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Branche | Slowakei | Wasserstoff

Slowakei bekommt Brückenfunktion bei Wasserstofftransporten

Die Slowakei könnte zum wichtigen Transitland für Wasserstoff werden. Die EU will die notwendige Modernisierung des Pipelinenetzes Richtung Westeuropa finanziell unterstützen.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Die Slowakei nutzt ihre Lage als Gastransitland, um sich beim Thema Wasserstoff als wichtiger Player zu etablieren. Mit dem Gasnetzbetreiber Eustream bekam am 15. Februar 2024 bereits zum zweiten Mal ein slowakisches Unternehmen eine Förderzusage für Wasserstoffvorhaben von gesamteuropäischem Interesse (IPCEI, Important Project of Common European Interest). Die Europäische Kommission genehmigte Beihilfen für 33 Infrastrukturprojekte des Programms "Hy2Infra" in mehreren EU-Staaten, darunter 24 aus Deutschland und eins aus der Slowakei. Gefördert werden Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Erzeugung grünen Wasserstoffs über Transport- und Speicherinfrastruktur bis zur Nutzung in der Industrie. 

Transiteinnahmen seit Russlands Angriffskrieg eingebrochen

Eustream ist der Betreiber des Erdgasfernleitungsnetzes in der Slowakei (sogenannte Transgas-Pipeline, die weiter nach Tschechien, Deutschland und Österreich führt). Bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine machte das Unternehmen gute Geschäfte mit dem Transit von sibirischem Erdgas nach Westeuropa. Seit der Vollinvasion im Februar 2022 wird deutlich weniger Gas aus Russland durch das Pipelinenetz der Slowakei transportiert. Das Transportvolumen sank von 66 Milliarden Kubikmeter Erdgas (Geschäftsjahr 2018/19) auf 17 Milliarden Kubikmeter im Geschäftsjahr 2022/23 (jeweils 1. August bis 31. Juli). Ab 2025 will die Ukraine kein russisches Erdgas mehr Richtung Slowakei leiten.

Mittelfristig könnte die Wasserstoffwirtschaft diese Verluste ausgleichen. In seinem Entwicklungsplan 2023 bis 2032 legt Eustream bereits einen Fokus auf den Transport von Wasserstoff. Das bestehende Leitungsnetz soll zunehmend auch für klimaneutrale Gase genutzt werden. Der Netzbetreiber untersucht Möglichkeiten, das Pipelinenetz mit dem Sekundärenergieträger zu befüllen. Eine fünfprozentige Beimischung zum Erdgastransport soll nach entsprechenden Umrüstungen bereits möglich sein. 

Ukraine spielt eine wichtige Rolle

Das nun von der EU unterstützte slowakische Vorhaben "H2 Infrastructure - Transmission Repurpose (H2I-TR)" sieht Modifizierungen am Eustream-Übertragungsnetz vor. Eine der vier Haupttransportlinien soll dafür vorbereitet werden, Wasserstoff aus der Ukraine und weiteren Produktionsstandorten zu den Verbraucherzentren in Deutschland und anderen Teilen Europas zu befördern. 

In der Ostslowakei entstehen zwei neue Verdichterstationen und eine Grenzmessstation. Auch Pipelineabzweigungen in die Nachbarländer Polen und Ungarn sind geplant. Die Gesamtkosten des Projekts betragen nach Eustream-Schätzungen bis zu 500 Millionen Euro. Damit wäre es eine der größten Klimaschutzinvestitionen der Slowakei und eine "einzigartige Chance zur Dekarbonisierung der slowakischen Industrie, einschließlich der Betriebe wie US Steel Košice, Duslo Šaľa oder Slovnaft", heißt es in einer Mitteilung des Gasnetzbetreibers.

Eustream ist Teil der Initiative European Hydrogen Backbone (EHB), die den zukünftigen Transport von Wasserstoff innerhalb der EU ermöglichen soll. Das Unternehmen plant außerdem eine eigene Produktion von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen. Der so erzeugte Energieträger könnte die Kompressoren entlang der Gasleitungen antreiben. Ein Pilotprojekt ist an der Verdichterstation Veľké Kapušany vorgesehen.

Speicherung von Wasserstoff in Erdgasreservoirs

Eustream ist Teil der Holding SPP Infrastructure, die zu 51 Prozent dem slowakischen Staat gehört und zu 49 Prozent der tschechischen Energie- und Industrieholding EPH. Zu Eustreams Wasserstoffplänen trägt auch das Unternehmen Nafta bei, das ebenfalls eine Tochtergesellschaft von SPP Infrastructure ist.

Als Betreiber der slowakischen Gasspeicher hatte Nafta schon 2022 eine IPCEI-Förderzusage für Vorhaben von gesamteuropäischem Interesse bekommen. Nafta forscht unter dem Projektnamen H2I-S&D daran, wie Wasserstoff zusammen mit Erdgas in geeigneten Lagerstätten gespeichert werden kann. Im Ort Ptrukša nahe der ukrainischen Grenze ist eine Pilotversuchsanlage geplant, die ein "Deblending" ermöglicht - also das Herausfiltern von Wasserstoff aus dem Gasspeicher in einer bestimmten Konzentration. Das Vorhaben wird von der Slowakischen Innovations- und Energieagentur SIEA unterstützt. Nafta erforscht darüber hinaus eine mögliche CO2-Abscheidung und anschließende Speicherung (Carbon capture and storage, CSS). Ziel ist es, in der Slowakei blauen Wasserstoff zu produzieren und das dabei entstehende Kohlendioxid abzuscheiden.

Teil des mitteleuropäischen Korridors

Die Pläne von Eustream stehen in Einklang mit den Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur, die das Europäische Parlament und der Rat der EU im Mai 2022 verabschiedeten. In einem am 28. November 2023 veröffentlichten Anhang mit Vorhaben von gemeinsamem und gegenseitigem Interesse Europas (PCI/PMI) ist auch das Projekt des Mitteleuropäischen Wasserstoffkorridors CEHC erwähnt. Bei diesem Vorhaben ist Eustream neben den Gasnetzbetreibern Net4Gas (Tschechien), OGE (Deutschland) und GTSOU (Ukraine) einer von vier Initiatoren. Ziel ist es, grünen Wasserstoff aus der Ukraine zu den Verbrauchszentren nach Mitteleuropa zu transportieren. Die Slowakei und Tschechien spielen dabei als Transitländer eine wichtige Rolle. Aber auch industrielle Abnehmer in diesen beiden Ländern sollen von dem ukrainischen Wasserstoff profitieren. 

"Unsere ukrainischen Partner sehen den Korridor nicht nur als Innovationsprojekt, sondern auch als ein Vorhaben zur Versorgungssicherheit von morgen“, erklärt Karin Stehlík auf Nachfrage von Germany Trade & Invest. Sie ist bei Net4Gas für die Wasserstoffpartnerschaften zuständig. "Wir möchten noch dieses Jahr ein zwischenstaatliches Memorandum zwischen den Regierungen der Partnerländer abschließen und sind dazu in Kontakt mit dem tschechischen Wirtschaftsministerium."

Chemiegigant will Wasserstoff statt Erdgas nutzen

Der größte industrielle Gasverbraucher der Slowakei, Ammoniakproduzent Duslo, will Erdgas durch Wasserstoff ersetzen. Die nötigen Elektrolysekapazitäten sollen mit Hilfe von Fotovoltaik und Windparks entstehen, auch ein Batteriespeicher ist geplant. Laut Branchendienst Energie-Portal.sk strebt Duslo eine Jahresproduktion von 2.100 Tonnen Wasserstoff an. Die Hälfte der geschätzten Gesamtkosten (120 Millionen Euro) kommt aus dem EU-Modernisierungsfonds. Das Vorhaben soll bis 2030 abgeschlossen sein, verzögert sich derzeit aber wegen Anwohnerprotesten.

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