Mit Großprojekten setzt Saudi-Arabien den Ausbau der Chemieindustrie fort. Die Produktionskapazität könnte mittelfristig auf 130 Millionen Tonnen jährlich steigen.
Der Ausbau der chemischen Industrie schreitet in der GCC-Region (Gulf Cooperation Council) weiter voran. Im Sechsjahreszeitraum 2017 bis 2022 haben die sechs GCC-Länder die Produktionskapazität des Chemiesektors um insgesamt 21 Prozent auf 157 Millionen Tonnen pro Jahr erweitert, so die Gulf Petrochemicals and Chemicals Association. Etwa drei Viertel der GCC-Kapazität entfallen auf Saudi-Arabien, gefolgt von Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Oman, Kuwait und Bahrain.
Wachstum im Chemiesektor beschleunigt sich
Nach zwei schwierigen Jahren hat sich der Wachstumsprozess im saudi-arabischen Chemiesektor seit 2021 wieder deutlich beschleunigt. Großprojekte setzen die Expansion der Petrochemie fort. Der Ausbau und die Diversifizierung der Downstream-Industrien sind ein zentrales Element der saudi-arabischen Entwicklungsstrategie.
120
Millionen Tonnen kann die saudi-arabische Chemieindustrie jährlich produzieren.
Saudi-Arabien hat im Zeitraum von 2021 bis 2023 Chemieprojekte im Gesamtwert von 2,7 Milliarden US-Dollar (US$) abgeschlossen. Die Saudi Arabian Mining Company (Ma'aden) stellte 2022 für 892 Millionen US$ eine Ammioniakanlage in Ras Al Khair fertig. Die Jahreskapazität liegt bei 1,2 Millionen Tonnen. Es ist das dritte Ma'aden-Ammoniakwerk an dem Standort.
Eine 400 Millionen US$ teure Erweiterung des Crackers der Eastern Petrochemical Company (Sharq) in Jubail auf eine Jahreskapazität von 1,3 Millionen Tonnen wurde im Oktober 2023 abgeschlossen. Die Energy Chemical Sources Company, ein Joint Venture aus Halliburton und TAQA, stellte im Frühjahr 2022 den Juffali Chemical Complex fertig. Sie investierte etwa 400 Millionen US$ in die Anlagen, die Spezialchemikalien für die Öl- und Gasindustrie produzieren.
Die Saudi Basic Industries Corporation (SABIC) gab im Herbst 2022 bekannt, dass eine neue MEG-Anlage (Monoethylenglykol) in Jubail den kommerziellen Betrieb aufgenommen hat. Ihre Jahreskapazität beträgt 700.000 Tonnen. Betreiber ist die Jubail United Petrochemical Company, eine SABIC-Tochter. Die MEG-Anlage ist Teil eines Projekts für 333 Millionen US$, zu dem unter anderem auch ein DEG-Werk (Diethyleneglykol) mit einer Jahreskapazität von 97.000 Tonnen und eine TEG-Anlage (Triethylenglykol) mit einer Jahreskapazität von 5.700 Tonnen gehören.
Mehrere Großprojekte in der Bauphase
Die Datenbank MEED Projects listet für Saudi-Arabien Chemieprojekte im Wert von rund 12 Milliarden US$, die sich im Bau befinden. Davon entfallen 1,4 Milliarden US$ auf ein grünes Wasserstoff-/Ammoniakwerk in der neuen Entwicklungszone NEOM.
Die Ammoniakanlage mit einer Jahreskapazität von 1,2 Millionen Tonnen entsteht im südlichen Cluster der Industrie- und Hafenzone Oxagon. ThyssenKrupp liefert die Elektrolysetechnik mit einer Kapazität von 2 Gigawatt. Ein 4 Milliarden US$ teurer Wind- und Solarkomplex (1,4 Gigawatt Windkraft und 2,9 Gigawatt Fotovoltaik) wird den Strom liefern. Larsen & Toubro aus Indien erhielt 2022 den Bauauftrag.
Das größte laufende Chemieprojekt ist der integrierte Raffinerie– und Petrochemiekomplex "Amiral" in Jubail. Zur Realisierung des Großprojekts gründeten der nationale Ölkonzern Saudi Aramco und TotalEnergies 2008 die Saudi Aramco Total Refining and Petrochemical Company (SATORP). An dem Joint Venture ist Aramco mit 62,5 Prozent beteiligt, TotalEnergies hält die restlichen 37,5 Prozent.
Zunächst wurde eine Raffinerie mit einer Kapazität von 460.000 Barrel pro Tag errichtet, die seit 2014 in Betrieb ist. Ende 2022 entschied SATORP, die Raffinerie um einen Petrochemiekomplex zu erweitern. Die Investitionen werden mit 11 Milliarden US$ veranschlagt. Im Juni 2023 erfolgte die Vergabe von Bauaufträgen in Gesamtwert von rund 8 Milliarden US$. Das Projekt soll bis 2028 fertiggestellt sein.
Das Herzstück des Amiral-Projekts ist ein Ethylen-Cracker mit einer Jahresleistung von 1,65 Millionen Tonnen. Die Anlage wird von der Hyundai Engineering & Construction Company für 2,5 Milliarden US$ errichtet. An das südkoreanische Unternehmen ging ein weiterer 2,5-Milliarden-US$ -Auftrag unter anderem für verschiedene Infrastruktursysteme des Amiral-Komplexes.
Maire Tecnimont erhielt für das Amiral-Projekt einen Auftrag in Höhe von 1,2 Milliarden US$ zum Bau von zwei Polypropylen-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von jährlich 1 Million Tonnen. Ferner baut das italienische Unternehmen für 720 Millionen US$ ein HDPE-Werk (High Density Polyethylene) und eine Logistikzone.
Die Advanced Petrochemical Company (APC) vergab 2021 einen 1,6-Milliarden-US$-Auftrag für ein Propylen- und Polypropylenwerk (Advanced Polyolefins Company/APOC) in Jubail. Seine Fertigstellung soll bis Ende 2024 erfolgen. Die APOC ist ein Joint Venture aus der Advanced Global Investment Company, einer APC-Tochter, mit einem Anteil von 85 Prozent und der südkoreanischen SK Gas Petrochemical (15 Prozent).
Lange Liste geplanter Investitionen
MEED Projects listet geplante Chemieprojekte im Wert von 40 Milliarden US$, die bis 2025 vergeben werden sollen. Beobachter gehen aber davon aus, dass es bei vielen Investitionsprojekten zu Verzögerungen beziehungsweise Planungsänderungen kommt. Zu den größten geplanten Petrochemieprojekten gehören zwei COTC-Anlagen (Crude Oil-To-Chemicals) in Yanbu und in Ras Al Khair für jeweils 5 Milliarden US$.
Ausgewählte Chemieprojekte in der Planungsphase
Allein 20 Milliarden US$ sollen in weitere Projekte zur Erzeugung von blauem und grünem Wasserstoff beziehungsweise Ammoniak fließen. Zumeist befinden sich diese Vorhaben in einem frühen Planungsstadium und die weitere Entwicklung ist bislang unklar.
Beispielsweise unterzeichnete der staatliche Public Investment Fund (PIF) im November 2022 mit fünf südkoreanischen Unternehmen (Korea Electric Power Corporation, Korea Southern Power Company, Korea National Oil Corporation, Posco Holdings, Samsung C&T) eine Absichtserklärung zur Prüfung eines grünen Ammoniakprojekts in Yanbu. Die notwendigen Investitionen sind mit 6,5 Milliarden US$ veranschlagt. Mit Marubeni diskutiert der PIF über ein 10 Milliarden US$ teures Wasserstoffprojekt.
Von Robert Espey
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