Die Bautätigkeit im Hochbau hat sich 2024 auf hohem Niveau abgekühlt. Verantwortlich dafür ist der weiterhin schleppende Wohnungsbau.
Nach Einschätzung des schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV) bleibt das Investitionsklima im Bau auch 2024 weiterhin gedämpft. Die Branchenexperten gehen nicht davon aus, dass die Bautätigkeit nennenswert in Fahrt kommen wird. Laut den Prognosen der SBV zur Baukonjunktur wird der Hochbau 2024 insgesamt um 2,5 Prozent zurückgehen. Der schweizerische Bauindex prognostiziert für 2024 einen Umsatz von 23,2 Milliarden Franken, 1,1 Prozent weniger als im Vorjahr.
Öffentliche Bauvorhaben können Verluste im Hochbau nicht ausgleichen
Ein Rückgang der Bautätigkeit wird vor allem im Wohnungsbau und im Wirtschaftsbau erwartet. Im Gegensatz dazu dürfte der öffentliche Hochbau mit einem voraussichtlichen Plus von 1 Prozent zwar wachsen. Die Verluste der anderen Sparten kann er jedoch nicht kompensieren. Sowohl im Hoch- als auch Tiefbau wurden bereits 2023 Projekte zurückgestellt oder neu und kleiner dimensioniert. Bauanträge gingen landesweit zurück. Dies wird sich auch 2024 nicht wesentlich ändern. Laut Baumeisterverband gab es 2023 nur im Tessin und in der Ostschweiz eine Zunahme an Bauanträgen im Vergleich zum Vorjahr.
Die Baukosten bleiben auf hohem Niveau. Der Verband hat errechnet, dass die durchschnittlichen Erstellungskosten für eine Wohnung 2024 rund ein Viertel höher sind als noch vor fünf Jahren. Deshalb rücken gewerbliche und private Bauherren immer häufiger von Neubauprojekten ab.
Die Schweiz braucht mehr Wohnungen
Laut Bundesamt für Wohnungswesen müssten 5.000 bis 10.000 Wohnungen im Jahr neu gebaut werden, um den Bedarf zu decken. Leerstehende Wohnungen werden allmählich "aufgebraucht" – wie die Schweizer sagen – ohne, dass neue entstehen.
Die Zahl der bewilligten Neubauwohnungen ist seit 2013 rückläufig. Im Jahr 2023 wurden mit rund 35.000 Wohneinheiten so wenige Wohnungen gebaut wie seit 20 Jahren nicht mehr. "Der Rückgang im Wohnungsbau wird sich auch 2024 weiter fortsetzen und frühestens 2025 zum Stillstand kommen", lautet die Einschätzung des Ökonomen und Immobilienexperten Fabian Walter von der Schweizer UBS Bank, gegenüber der Neue Züricher Zeitung.
Grund für die Zurückhaltung der Bauherren und Investoren sind die nach wie vor hohen Baukosten. Der Baupreisindex des Bundesamtes für Statistik (BfS) ist alleine in den vergangenen drei Jahren um rund 15 Prozent gestiegen. An der Zinsfront gibt es inzwischen leichte Entspannung. Die überraschende Leitzinssenkung von 1,75 auf 1,5 Prozent der Nationalbank vom März 2024 dürfte dem Bau- und Immobilienmarkt Entlastung bringen.
Viel Bürokratie und langsame Genehmigungsprozesse
Sorgen bereiten den Bauherren auch die teuren und langsamen Baubewilligungsprozesse in der Schweiz. Hinzu kommt die Flut an Einsprüchen gegen Bauvorhaben aus der Bevölkerung. Diese sogenannten "Einsprachen" bremsen Projekte aus, führen zu immer schärferen Auflagen und verlängern so die Genehmigungsdauer.
Baugesuche würden besonders häufig im Zuge von Volksabstimmungen ausgebremst, beklagt der SBV. Ein weiteres Hemmnis sind die in der Schweiz sehr rigiden Verordnungen beim Lärmschutz. Hier fordert Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch der Züricher Kantonalbank ZKB, dass die Politik Hürden abbaut.
Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung vergehen in der Schweiz im Landesdurchschnitt 140 Tage. Am längsten dauern die Verfahren mit 500 Tagen im Kanton Genf, rund 200 Tage im Kanton Zürich und 330 Tage in der Stadt Zürich. Die Zeiten haben sich seit 2010 mehr als verdoppelt, berichtet Kubli.
Wohnungsmieten unerschwinglich
Bezahlbare Mietwohnungen sind in der Schweiz auch für mittlere Einkommen inzwischen knapp. Einfamilienhäuser sind kaum noch erschwinglich. Angebots- und Bestandsmieten sind alleine 2023 um 4 beziehungsweise 3 Prozent gestiegen. Hinzu kommt eine für Schweizer Verhältnisse relativ hohe Zuwanderung. Im Jahr 2023 waren es rund 100.000 Personen, die auf den Wohnungsmarkt drängten. Zudem werden die Mieten bei Neubauwohnungen und Mieterwechseln teurer.
Ausbaugewerbe rückläufig, Wirtschaftsbau schwächelt
Nach einem dynamischen Wachstum 2023 werden Unternehmen des Ausbaugewerbes ihre Bruttoanlageinvestitionen 2024 deutlich herunterfahren. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts KOF vom März 2024. Es herrscht große Unsicherheit in der Branche. Nicht einmal jedes zweite Unternehmen war sicher, ob es seine geplanten Investitionen umsetzen wird. Im gesamten Bauhauptgewerbe stagnieren die Bruttoanlageinvestitionen auch 2024.
Impulse dürften 2024 vom Infrastrukturbau kommen. Verstärkte Bautätigkeit ist im Bereich des Bildungs- und Gesundheitswesens zu beobachten. Der Baumeisterverband erwartet, dass bei der Sanierung von Gebäuden zunehmend auf Nachhaltigkeit gesetzt wird, was zu höheren Bauausgaben führen wird.
Nachfrage nach Büroraum sinkt
Die Beschäftigung dürfte 2024 in der Schweiz um knapp 0,5 Prozent wachsen, also weniger stark als in den Vorjahren. Dies dürfte eine leicht geringere Nachfrage nach Büroraum nach sich ziehen. Im Bereich Wirtschaftsbau rechnet der Verband mit einem Rückgang von 1,9 Prozent.
Angebotsmieten für Büroflächen dürften 2024 stagnieren, nachdem sie in den vergangenen Jahren rückläufig waren. Nach Angaben des Immobiliendienstleisters Jones Lang Lasalle JLL hat sich das Angebot an verfügbaren Büroflächen in den fünf größten Büromärkten der Schweiz – Zürich, Genf, Bern, Basel und Lausanne - 2023 marginal von 4,5 auf 4,6 Prozent erhöht.
Öffentlicher Bau mit ungewisser Entwicklung
Die Baugesuche für öffentliche Hochbauten haben 2023 im Schnitt rund 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Daher könnte es laut SBV in dieser Sparte 2024 mehr Aufträge geben. Aufgrund der angespannten Haushaltslage beim Bund sowie in verschiedenen Kantonen und Gemeinden ist es jedoch ungewiss, ob und in welchem Umfang die öffentliche Hand neue Bauaufträge vergeben wird. Die Wachstumserwartungen liegen bei einem Plus von 1 Prozent.
Von Karl-Heinz Dahm
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Bonn