Branche kompakt | Schweiz | Medizintechnik
Regulatorische Hürde beschäftigt die Branche
Durch hohe Ausgaben für die Gesundheit gehört der Schweizer Markt zu den bedeutendsten weltweit. Deutsche Hersteller sind wichtige Lieferanten. Firmen stehen vor Herausforderungen.
28.07.2023
Von Joanna Zygadlo | Berlin
Gesundheitssystem ist zwar kostspielig, aber auch erstklassig
Die zweithöchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Medizinprodukte weltweit machen die Schweiz zu einem interessanten Markt für deutsche Hersteller, die bereits die wichtigsten Lieferanten von Medizintechnik sind. Laut den Marktexperten von Fitch Solutions wird der Schweizer Markt für Medizintechnik von 2023 bis 2027 im mittleren einstelligen Bereich wachsen. Politische Stabilität und ein relativ günstiges Inflationsumfeld werden den Markt 2023 stärken. Ein sehr gut ausgebautes Gesundheitssystem, die zunehmende Häufigkeit chronischer Krankheiten und der weltweite Wandel zu einer schnell alternden Bevölkerung sind langfristige Treiber des Marktwachstums.
Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die Schweizer 2022 etwa 11,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und Pro-Kopf 8.049 US-Dollar (US$) für die Gesundheit ausgegeben. Damit belegt das Land weltweit den zweiten Platz hinter den USA (12.555 US$: Platz 1) und knapp vor Deutschland (8.011 US$: Platz 3).
Medizinprodukte-Verordnung MDR sorgt für Unsicherheiten
Die Schweiz zählt zu den bedeutendsten Medizintechnikstandorten weltweit und bietet durch veränderte globale Lieferketten deutschen Herstellern wieder zunehmend gute Absatzchancen. Das Inkrafttreten der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung, Medical Device Regulation (MDR), führt zu steigenden Qualitäts- und Dokumentationsanforderungen sowie zu Hürden bei der Zulassung. Dies verunsichert deutsche Unternehmen bei Ausfuhren von Medizinprodukten in die Schweiz und sorgt für Verzögerungen.
Eine Einigung zwischen der EU und der Schweiz über ein Rahmenabkommen ist gescheitert. Damit ist auch keine Erneuerung über die gegenseitige Anerkennung (MRA), auch für Medizinprodukte, in Kraft. Vielmehr verlor die MRA von Medizinprodukten durch das Scheitern der Verhandlungen ihre Gültigkeit. Nun gelten unterschiedliche Zulassungsanforderungen auf beiden Seiten. Das sorgt bei Herstellern für einen erhöhten Aufwand. So benötigen Unternehmen für Ausfuhren in die Schweiz einen dort ansässigen Importeur oder Bevollmächtigten sowie ein entsprechendes Labeling.
Einige Produkte verschwinden vom Markt
Der Schweizer Verband Swiss Medtech berichtet, dass nur etwa ein Drittel der Hersteller von Medizintechnik ihr Produktportfolio auf dem Markt erhalten kann. Die restlichen Unternehmen müssen Produkte vom Markt nehmen, das entspricht etwa 13 Prozent. Verbunden mit dem zusätzlichen Aufwand berichtet die Branche über eine Kostensteigerung für Medizinprodukte von etwa 6 Prozent, so der Fachverband. Importeure in der Schweiz berichten ebenfalls über einen Rückzug von Lieferanten aus dem Markt.
Um den regulatorischen Mehraufwand zu bewältigen, müssen Unternehmen neues Personal einstellen. Aufgrund von Fachkräftemangel ist die Suche nach Personal mit entsprechender Expertise schwierig. Das bringt Verzögerungen und Schwierigkeiten mit sich. Trotz der Hürden für die Branche erwartet die Mehrheit der Firmen für 2023 ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 8,3 Prozent. Viele Investitionsprojekte sorgen für Nachfrage nach neuen Produkten.
Akteur/Projekt | Investitionssumme (in Mio. US$) | Projektstand | Anmerkungen |
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Masterplan Inselspital | 2.014 | Viele Projekte bis 2030 | 2023: Inbetriebnahme neues Hauptgebäude Anna-Seiler-Haus 2025: Inbetriebnahme Frauenklinik, Augenklinik und Neonatologie der Kinderklinik 2025-2027: Vollausbau Theodor-Kocher-Haus zum Organzentrum 2028: Rückbau Bettenhochhaus Bis 2060 weiteres Entwicklungspotenzial und diverse Neu- und Erweiterungsbauten |
Universitätsspital Basel | 1.567 | Beginn 2024 Fertigstellung 2030 | Weiterentwicklung des Campus Gesundheit durch mehrere Erweiterungen und Gesamterneuerung Klinikum 2 |
Kantonsspitals Aarau (KSA) | 866-915 | Fertigstellung 2026 | Diverse Neu- und Erweiterungsbauten |
Kantonsspital St.Gallen | 686 | Projekt ''come together''; Neubauten und Verbesserung der bestehenden Infrastruktur | |
Kantonsspital Baden | 655 | Fertigstellung Ende 2024 | Neubau Hauptgebäude Partnerhaus; 76.215 Quadratmeter; 400 Betten |
Deutsche Hersteller sind wichtigste Lieferanten
Laut Angaben von Swiss Medtech beschäftigen etwa 1.400 Unternehmen knapp 67.000 Personen in der Branche. Das entspricht der höchsten Konzentration von MedTech-Unternehmen in Europa. Rund 10 Prozent des Umsatzes werden in die Forschung und Entwicklung investiert und das Land hat die meisten Patentanmeldungen pro Kopf weltweit.
Zahlreiche internationale Unternehmen nutzen die Schweiz als zentrales europäisches Produktions- oder Vertriebszentrum. Zu den in der Schweiz produzierenden multinationalen Unternehmen gehören B. Braun Medical, Jabil, Stryker und Zimmer Biomet. In der Region um die Gemeinde Frauenfeld sind viele Medizintechnikunternehmen angesiedelt, darunter Schneider und Abbott Vascular Devices. Zu den großen internationalen Unternehmen, die vor Ort sind, aber keine Produktionsstätte in der Schweiz haben, zählen unter anderem Fresenius Medical Care, Siemens Healthineers oder GE Healthcare.
Das Land importierte 2022 Medizinprodukte im Wert von etwa 4,66 Milliarden US$. Die EU lieferte mehr als die Hälfte der Gesamteinfuhren. Deutschland war mit einem Anteil von rund 26 Prozent der Importe der wichtigste Lieferant. Dicht gefolgt von den USA, die rund 25 Prozent der Einfuhren erbrachten. Die USA waren führender Lieferant von Orthopädietechnik und Prothetik. Deutschland dominierte bei der Einfuhr von unter anderem diagnostischer Bildgebung und zahnmedizinischen Produkten. Weitere führende EU-Lieferanten waren die Niederlande, Frankreich und Italien mit Einfuhranteilen von jeweils 5 bis 9 Prozent.
Privater Sektor ist nicht zu vernachlässigen
Obwohl der Privatsektor nur etwa 20 Prozent des gesamten Gesundheitsmarkts ausmacht, kann er ein wichtiger Endverbraucher von teuren Medizingeräten sein. Im privaten Gesundheitsbereich gibt es keine Kaufbeschränkungen für private Einrichtungen. Zum Beispiel sind schätzungsweise 60 Prozent der Magnetresonanztomographie Geräte im privaten Sektor zu finden. Zu den Hindernissen im Schweizer Gesundheitswesen gehört das komplexe, stark dezentralisierte System der Gesundheitsorganisation. Es führt zu erheblichen Unterschieden beim Zugang zur Gesundheitsversorgung.
Für die Regulierung und Aufsicht von Medizinprodukten zuständig ist die Behörde Swissmedic (Schweizerisches Heilmittelinstitut). Die schweizerische Medizinprodukteverordnung (MepV; SR 812.213) legt die Anforderungen und Verantwortungen für Unternehmen fest. Diese regelt auch die Anerkennung von bereits bestehenden Zertifikaten und die Übergangsfristen für die Benennung eines Bevollmächtigen. Die Messe IFAS (22. bis 24. Oktober 2024 in Zürich) zählt zu den wichtigsten Treffen der Branche in der Schweiz.