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Klimaschutz-AtlasEnergie: Bei Solar- und Windprojekten ist Saudi-Arabien im Verzug
Bis 2030 müssten jährlich Solar- und Windkapazitäten von mehr als 7 Gigawatt hinzukommen, um das Planungsziel zu erreichen. Dies erscheint aber wenig realistisch.
04.09.2023
Von Robert Espey | Dubai
In Saudi-Arabien entfällt der Primärenergieverbrauch fast vollständig auf Öl und Gas. Für den Stromsektor ist bei erneuerbaren Energien (EE) bis 2024 eine Steigerung der Kraftwerkskapazitäten auf 27,3 Gigawatt vorgesehen und bis 2030 auf 58,7 Gigawatt. Davon sollen 40 Gigawatt auf Fotovoltaik, 16 Gigawatt auf Windenergie und 2,7 Gigawatt auf CSP (Concentrated Solar Power) entfallen. Diese Zielvorgaben schließen keine Solar- und Windkraftprojekte ein, die zur Erzeugung von grünem Wasserstoff notwendig sind.
Gegenwärtig sind neben einigen kleineren EE-Anlagen nur das 335-Megawatt-Fotovoltaikkraftwerk Sakaka, die 400-Megawatt-Windfarm Dumat al Jandal und die Fotovoltaikanlage Rabigh mit einer Leistung von 300 Megawatt fertiggestellt. Sakaka produziert seit 2020. Dumat al Jandal ging 2021 in den Teilbetrieb, die volle Leistung dürfte aber erst im Jahresverlauf 2023 zur Verfügung stehen. Das Kraftwerk Rabigh wird in Kürze ans Netz gehen.
Die Projekte in Sakaka und Dumat al Jandal gehören zur ersten Ausschreibungsrunde des National Renewable Energy Programm (NREP). Das Projekt in Rabigh ist Teil der zweiten Ausschreibungsrunde. Das NREP liegt in der Zuständigkeit des Renewable Energy Project Development Office (REPDO), das 2022 in die staatliche Saudi Power Procurement Company (SPPC) integriert wurde. Alle NREP-Projekte werden mit privaten Investoren auf PPP-Basis (Public-private-Partnership) realisiert.
Ausbau der erneuerbaren Energien müsste stark beschleunigt werden
Aktuell beträgt der EE-Anteil an den gesamten Kraftwerkskapazitäten (2022: 85 Gigawatt) rund 1 Prozent. Unklar ist, ob oder wie die für 2030 angestrebte EE-Leistung erreicht werden kann. Im Rahmen des NREP sind EE-Projekte der zweiten und dritten Ausschreibungsrunde mit einer Gesamtleistung von 2,4 Gigawatt im Bau. Weitere fünf NREP-Projekte (vierte Ausschreibungsrunde) mit einer Gesamtleistung von 3,3 Gigawatt sind derzeit ausgeschrieben. Damit summieren sich die Kapazitäten der ersten vier Ausschreibungsrunden auf lediglich 6,7 Gigawatt.
Würden alle EE-Projekte, deren Inbetriebnahme für 2023 vorgesehen ist, planmäßig fertiggestellt, ergäbe sich Ende 2023 eine EE-Kapazität von rund 1,7 Gigawatt. Davon wären 1,3 Gigawatt Fotovoltaik. Jedoch ist dieses Szenario unwahrscheinlich. Die eigentlich für 2024 angestrebte EE-Leistung von 27,3 Gigawatt sollte sich auf 20 Gigawatt Fotovoltaik und 7 Gigawatt Windkraft verteilen.
Unter den NREP-Projekten der vierten Ausschreibungsrunde befinden sind zwei Solaranlagen mit Leistungen von 1.100 Megawatt (Al Hinakiyah; Fotovoltaik und Combined Solar Power/CSP) sowie 400 Megawatt (Tubarjal; Fotovoltaik). Ferner sind drei Windprojekte ausgeschrieben (Yanbu, 700 Megawatt; al Ghat, 600 Megawatt; Waad al Shamal, 500 Megawatt). Eine fünfte NREP-Ausschreibungsrunde, die aus fünf Solaranlagen bestehen soll, ist in Planung. Details sind aber noch nicht bekannt.
Staatlicher Investmentfonds ist im EE-Sektor engagiert
Außerhalb des NREP ist vor allem der staatliche Public Investment Fund (PIF) im EE-Sektor aktiv. Im April 2021 vergab der PIF (gemeinsam mit ACWA Power und Saudi Aramco) einen 725-Millionen-US$-Auftrag zum Bau einer 1,5-Gigawatt-Fotovoltaikanlage in Sudair (Provinz Riad) an die indische Larsen & Toubro. Die Fertigstellung wird 2025 erwartet. Am Projektpartner ACWA Power ist der PIF mit 50 Prozent beteiligt.
Im Oktober 2022 hat die PIF-Tochter Badeel (gemeinsam mit ACWA Power) die China Energy Engineering Corporation beauftragt, in Shoaiba (Provinz Mekka) für 2,6 Milliarden US$ ein 2,1-Gigawatt-Fotovoltaikkraftwerk zu errichten. Die Inbetriebnahme ist für 2026 anvisiert.
Für ein weiteres Projekt von PIF/ACWA Power liegen Angebote vor. Es handelt sich um eine 300-Megawatt-Fotovoltaikanlage in Rabigh (Provinz Mekka). Die Vergabe des mit 450 Millionen US$ kalkulierten Bauauftrages könnte in Kürze erfolgen.
Zur Versorgung der bestehenden Meerwasserentsalzungsanlage in Jubail mit einer Kapazität von 1 Million Kubikmetern pro Tag lässt die Saline Water Conversion Corporation (SWWC) für 320 Millionen US$ eine 110-Megawatt-Fotovoltaikanlage bauen. Das Projekt soll 2025 abgeschlossen sein.
Weitere konventionelle Kraftwerke werden gebaut
In Saudi-Arabien entfallen derzeit rund 99 Prozent des Energieverbrauchs der Stromerzeuger auf fossile Brennstoffe. Saudi Aramco hat drei gasbetriebene Kraftwerke für insgesamt 1,3 Milliarden US$ im Bau. Auch andere Betreiber wollen Milliarden in neue konventionelle Kraftwerke investieren.
Die Saudi Power Procurement Company hat zwei Kraftwerke mit jeweils 3,6 Gigawatt an den Standorten Taiba und Al Qassim ausgeschrieben. Die Investitionen sollen sich auf insgesamt 8 Milliarden US$ belaufen.
Die Saudi Electricity Company (SEC) hat die zeitweise gestoppte Planung für ein 3,6-Gigawatt-Kraftwerk in der Region Riad (Power Plant 15) im April 2023 wieder aufgenommen. Die weitere Entwicklung eines von der SEC seit Jahren geplanten, auf 3 Milliarden US$ kalkulierten Großprojekts (Power Plant 16) erscheint ungewiss. Das Kraftwerk soll in drei Phasen mit einer Kapazität von jeweils 1,2 Gigawatt gebaut werden.
Atomkraft soll Teil des Energiemix werden
Das saudi-arabische Atomprogramm sieht bis 2032 den Bau von 16 Kernreaktoren mit einer Gesamtleistung von 17 Gigawatt vor. Beobachter bezweifeln jedoch die Realisierungschancen. Als Berater wurden Ernst & Young (Financial Advisor, seit 2022) und WorleyParsons (Project Management Consultant, seit 2018) engagiert. Die Korea Electric Power Corporation (KEPCO) ist seit 2016 als technischer Planer/Berater dabei.
Die erste Phase des Atomprogramms soll aus zwei Reaktoren mit einer Leistung von insgesamt 2,8 Gigawatt bestehen. Ferner sind zwei SMART-Reaktoren mit jeweils 100 Megawatt in Planung. Auf der Arabischen Halbinsel existieren bereits vier Atomkraftwerke mit einer Leistung von jeweils 1,4 Gigawatt. Sie wurden durch ein Konsortium unter Leitung von KEPCO zwischen 2012 und 2022 im Emirat Abu Dhabi errichtet.