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Special China Seidenstraße

Chinas neue Seidenstraße schrumpft im Jahr 2024

Erstmals sinkt im Jahr 2024 die Zahl der Belt-and-Road-Projekte. China wird zunehmend vom Auftraggeber zum Auftragnehmer.

Von Marcus Hernig | Bonn

Die neue Seidenstraße sollte 2024 nach Pekings Wünschen weiter "kleiner, grüner und smarter" werden – und damit kostengünstiger und langfristig tragfähig. Wie haben sich Chinas Aktivitäten im Jahr 2024 tatsächlich entwickelt?

Trend 1: Weniger Projekte in fast allen Weltregionen

Von Januar bis November 2024 vermerkte Germany Trade & Invest (GTAI) insgesamt 1.007 neue Absichtserklärungen, Folge- oder Neuverträge im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI). Damit dürfte der bisherige Höchststand von 1.214 Projekten aus dem Jahr 2023 nicht erreicht werden, wie GTAI auf Basis der ersten elf Monate des Jahres 2024 schätzt. So verzeichnen auch fast alle Regionen Rückgänge der Projektzahlen. Ausnahmen bilden die Golfstaaten (Region Westasien) und Ozeanien.

Bei der regionalen Verteilung der BRI-Projekte hat sich 2024 im Vergleich zu den Vorjahren wenig geändert. Afrika bleibt Spitzenreiter mit über einem Drittel der Projekte zwischen Januar und November, gefolgt von der Gemeinschaft der südostasiatischen Staaten (ASEAN) mit rund einem Viertel, Westasien mit 15 Prozent und Zentralasien mit 7 Prozent der Projekte. Die übrigen Weltregionen spielen weiterhin gegenüber Asien und Afrika nur eine untergeordnete Rolle – wenn auch mit regionalen Ausnahmen, wie am Beispiel der chinesischen Aktivitäten in Chile deutlich wird.

Hinsichtlich der Branchenverteilung bietet sich das aus den Vorjahren bekannte Bild: Energieprojekte bildeten von Januar bis November 2024 mit 347 Absichtserklärungen, Neu- und Folgeaufträgen die Nummer 1. Transport, Verkehr und Logistik folgen mit 232 sowie Bergbau und Industrie mit 163 Vorhaben. Die Sektoren Energie wie auch Bergbau und Industrie verzeichneten jedoch im Vergleich zum Vorjahr deutliche Rückgänge.

Trend 2: Großprojekte werden zu strategischen Kooperationen

Trotz der geringeren Projektzahl fallen einige Großprojekte ins Auge: Im Januar 2024 gewann der chinesische Staatskonzern Sinopec Engineering Group zusammen mit Tecnicas Reunidas aus Spanien die Ausschreibung für ein groß angelegtes Projekt zur Flüssiggasproduktion in Saudi Arabien. Der saudische Energiekonzern ARAMCO will bis zu 3,35 Milliarden US-Dollar (US$) investieren. Tecnicas Reunidas erhielt 65 Prozent des Auftragsvolumens. Auf Sinopec entfallen 35 Prozent. 

China State Construction Engineering (CSCEC) und das südkoreanische Unternehmen SK Eco Plant unterzeichneten Ende Februar 2024 eine Absichtserklärung für den Aufbau einer groß angelegten Wasserstoffproduktion in Ägypten. Der Gesamtwert des Projekts beläuft sich auf 1,9 Milliarden US$. Des Weiteren entstehen in der neuen Sonderwirtschaftszone am Suezkanal ein Solar- und ein Windkraftwerk mit einer Gesamtkapazität von 778 Megawatt. 

Ein weiteres Energieprojekt zur Wasserstoffproduktion ist in Spanien angesiedelt: Im August 2024 unterzeichneten der spanische Energiekonzern Coxabengoa mit dem Pekinger Unternehmen Hygreen Energy eine Absichtserklärung im Gesamtwert von 2,21 Milliarden US$ zur Erschließung des europäischen Wasserstoffmarktes. Die Produktionsstandorte des Großprojekts sind in den Städten Malaga und Huelva geplant. 

Zudem fallen auch 2024 große Rohstoffprojekte auf, in die chinesische Staatsfirmen investieren und diese erschließen: Im Mai wurde eine Absichtserklärung zur Eisenerzausbeute und Stahlproduktion im kasachischen Shymkent zwischen Fujian Hengwang Investment, das zum chinesischen Edelstahlproduzenten Jiangsu Coastal Steel gehört, und dem chinesischen Stahlkonzern Yonggang Iron Steel geschlossen. In Indonesien beutet das chinesische Aluminiumunternehmen Nanshan Aluminium Bauxitvorkommen auf den Inseln Galang Batang und Bintan mit Neuinvestionen von 870 Millionen US$ aus.

Die genannten Großprojekte lassen folgende Entwicklungen bei der BRI erkennen: Die Projekte konzentrieren sich verstärkt auf Energieträger wie Flüssiggas und Wasserstoff. Strategisch sichert sich China den Zugang zu wichtigen Rohstoffen. Neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln sich mit südkoreanischen Firmen, die seit Längerem in denselben Bereichen und Regionen wie chinesische Unternehmen aktiv sind. Großprojekte aus der Anfangszeit der BRI laufen dagegen nicht unbedingt reibungslos: So behindern etwa Schulden und Terroranschläge den Ausbau des China-Pakistan Economic Corridors. Auch die Äthiopien-Dschibuti-Bahn bleibt nur eingeschränkt nutzbar. 

Trend 3: Mehr internationale Finanzierung, weniger Entwicklungshilfe

Der chinesische Staat hat sich mit der Chinesischen Entwicklungsbank (China Development Bank, CDB) und der Export und Import Bank of China (China EXIM) fast vollständig aus der Kreditfinanzierung von großen BRI-Infrastrukturmaßnahmen zurückgezogen. 

Für eine "Qualifikation" als BRI-Projekt reicht aus chinesischer Sicht die Beteiligung eines chinesischen, meist staatlichen Unternehmens aus. Die Finanzierung wird inzwischen von multilateralen Entwicklungsbanken oder internationalen Investoren häufig aus Saudi-Arabien oder anderen Golfstaaten übernommen. So sind chinesische Investoren in den gelisteten BRI-Projekten des Jahres 2024 in der Minderheit: Bei den BRI-Projekten, deren Investoren öffentlich bekannt sind, liegt die Zahl der ausländischen Geldgeber mit 541 gegenüber 273 chinesischen fast doppelt so hoch.

Die Empfänger der geringer ausfallenden Entwicklungshilfe Chinas sind vor allem afrikanische Länder: Mit 28 ausschließlich oder teilweise aus Entwicklungshilfe finanzierten Projekten sind die Hälfte in Afrika verortet. Den Summen nach gibt die Europäische Union dem Kontinent aber deutlich mehr Mittel, als das Reich der Mitte.

In Zentralamerika und in Europa kristallisieren sich El Salvador und Serbien als Entwicklungshilfeempfänger – und zunehmend als strategische Partner Chinas – heraus. In Serbien wurde eine Machbarkeitsstudie für eine digitale Bildungsplattform an 300 Mittelschulen durchgeführt. Hier soll auch ein chinesisches Datenzentrum entstehen. El Salvador, seit Ende 2023 offiziell BRI-Mitglied, erhielt 2024 auch das teuerste Entwicklungshilfeprojekt aus der Volksrepublik: Für das neue Nationalstadion in San Salvador stellt Peking 100 Millionen US$ zur Verfügung.

GTAI berichtet regelmäßig zur neuen Seidenstraße:

Hier finden Sie alle GTAI-Informationen zur Belt and Road Initiative.

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