Tätigkeit6.51117,21.518
Sonstige Dienstleistungen6.216151.450
Hotel und Gastronomie5.95813,61.390
1 nominal; 2 Umrechnungskurs 1 Euro = 4,2878 Zł.Quelle: GUS 2024; Bundesbank 2024

Durchschnittliche Bruttomonatslöhne für ausgewählte Positionenin Złoty und Euro, 2023
 

4. Quartal 2023 in Złoty

4. Quartal 2023 in Euro*

Geschäftsführung (mittelgroßer Betrieb)

55.364

12.758

Vertriebsleitung (mittelgroßer Betrieb)

42.000

9.679

Programmierung (Senior)

12.330

2.841

Ingenieurwesen (Automatisierung)

10.460

2.410

Buchhaltung (3 Jahre Erfahrung)

7.807

1.799

Schweißer (Senior)

6.497

1.497

Kraftfahrende (ohne Zuschläge)

6.376

1.469

Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden.
* Umrechnungskurs Jahresende 2023: 1 Euro = 4,3395 Zł.Quelle: Hays 2024; Sedlak & Sedlak 2024; Bundesbank 2024

Weitere Lohnbestandteile

Lohnzusatzleistungen gelten in Polen als Standard. Das betrifft sowohl die Industrie wie auch den Dienstleistungssektor (siehe Kapitel Personalsuche und Personalmanagement). Zu den beliebtesten Extras gehört eine private Krankenzusatzversicherung oder eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio. Personalagenturen berichten, dass Arbeitgeber auch zunehmend Urlaubsgeld oder Urlaubsgutscheine anbieten.

Wie das Versicherungsbüro WTW in der Tageszeitung Rzeczpospolita erklärt, liegen die Kosten der Zusatzleistungen auf einem Niveau zwischen 5 Prozent und 6 Prozent der Löhne. Die wachsende Beliebtheit bestimmter Pakete treibt den Preis in die Höhe. Beispiel private Zusatzversicherung: Die Luxmed-Gruppe, einer der größten nicht-öffentlichen Medizinversorger in Polen, hebt 2024 die Tarife für einige Policen um 20 Prozent an, berichtet Rzeczpospolita.

Beschäftigte in Führungspositionen erhalten in der Regel einen Dienstwagen. Seltener übernehmen Firmen die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr. Auch Tankgutscheine sind laut Umfragen von Personalagenturen nicht weit verbreitet. Telearbeit gilt in mittelgroßen und großen Dienstleistungsbüros als etabliert. In der Regel verlangen Arbeitgeber zwei bis drei Arbeitstage pro Woche Präsenz im Büro.

Sozialversicherungsbeiträge 

Die Lohnnebenkosten in Polen liegen unter dem EU-Durchschnitt. Sie machten im Jahr 2023 laut Eurostat 18,1 Prozent der Lohnkosten aus. Im EU-Durchschnitt erwartete Arbeitgeber ein Anteil von 24,7 Prozent. Vergleicht man alle Länder in der Region, dann ist nur Ungarn günstiger mit 13,9 Prozent.

Die polnische Regierung führte im Januar 2019 sogenannte Arbeitnehmer-Kapitalpläne (Pracownicze Plany Kapitalowe; PPK) ein. Die PPK sind eine zusätzliche Altersvorsorge. An den Kosten beteiligen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Seit dem 1. Januar 2021 müssen fast alle Betriebe PPK gründen. Das Programm lässt sich entfernt mit der betrieblichen Altersvorsorge in Deutschland vergleichen.

Die Sozialversicherungsbeiträge liegen in Polen bei einem Arbeitnehmeranteil in Höhe von 22,71 Prozent des Bruttogehaltes und bei einem Arbeitgeberanteil in Höhe von in der Regel 20,48 Prozent. Der Satz wird auf das Bruttogehalt aufgeschlagen.

Sozialbeiträge 2024 in Prozent der Bemessungsgrundlage
Altersrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1

9,76

Invalidenrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1

6,5

Arbeits- und Solidaritätsfonds (Arbeitgeberanteil)

2,45

Unfallversicherung (Arbeitgeberanteil)3

0,67 - 3,33

Fonds für garantierte Arbeitnehmerleistungen

0,1

außerdem: Arbeitnehmer-Kapitalpläne (PPK; Arbeitgeberanteil)2

1,5

1 wird nur bis zu einer jährlichen Einkommenshöhe von 234.720 Złoty (etwa 55.060 Euro) abgeführt; 2 kein Sozialbeitrag, der Arbeitgeber kann seinen Anteil auf bis zu 4 Prozent erhöhen; 3 in der Regel 1,67 Prozent, abhängig von verschiedenen Faktoren.Quelle: Sozialversicherungsanstalt ZUS 2024

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