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Branche kompakt | Portugal | Abfallwirtschaft

Verstärkte Investitionen zum Erreichen der Abfallziele notwendig

Portugal kommt in der Abfallwirtschaft langsam voran. Die Pandemie warf das Land jedoch 2020 beim Recycling zurück. Stattdessen stieg der Anteil deponierter Abfälle an.

Von Oliver Idem | Madrid

  • Marktchancen

    Portugal muss investieren, um die selbst gesteckten Ziele im Abfallsektor zu erreichen. Dazu gehören die bessere Verarbeitung biologischer Abfälle und mehr Kunststoffrecycling. 

    Gesetzliche Erfordernisse sorgen für Handlungsbedarf

    Portugal setzt auf die Kreislaufwirtschaft und hat in die Investitionsplanung 2021 bis 2030 entsprechende Elemente aufgenommen. Im europäischen Vergleich schneidet das Land bislang jedoch unterdurchschnittlich ab.

    Zahlen der Umweltagentur APA besagen für 2020, dass zwei wesentliche Zielmarken deutlich verfehlt wurden. Statt der anvisierten 50 Prozent für das Recycling vorbereiteten Haushaltsabfälle wurde nur ein Anteil von 38 Prozent erreicht. Nachteilig wirkte sich hier auch die Coronapandemie aus. Zum Gesundheitsschutz für die Beschäftigten wurden zeitweise Müllsäcke nicht zum Sortieren geöffnet. Das erschwerte das Erreichen der Zielmarke zusätzlich.

    Die Deponierungsquote bei Siedlungsabfällen lag 2020 bei 53 Prozent. Ursprünglich hätte sie bis auf 35 Prozent Anteil reduziert werden sollen. Da Deponien immer noch die Endstation für viele Abfälle sind, bleibt in diesem Bereich einiges zu tun. Hier ist besonders die getrennte Erfassung und Verarbeitung biologischer Abfälle zu nennen.

    Zudem muss die Recyclingquote bei Kunststoffen zügig gesteigert werden. Portugal hat unter anderem Nachholbedarf bei der Rücknahme von Einwegflaschen gegen Pfand.

    Die Umsetzung der Zielvorgaben sowie Optimierungen bestehender Anlagen dürften die Nachfrage nach Entsorgungstechnik steigern. Um die Vorgaben der Europäischen Union (EU) zu erfüllen, sind verstärkte Anstrengungen notwendig. 

    Integrierte Systeme für Siedlungs- und Verpackungsabfälle

    Für Siedlungsabfälle wurde das Sistema de Gestão de Resíduos Urbanos geschaffen. Es besteht auf dem Festland Portugals aus 23 Einheiten. Von diesen befinden sich zwölf in der Hand des Unternehmens Environment Global Facilities.

    Aufkommen von Siedlungs- und Haushaltsabfällen in Portugal (in Millionen Tonnen)

    Menge

    2019

    2020

    insgesamt

    5.007

    5.014

    unsortiert

    3.955

    3.950

    sortiert

    949

    989

    übrige

    102

    75

    Quelle: Umweltagentur APA

    Zusammensetzung der Siedlungsabfälle in Portugal 2020 (in Prozent)

    Produktgruppe

    Anteil

    Bioabfälle

    39

    Kunststoffe

    11

    Papier und Pappe

    10

    Sanitärtextilien

    9

    Glas

    7

    Textilien

    4

    übrige Stoffe

    22

    Die Zahlen umfassen das Festland ohne die Azoren und MadeiraQuelle: Umweltagentur APA

    Das Sistema Integrado de Gestão de Resíduos de Embalagens ist für das Management von Verpackungsabfällen im ganzen Land verantwortlich. Die Verantwortlichkeiten umfassen die Rücknahme, die Verwertung und das Recycling von Einwegverpackungen. Industrielle und landwirtschaftliche Verpackungen sind allerdings nicht einbezogen.

    Portugal verfügte nach Angaben der Umweltagentur APA über 32 Deponien im Jahr 2020. Hinzu kamen zwei Anlagen zur energetischen Verwertung sowie fünf mechanische Abfallbehandlungsanlagen. Weitere 18 Anlagen dienen zur organischen Verwertung.

    Endverbleib der Siedlungsabfälle in Portugal (in Prozent)

    Verbleib

    2018

    2019

    2020

    Deponie

    58,3

    57,7

    64,2

    energetische Verwertung

    16,0

    17,4

    17,4

    Recycling

    12,9

    13,1

    8,9

    Kompostierung

    8,4

    8,4

    7,2

    übrige

    4,3

    3,3

    2,2

    Zahlen umfassen das Festland ohne die Azoren und MadeiraQuelle: Umweltagentur APA

    Die meisten räumlichen Betrachtungen und einige Statistiken beziehen sich auf das portugiesische Festland. Dort herrschen andere Rahmenbedingungen vor als in den Inselregionen Azoren und Madeira. Mit Blick auf das Recycling befindet sich die Hauptstadt Lissabon in einer Vorreiterrolle.

    Nachholbedarf bedeutet Geschäftschancen für die Abfallwirtschaft

    Die Aussichten für die derzeitigen und neue Marktakteure sind günstig. Trotz der Fortschritte der vergangenen Jahre herrscht weiter Nachholbedarf im Abfallmanagement. Ohne die notwendigen Investitionen wird Portugal seine eigenen und die europäischen Vorgaben nicht erfüllen können.

    Laut dem Statistikamt INE flossen 2020 knapp 25,3 Millionen Euro seitens der Gemeinden in das Abfallmanagement. Der Schwerpunkt lag mit 58 Prozent auf der grundlegenden Ausrüstung für das Einsammeln von Abfällen. Auf Transportmaterial entfielen 32 Prozent der Investitionen. In die Infrastruktur zur Behandlung von Feststoffabfällen flossen 10 Prozent des Geldes.

    Der Bedarf an Entsorgungstechnik in Portugal ist hoch. Dies bietet auch deutschen Unternehmen Geschäftschancen. Zu den benötigten Technologien gehören getrennte multilaterale Sammelsysteme, Sortiertechnik, die Vorbereitung und Behandlung von Siedlungsabfällen, Kompostieranlagen sowie neue Einheiten zur mechanischen und biologischen Behandlung (MBA), die Restabfälle in unterschiedliche Fraktionen aufteilen und sie für die weitere Verwertung aufbereitet. Außerdem zeichnet sich ab, dass zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben neue Anlagen in verschiedenen Regionen des Landes erforderlich sein werden. 

    Verzahnte Strategien für weniger Abfall und Deponierung

    Portugal verfolgt langfristige Pläne zum Ausbau und zur Modernisierung des Abfallsektors. Die Regierung hat ihre Investitionspläne für alle Sektoren im Programa Nacional de Investimentos 2030 (PNI 2030) festgeschrieben. Darin finden sich auch die drei in der Projekttabelle enthaltenen Umwelt- und Recyclingprogramme für 2021 bis 2030. Ihr Gesamtvolumen beträgt 350 Millionen Euro. Im Plano Nacional Energía e Clima 2030 (PNEC 2030) sind die Ziele festgeschrieben, die Abfallmenge und die Deponierung zu reduzieren sowie die Abfälle verstärkt zu verwerten.

    Das Programa Operacional Sustentabilidade e Eficiência no Uso de Recursos für Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz ist ein wichtiges Instrument zur Kofinanzierung von Investitionen. Das Programm speist sich aus den EU-Fonds für Kohäsion und für regionale Entwicklung. Für die Förderperiode bis 2027 war im März 2022 noch keine detaillierte Verteilung der EU-Mittel verfügbar.

    Im März 2022 befanden sich außerdem zwei Strategien in der Erarbeitung. Zur Unterstützung von Kommunen beim Ausbau der Infrastruktur soll der Plano Nacional de Gestão de Resíduos 2030 dienen. Hinzu kommt der Plano Estratégico para os Resíduos Urbanos (PERSU) 2030. Letzterer löst den bis 2020 laufenden und später teilweise angepassten PERSU 2020 ab.

    Um Portugal als Importland für Abfälle unattraktiver zu machen, verdoppelte die Regierung zum 1. Juli 2021 die Abfallsteuer auf 22 Euro pro Tonne. Diese Abgabe wird auf undifferenzierte Abfälle erhoben. Aufgrund niedriger Kosten hatte sich Portugal zu einem Importland für Abfälle zum Beispiel aus dem Vereinigten Königreich und Italien entwickelt. Diese Praxis sorgte zwar für Einnahmen, aber aufgrund des Nachholbedarfs bei der Behandlung und dem Verbleib der Abfälle ebenfalls für Umweltprobleme.

    Ausgewählte Investitionsprojekte in der Abfallwirtschaft in Portugal

    Projekt

    Investition (in Mio. Euro)

    Stand

    Projektträger

    Innovative Lösungen zum getrennten Sammeln von organischen, biologisch abbaubaren und weiteren Stoffen

    170

    Umsetzung 2021 bis 2030 geplant

    Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen

    Effizientere Nutzung von Ressourcen beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft (zum Beispiel durch Abfälle als Rohstoffe für die Industrie)

    100

    Umsetzung 2021 bis 2030 geplant

    Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen

    Implementierung von Lösungen zur Nutzung von Abfällen als Brennstoff/Integration von Abfällen in den Wirtschaftskreislauf

    80

    Umsetzung 2021 bis 2030 geplant

    Projektträger: lokale Verwaltungen und private Unternehmen

    Quelle: Programa Nacional de Investimentos 2030

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Branchenstruktur

    In Portugal sind bereits deutsche und andere Unternehmen in der Abfallwirtschaft aktiv. Der Investitionsbedarf in den kommenden Jahren verspricht zusätzliche Geschäftschancen.

    Bedeutung des Auslandsgeschäfts nimmt stetig zu

    Laut neuesten Angaben des Statistikamtes INE für 2018 repräsentierte der Sektor "Waren und Dienstleistungen im Umweltbereich" 2,6 Prozent der Bruttowertschöpfung sowie 3,8 Prozent der Exporte. Unternehmen mit Sitz in Portugal treiben ihre Internationalisierung voran. Sie exportierten 2018 knapp 26 Prozent ihrer Waren und Dienstleistungen. Noch 2016 hatte der Anteil lediglich 21 Prozent betragen.

    Dieser Effekt zeigt sich in vielen Wirtschaftszweigen des Landes. Gerade spezialisierte Produkte und Dienstleistungen spüren auf längere Sicht die Grenzen des Binnenmarktes. Damit werden ausländische Märkte interessanter, zumal Portugal eng in die EU eingebunden ist, aber auch vielfältige Verbindungen zu seinen früheren Kolonien pflegt.

    Unternehmen aus der Abfallwirtschaft sind nicht in einem zentralen Verband organisiert. Es haben sich jedoch mit Smart Waste Portugal und Circular Economy Portugal zwei Netzwerke mit Bezug zur Kreislaufwirtschaft gebildet. Diese Netzwerke bieten einen guten Einblick in das aktuelle Geschehen und stellen Informationen zu relevanten Partnern aus Wirtschaft und Forschung bereit.

    Das Businessnetzwerk Smart Waste Portugal hat sich seit 2015 zu einem Aktivposten in der Abfallwirtschaft entwickelt. Mittlerweile sind dort 136 Mitglieder organisiert. Darunter befinden sich Branchenunternehmen, Fachverbände und Forschungseinrichtungen. Auch die deutschen Einzelhandelsketten Aldi und Lidl haben sich dem Verbund angeschlossen.

    Im Rahmen eines großen Unternehmensrankings veröffentlichte die Internetzeitung Dinheiro Vivo eine Liste von elf Dienstleistern für gefährliche Abfälle.

    Einen Einblick in das Geschehen rund um die Kreislaufwirtschaft bietet die Initiative Circular Economy Portugal. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in konkrete Vorhaben umzusetzen. Entsprechende Projekte und Informationen zu Pionieren in diesem Sektor finden sich im Internetauftritt.

    Lokaler Markt ist noch nicht gesättigt

    Deutsche Branchenunternehmen finden in Portugal einige lokale und internationale Konkurrenten vor. Es zeichnet sich jedoch ab, dass der Markt weiteres Potenzial bietet. Die Vorgaben der EU und der portugiesischen Regierung erfordern Investitionen und Modernisierungen. Vorteilhaft ist bei deren Finanzierung, dass voraussichtlich auch in Zukunft Mittel aus EU-Fonds zur Verfügung stehen.

    Die 23 öffentlichen Abfallwirtschaftsverbände entscheiden über die Vergabe von Aufträgen an Drittanbieter. Hinzu kommt, dass Handelsketten ihre Verantwortung für Abfallthemen stärker wahrnehmen als früher. Zudem sind in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit eine Reihe von Start-ups aktiv. Sowohl mit Blick auf potenzielle Kunden als auch Partner bieten sich Anknüpfungspunkte in Portugal.

    Ein wichtiger Akteur in Portugal ist das Unternehmen Environment Global Facilities, das mit der Abfallbewirtschaftung in zwölf der 23 Regionen aktiv ist. Mit der französischen Veolia ist eines der international führenden Branchenunternehmen auf dem portugiesischen Markt vertreten. MB Recycling bietet Lösungen zum Sammeln, Transport und zur Bearbeitung von Abfällen an.

    Unter den deutschen Unternehmen vor Ort spielt BASF eine wichtige Rolle beim Recycling von chemischen Erzeugnissen. Anbieter von technischen Lösungen sind beispielsweise die Heinrich Dreher GmbH, die KraussMaffei Extrusion GmbH und die WEIMA Maschinenbau GmbH

    Nach Erkenntnissen der AHK Portugal sind Kooperationen mit deutschen Unternehmen beliebt. Diese punkten bei ihren portugiesischen Partnern mit stabilen und langfristigen Geschäftsbeziehungen.

    In der ersten Phasen interessieren sich potenzielle Kunden vor allem für einen klar erkennbaren Nutzen eines Angebots. Technische Einzelheiten spielen zumeist erst später eine Rolle. Wesentlich ist ein zeitnah erstelltes, individuell zugeschnittenes Angebot, das auch den finanziellen Nutzen darlegt.

    Punkten mit Landessprache und Finanzierungslösungen

    Nicht nur technische, sondern auch Marketinginformationen in portugiesischer Sprache können wichtige Türöffner sein. Für viele potenzielle Kunden sind Finanzierungslösungen eine große Erleichterung. Kann eine bestehende Anlage einbezogen und damit insgesamt kostengünstiger geplant werden, bietet auch das mögliche Vorteile. Schulungen des betreffenden Personals sind ebenfalls wichtige Bausteine.

    Beim Kundendienst und der Wartung setzen viele portugiesische Unternehmen auf Sicherheit. Dies drückt sich zum Beispiel in einem anerkannten Kundendienstleister vor Ort aus, ebenso in Zertifikaten und Garantien im Reparaturfall.

    Von Oliver Idem

  • Rahmenbedingungen

    Portugal und Deutschland sind Teil des EU-Binnenmarkts. Die dazugehörigen Regelungen gelten entsprechend für beide Länder. 

    Die Markteintrittsbarrieren in Portugal sind gering. Zudem können deutsche Unternehmen auf ihren guten Ruf zählen. Sie genießen Vertrauen und den Ruf, langfristig mit ihnen arbeiten zu können.

    Als Regulierungsbehörde für den Abfallsektor in Portugal fungiert die Entidade Reguladora dos Serviços de Águas e Resíduos

    Auf dem Portal für öffentliche Beschaffungen werden auch Ausschreibungen zur Abfallwirtschaft veröffentlicht. Ausschreibungen erfolgen allgemein oft kurzfristig. Manche Bewerbungsverfahren sind aufwendig und kompliziert. Als positiven Aspekt sehen Marktkenner die hohe Transparenz der öffentlichen Ausschreibungen.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der EU sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa Deutsches Institut für Normung e.V.).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Oliver Idem | Madrid

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Portugal

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ambiente e Transição Energética. Governo de Portugal

    Ministerium für Umwelt und Energiewende

    Agência Portuguesa do Ambiente (APA)

    staatliche Umweltagentur

    Entidade Reguladora dos Serviços de Águas e Resíduos (ERSAR)

    Regulierungsbehörde für den Wasser- und Abfallsektor

    Associação Nacional  para a Recuperação, Gestão e Valorização de Resíduos de Embalagens (Interfileiras)

    Recylingverband für Verpackungen

    Associação para a Gestão de Resíduos (Esgra)

    Abfallwirtschaftsverband

    Indústria e Ambiente

    Fachzeitschrift über Industrie und Umweltwirtschaft; sechs Ausgaben pro Jahr

    Portugal Smart Cities Summit

    nächster Termin: 10. bis 12.5.22; Feira Internacional de Lisboa (FIL)

    Portal do Estado do Ambiente REA

    staatliches Umweltportal

    Smart Waste Portugal

    Netzwerk für die Abfallwirtschaft

    Von Oliver Idem | Madrid

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