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Branche kompakt | Saudi-Arabien | Abfallwirtschaft

Saudi-Arabien will Kreislaufwirtschaft aufbauen

Das Königreich hat für seine Abfallwirtschaft ambitionierte Ziele formuliert. Aktuell findet eine stoffliche oder energetische Müllverwertung aber nur sehr begrenzt statt.   

Von Robert Espey | Dubai

  • Marktchancen

    Der geplante Aufbau einer Kreislaufwirtschaft würde Milliardeninvestitionen in Maschinen und Anlagen zur Müllverwertung erfordern. Deutschland könnte modernste Technik liefern.     

    Abfallwirtschaft mit ambitionierten Zielen

    In den vergangenen fünf Jahren hat die Abfallwirtschaft in Saudi-Arabien an Bedeutung gewonnen. Dennoch sind die Fortschritte beim Aufbau einer Kreislaufwirtschaft bislang relativ gering. Gemäß der Planung des 2019 gegründeten staatlichen National Waste Management Center (NWMC) ist bis 2035 angestrebt, nur noch 18 Prozent des Abfallaufkommens auf Deponien zu entsorgen. Die Abfallverwertung soll sich verteilen auf Recycling (42 Prozent), Kompostierung (35 Prozent), Verbrennung (19 Prozent) und sonstige Verfahren (4 Prozent).

    Der 2035 angestrebte Beitrag der Kreislaufwirtschaft zum Bruttoinlandsprodukt wird mit 32 Milliarden US-Dollar angegeben. Um 72 Millionen Tonnen könnte der CO2-Ausstoß sinken. WtE-Projekte (Waste to Energy) sollen 346 Millionen British Thermal Units erzeugen. Die Abfallwirtschaft soll 77.000 Arbeitsplätze schaffen.

    Die NWMC-Planung rechnet für 2035 mit einem Abfallaufkommen von 106 Millionen Tonnen. Hier sind alle Abfallkategorien eingeschlossen (Siedlungs-, Gewerbe-, Industrie- und Bauabfälle). Insgesamt sollen 2035 über 1.300 Entsorgungs- und Verwertungsbetriebe existieren. Das notwendige Investitionsvolumen wird mit rund 22 Milliarden US$ kalkuliert.

    Neben der Rolle als Regulator gehört die Gewinnung privater Investoren zu den Hauptaufgaben des NWMC. Eine wichtige Rolle wird PPP-Projekten (Private Public Partnership) beigemessen. Dabei sind unterschiedliche Formen privaten Engagements in der Diskussion. Das Spektrum reicht von langfristigen Betreibermodellen bis zu rein privaten Unternehmen, die Verträge mit den Kommunen schließen.

    Die Regierungsplanung (Waste Management National Regulatory Framework) setzt für die Kreislaufwirtschaft folgende bis 2035 zu erreichende sektorale Ziele: (1) Siedlungsmüll soll zu 81 Prozent recycelt und zu 19 Prozent in WtE-Anlagen verbrannt werden, (2) Bauabfälle sollen zu 60 Prozent verwertet werden und (3) industrieller Sondermüll soll zu 85 Prozent recycelt oder aufbereitet werden.

    Recycling und Entsorgung noch unterentwickelt

    Schätzungen zufolge liegt aktuell der Anteil der stofflichen oder energetischen Abfallverwertung bei wahrscheinlich deutlich unter 10 Prozent. Die Datenlage zum Abfallaufkommen und zu Recyclingquoten ist schlecht. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Institutionen den Schätzungen unterschiedliche Abgrenzungen zugrunde legen. Das NWMC arbeitet an einem System zur kontinuierlichen Verbesserung der Datenerhebung.

    NWMC schätzt, dass das gesamte Müllaufkommen derzeit jährlich 53 Millionen Tonnen (alle Abfallkategorien) beträgt. Die Statistik des Ministry of Municipal and Rural Affairs weist für 2021 das von den Kommunen statistisch erfasste Müllaufkommen mit 23,3 Millionen Tonnen aus. Das kommunale Müllaufkommen pro Kopf lag 2021 bei täglich 1,87 Kilogramm.

    Das registrierte kommunale Müllaufkommen hatte sich zwischen 2010 und 2017 von 11,6 Millionen auf 25,9 Millionen Tonnen erhöht. Für 2018 wurden nur noch 20,8 Millionen Tonnen gemeldet. Etwa 25 Millionen Tonnen waren es 2020.

    Das saudi-arabische Statistikamt hat 2019 erstmalig einen "Household Environment Survey" durchgeführt. Nahezu alle befragten Haushalte (99,6 Prozent) gaben an, ihren Müll in den von den Kommunen aufgestellten Containern unsortiert zu entsorgen. Die jüngsten, 2021 erhobenen Haushaltsdaten zeigen ein deutlich geändertes Bild. Die Befragung ergab, dass die Haushalte mittlerweile fast 21 Prozent des Mülls sortieren. Daten, in welchem Umfang der sortierte Abfall recycelt wird, liegen nicht vor.

    Der sortierte Haushaltsmüll bestand 2021 vor allem aus organischen Abfällen (39 Prozent), Plastik (36 Prozent), Glas (16 Prozent) und Metall (3 Prozent). Die restlichen 6 Prozent verteilten sich auf landwirtschaftliche, chemische und medizinische Abfälle sowie Batterien. Der unsortierte Haushaltsmüll wird zu über 99 Prozent in städtischen Sammelcontainern entsorgt. Elektrische/elektronische Geräte werden zu 78 Prozent in den Sammelcontainern entsorgt, nur 8 Prozent gehen an Recyclingfirmen.

    Abfallentsorgung in der Hauptstadtregion

    Auf die fünf Städte Riad, Jeddah, Mekka, Medina und Damman dürften etwa zwei Drittel des nationalen Abfallaufkommens entfallen. Die Stadtentwicklungsbehörde in Riad (ArRiyadh Development Authority) hat 2016 eine "Comprehensive Waste Management Strategy" (CWMS) präsentiert, die zwischenzeitlich nicht überarbeitet wurde.

    Die CWMS kalkuliert für 2015 alleine in Riad mit einem jährlichen Müllaufkommen von etwa 53 Millionen Tonnen. Sie verteilen sich auf 47 Millionen Tonnen Bauabfälle, jeweils 2,8 Millionen Tonnen Siedlungsmüll und industrielle Abfälle sowie auf 0,4 Millionen Tonnen Klärschlamm und 0,02 Millionen Tonnen medizinische Abfälle. Gemäß der CWMS bestehen die Siedlungsabfälle zu 57 Prozent aus organischen Stoffen, weitere 24 Prozent entfallen auf Papier, Pappe, Plastik, Metalle und Glas.

    Private Entsorgungsunternehmen transportieren im Auftrag der Stadtverwaltung Haushalts- und gewerbliche Abfälle, die in den im Stadtgebiet verteilten Containern gesammelt werden, zur Großdeponie Al-Sulay. Die Mülldeponie erfüllt keine internationalen Maßstäbe. Für Bauabfälle betreibt die Stadt Riad zwei Deponien (Al-Ghanmiah, Al-Nadhim), zusätzlich gibt es private Bauschuttdeponien. 

    Die CWMS sah bis 2020 eine Reduzierung der auf Deponien gelagerten Haushalts- und Gewerbeabfälle auf 2 Prozent vor. Zu 98 Prozent sollte der Müll energetisch oder stofflich verwertet werden. Tatsächlich hat sich die Situation gegenüber 2016 kaum geändert.

    Die Stadtverwaltung Riad hat Mitte 2019 mit dem NWMC und der staatlichen Saudi Investment Recycling Company eine Absichtserklärung zum Aufbau eines integrierten Abfallentsorgungs- und Recyclingsystems unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, eine Recyclinganlage für Siedlungsmüll und ein Werk zur Verwertung von Bauabfällen zu errichten. Ferner wurde angekündigt, Container zur Mülltrennung bereitzustellen. Zwischenzeitlich ist die Recyclinganlage für Bauabfälle in Betrieb gegangen.

    Von Robert Espey | Dubai

  • Branchenstruktur

    Die Abfallbranche wird von Unternehmen dominiert, die Müll unsortiert entsorgen. Die Saudi Investment Recycling Company soll den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft forcieren.  

    Kreislaufwirtschaft kaum vorhanden

    In Saudi-Arabien gibt es etwa 600 Unternehmen, die kommunale und gewerbliche Abfälle sammeln und zumeist unsortiert und unbearbeitet auf Deponien lagern. Die Deponien wurden häufig ohne Einhaltung notweniger Umweltstandards eingerichtet und verfügen in der Regel über unzureichende technische Ausstattungen. Neben den offiziell genehmigten Deponien existiert eine große Zahl wilder Müllkippen, wo sowohl Haushalts- und Gewerbeabfälle als auch Bauschutt entsorgt werden.

    Der Recyclingsektor befindet sich noch im Aufbau. Die existierenden Verwertungsanlagen arbeiten oft mit geringer Auslastung. Wertstoffe werden weiterhin vor allem vom informellen Sektor aus den für gemischten Haushalts- und gewerblichen Müll aufgestellten Sammelcontainern gewonnen. In einigen Städten gibt es Container, die nicht offen auf der Straße aufgestellt sind, sondern versenkt in Containermulden.

    In beschränktem Umfang werden in Riad und anderen großen Städten Container/Mülltonnen zur Mülltrennung bereitgestellt. Zudem existieren in den Metropolregionen einige Anlagen zur Müllsortierung, beispielsweise an der Großdeponie Al-Sulay in Riad.

    Saudi Investment Recycling Company soll Impulse geben

    Zur Entwicklung des Recyclingsektors wurde 2017 die staatliche, zum Public Investment Fund gehörende Saudi Investment Recycling Company (SIRC) etabliert. Die erste große SIRC-Investition war 2019 die Übernahme von Global Environmental Management Services (GMS; Firmenzentrale in Jeddah). GMS ist in Saudi-Arabien der größte Akteur im Bereich der Entsorgung industrieller Abfälle, Schwerpunkte sind unter anderem Entsorgungsdienstleistungen für die Öl- und petrochemische Industrie sowie den Bergbau.

    Ein wichtiges SIRC-Projekt ist eine Anlage zur Aufbereitung von Bauabfällen im Norden von Riad (Al-Khair). Die Fertigstellung erfolgte 2021. Das Werk hat eine Kapazität von 600 Tonnen pro Stunde, 90 Prozent des Materials soll im Straßen- und Hausbau wiederverwendet werden.

    Die SIRC hatte angekündigt, 2020 mit dem Bau eines großen Sortier- und Recyclingwerks in Riad (Al Dadham) zu beginnen. Das 75 Millionen US$ Vorhaben ist aber bislang über die Planungsphase nicht hinausgekommen. Die SIRC will dieses Projekt durch den Privatsektor auf BOT-Basis (Build, Operate, Transfer) durchführen lassen. Die SIRC bietet eine Kapitalbeteiligung an.

    Nach Auffassung der SIRC ist eine wichtige Voraussetzung für die Realisierung der Recyclinganlage in Riad eine hinreichende Verbreitung von Mülltrennung an der Quelle (Zwei-Tonnen-System), gemeint ist eine Mülltrennung durch die Haushalte in grünen (organische Abfälle) und schwarzen (sonstige Wertstoffe) Tonnen. Pilotprojekte mit dem "Zwei-Tonnen-System" gibt es unter anderem in den Stadtteilen Al-Rawdah und Al-Waha. Die SIRC arbeitet auch an WtE-Projekten (Waste to Energy). Gemeinsam mit der National Water Company ist eine Anlage zur Verbrennung von Klärschlamm geplant.

    Die saudi-arabischen Pläne bei alternativen Energien sehen bis 2030 die Errichtung von WtE-Kraftwerken mit einer Gesamtleistung von 3 Gigawatt vor. Auch die für die Hauptstadtregion erstellte "Comprehensive Waste Management Strategy" setzt bei Siedlungsabfällen stark auf eine energetische Entsorgung. So sollen 2035 rund 68 Prozent der Siedlungsabfälle energetisch verwertet werden.

    Die SIRC beabsichtigt, in der Ost-Provinz (Region Dammam) eine Recyclinganlage für Siedlungsabfälle zu errichten. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde 2020 mit der Kommunalverwaltung der Ostprovinz und dem National Waste Management Center unterzeichnet. Ferner wird die gemeinsame Entwicklung einer umfassenden Entsorgungsstrategie für die Ostprovinz angestrebt.

    Neue Recyclinganlage am Roten Meer fertiggestellt

    Seit 2009 ist das Entsorgungsunternehmen Averda International in Saudi-Arabien aktiv. Die Firma ist in fast allen Landesteilen vertreten. Averda konnte 2021 eine 64 Millionen US-Dollar teure Entsorgungsanlage für ein im Bau befindliches Mega-Tourismusprojekt am Roten Meer (The Red Sea Project) fertigstellen. Das nordirische Unternehmen Kiverco hat die Recyclinganlage geliefert. Es werden vor allem Bauabfälle aufbereitet (Kapazität: 150.000 Tonnen/Jahr).

    Das Unternehmen Seder Environment (Seder Group) ist ein weiterer wichtiger Anbieter von Entsorgungsdienstleistungen. Ebenfalls ein wichtiger Akteur ist die Saudi Arabia Gulf Environmental Protection Company (SEPCO; seit 1997). Die 1998 in Jeddah gegründete Middle East Waste Management Company ist auf Plastik-Recycling spezialisiert. Die zur Obeikan Investment Group gehörende Refal Environmental Services Company recycelt Papier und Pappe. Andere Unternehmen im Bereich Papier-Recycling sind die  Waste Collection & Recycling Company und die Middle East Paper Company.

    Die 2015 gegründete National Environment Recycling Company (Tadweer) betreibt in Riad Einrichtungen zur Verwertung von Elektronik- und Elektroschrott und plant den Bau weiterer Anlagen. Tadweer eröffnete 2021 ein Plastik-Recyclingwerk mit einer Jahreskapazität von 7.000 Tonnen, eine Verdoppelung der Leistung ist vorgesehen.

    Frankreichs Veolia ist in Saudi-Arabien unter anderem im Bereich der Entsorgung von Industrieabfällen aktiv. Das Unternehmen hat Ende 2021 mit der nationalen Ölgesellschaft, Saudi Aramco, einen umfassenden Entsorgungsvertrag geschlossen. Veolia arbeitet auch für verschiedene Industrieunternehmen in Jubail. Der größte Kunde ist die Sadara Chemical Company, ein Joint Venture aus Dow Chemicals und Aramco.

    Von Robert Espey | Dubai

  • Rahmenbedingungen

    Eine neue Behörde soll die Abfallwirtschaft fördern. Hohe lokale Wertschöpfung wird bei der Vergabe abfallwirtschaftlicher Projekte entscheidend sein. 

    Neue Regularien für Entsorgungswirtschaft

    Als neuer Regulator sowie zur Förderung und Koordinierung der Abfallwirtschaft wurde 2019 das National Center for Waste Management (NCWM) etabliert. Alle Aktivitäten im Abfallsektor erfordern eine Genehmigung (Lizenz) des NCWM. Zusätzlich sind in der Regel weitere Lizenzen anderer Behörden einzuholen.

    Ein neues Gesetz und entsprechende Durchführungsbestimmungen zur Regulierung der Entsorgungswirtschaft sind 2021 in Kraft getreten. Das Gesetz regelt den Transport, die Behandlung, die Lagerung und die Entsorgung aller Abfallkategorien. Ziele sind die Reduzierung des Müllaufkommens und die Forcierung von Recycling.

    Staat bleibt zentraler Akteur

    Staatliche Institutionen (vor allem das NCWM und die Saudi Investment Recycling Company) dürften bei der Initiierung großer abfallwirtschaftlicher Projekte weiterhin die zentrale Rolle spielen. Private Investoren sollen die Vorhaben auf PPP-Basis (Private Public Partnership) umsetzen.

    Die Projektabwicklung erfolgt in Saudi-Arbeiten im Wesentlichen nach international üblichen Verfahren. In der Regel erhalten interessierte Unternehmen zunächst die Gelegenheit zur Abgabe von Interessensbekundungen. Dann werden ausgewählte Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert.

    Der Prozess bis zur Vergabe der Aufträge kann sehr mühsam und langwierig sein. Vielfach wird die Projektplanung, -steuerung und -überwachung internationalen Ingenieurbüros übertragen. Hier haben deutsche Firmen gute Chancen.

    In den letzten Jahren ist die Bedeutung lokaler Wertschöpfung (Local Content) stark gewachsen. Es ist davon auszugehen, dass auch bei abfallwirtschaftlichen Projekten der Import kompletter Anlagen immer schwieriger wird. Hohe lokale Wertschöpfung und Technologietransfer sind entscheidende Vergabekriterien geworden. Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist von übergeordneter Relevanz.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Robert Espey | Dubai

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Saudi-Arabien/ Delegation der Deutschen Wirtschaft für Saudi-Arabien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    German RETech Partnership e.V.

    Netzwerk deutscher Unternehmen und Institutionen der Entsorgungs- und Recyclingbranche zur Exportförderung

    Ministry of Investment

    Zuständig für die Förderung ausländischer Investitionen

    Ministry of Municipal and Rural Affairs

    zuständig für kommunale Entwicklung

    Ministry of Environment, Water and Agriculture

    zuständig für nachhaltige Entwicklung

                                  

    Saudi Investment Recycling Company

    staatliches Unternehmen zur Entwicklung der Recyclingindustrie

    National Center for Waste Management

    Regulator und zuständig für Förderung der Abfallwirtschaft

    National Center for Environmental Compliance

    Kontrolle von Umweltstandards

    WETEX - Water, Energy Technology and Environment Exhibition

    regionale Fachmesse (jährlich in Dubai; nächster Termin: 15. bis 17.11.2023)


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