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Wirtschaftsumfeld | Slowakei | Arbeitskräfte

Fachkräfte

In der Slowakei verschärfen neue Investitionen und der demografische Wandel den Personalmangel. Das West-Ost-Gefälle bleibt bestehen, sodass es regional starke Unterschiede gibt.

Von Gerit Schulze | Bratislava

Das Personalangebot am slowakischen Arbeitsmarkt bleibt knapp. Im März 2024 betrug die Erwerbslosenquote laut Eurostat 5,4 Prozent. Damit lag das Land leicht unter dem EU-Durchschnitt. Zugleich war die Arbeitslosigkeit im Monat März so niedrig wie nie zuvor seit dem Beitritt der Slowakei zu Europäischen Union.

Während Eurostat die Berechnungsmethode der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) benutzt und die aktiv arbeitsuchenden 15- bis 74-Jährigen einbezieht, verwendet das slowakische Arbeitsministerium eine andere Definition. Die Behörde ermittelte für März 2024 eine Arbeitslosenquote unter den 15- bis 64-Jährigen von nur 3,9 Prozent. Der Wert war noch einmal um 0,4 Prozentpunkte geringer als ein Jahr zuvor.

Insgesamt suchten laut Arbeitsamt 167.500 Menschen eine Stelle und damit rund 8.000 weniger als im März 2023. Das verfügbare Personalangebot verringert sich weiter, wie die Regierung in ihrer Prognose von April 2024 vorrechnet: Demnach sinkt die Zahl der Erwerbslosen im Jahresverlauf 2024 auf 153.000 und bis 2027 auf 137.000.

Sowohl die bestehenden Firmen als auch neue Investoren wollen Stellen in der Slowakei schaffen. Laut Personalberater Grafton Recruitment plant jedes zweite Unternehmen 2024 Neueinstellungen. 

Die Slowakei im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

 

Mehr offene Stellen als im Vorjahr

Ende März 2024 berichtete die slowakische Arbeitsbehörde Ústredie práce von 86.500 offenen Stellen im Land. Das waren über 10.000 mehr als im Vorjahresmonat. Die meisten Jobangebote entfallen auf Anlagen- und Maschinenbediener sowie Montageberufe. Außerdem sind spezialisierte Handwerker stark gefragt. Gesucht werden aber auch Hilfskräfte im Dienstleistungssektor.

Rund 40 Prozent der Vakanzen entfallen auf den Bezirk Bratislava. Vergleichsweise wenig Jobangebote gibt es dagegen in den Regionen Prešov und Košice.

Dieses West-Ost-Gefälle zeigt sich auch bei der Arbeitslosigkeit. In den wirtschaftlich starken Regionen der Westslowakei herrscht quasi Vollbeschäftigung. So lag die offizielle Erwerbslosenquote im Bezirk Bratislava im März 2024 bei 2,4 Prozent, in den Regionen Trnava und Trenčin bei 2,6 Prozent und in Nitra bei 2,8 Prozent. 

Die höchste Erwerbslosenquote der Slowakei verzeichnete im März 2024 der Bezirk Prešov mit 6,2 Prozent vor Banská Bystrica mit 5,5 Prozent und Košice mit 5,2 Prozent. Die beiden einzigen Arbeitsämter mit zweistelligen Arbeitslosenraten sind Rimavská Sobota (10,6 Prozent) an der ungarischen Grenze und Kežmarok nahe der Hohen Tatra (10,2 Prozent). 

Viele Arbeitsuchende dort passen nicht auf die ausgeschriebenen offenen Stellen, sind nicht hinreichend qualifiziert oder mobil genug. Rund die Hälfte der Erwerbslosen im Osten der Slowakei ist schon mehr als ein Jahr auf Arbeitssuche.

Insgesamt ist es der Slowakei in den vergangenen zehn Jahren aber erfolgreich gelungen, mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Zahl der Gesamtbeschäftigten ist von 2,33 Millionen (2012) auf 2,61 Millionen (2023) gestiegen. Das ist bei sinkender Bevölkerungszahl immerhin ein Zuwachs um 280.000. 

Fachkräftemangel ist größtes Geschäftsrisiko

Aus Sicht der ausländischen Unternehmen in der Slowakei ist der Fachkräftemangel heute das größte Risiko für die Geschäftsentwicklung. Das hat die jährliche Konjunkturumfrage von sechs bilateralen Auslandshandelskammern im Frühjahr 2024 ergeben. 

Der größte private Arbeitgeber des Landes, Volkswagen, hat inzwischen eine Personallücke von 1.500 Beschäftigten. Die Bandbreite reiche von Montagearbeitern für die Fließbänder bis hin zu Spezialpositionen wie Elektriker oder Mechatroniker, berichtete die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny. 

Personalagenturen bestätigen, dass derzeit vor allem Fachkräfte für Elektrotechnik in der Slowakei gesucht würden, es aber kaum Bewerber gebe. Außerdem fehlten Maschinen- und Anlagenführer und Gabelstaplerfahrer. 

Die Quartalserhebungen der Manpower Group ergaben für das 2. Quartal 2024, dass besonders die Branchen Transport, Logistik, Automotive und Finanzen Personal einstellen wollen. Nur der Handel und Telekommunikationssektor planen Entlassungen. 

Vorruhestandsregel wird abgeschwächt

Das Fachkräfteangebot verringerte sich 2023 zusätzlich durch eine neue Vorruhestandsregelung. Sie ermöglichte schon zwei Jahre vor dem eigentlichen Rentenbeginn den Eintritt in den Ruhestand nach mindestens 40 Arbeitsjahren. Daraufhin gingen bei der Sozialversicherungsanstalt rund 47.000 Anträge auf vorzeitige Altersrente ein.

Da dies enorme Zusatzkosten für den Staatshaushalt verursachte, verschärfte die Regierung inzwischen die Bedingungen und erhöht schrittweise die nötige Mindestarbeitszeit. Dennoch fehlen diese erfahrenen Fachkräfte nun auf dem Arbeitsmarkt. 

Aderlass durch Emigration 

Eine weitere Bürde ist die Emigration. Im Jahresdurchschnitt 2023 arbeiteten 117.000 Slowaken und Slowakinnen vorübergehend im Ausland. Sie begründen dies mit besseren Verdienstmöglichkeiten, attraktiveren Jobangeboten und zum Teil mit der politischen Situation im Heimatland. Dem Statistikamt zufolge arbeiten sie vor allem im Baugewerbe, dem Gesundheitswesen sowie in der Industrie.

In der Heimat büßt die bislang dominierende Industrie als Arbeitgeber an Bedeutung ein. Laut Statistikamt waren 2019 noch 700.000 Menschen in dem Wirtschaftszweig beschäftigt (27 Prozent aller Beschäftigten). Im Jahr 2023 waren es 55.000 weniger (25 Prozent). Gerade für junge Menschen verliert das verarbeitende Gewerbe an Attraktivität. Das liegt an der geringen Flexibilität der Arbeitszeit und des Arbeitsortes und an der Bezahlung, die sich weniger dynamisch entwickelt als im Dienstleistungssektor.

Außerdem investieren die Fabriken wegen des Personalmangels immer mehr in Automatisierung. Die Slowakei verzeichnete 2022 laut der Publikation "World Robotics 2023 - Industrial Robots" den höchsten Zuwachs an neu installierten Industrierobotern in Mittelosteuropa. Mit 157 Robotern je 10.000 Industriebeschäftigten liegt das Land über dem globalen Durchschnitt.

Ausländische Arbeitskräfte sorgen für Entlastung

Wegen des Personalmangels wirbt die Slowakei verstärkt Arbeitskräfte außerhalb der EU an. Im Frühjahr 2024 beschloss die Regierung neue Regelungen: 

  • nationale Arbeitsvisa für 35 weitere Berufsgruppen 
  • statt 2.000 jährlich bis zu 10.000 solcher Visa.

Im März 2024 hatten fast 27.000 Arbeitnehmende aus Drittstaaten eine Arbeitserlaubnis. Sie kommen meist aus der Ukraine, Serbien und Indien.

Eine Sonderregel gilt für Ansässige aus Drittstaaten, deren Familien und für Geflüchtete mit Schutzstatus. Sie können ohne Arbeitsgenehmigung auf Basis einer "Informationskarte" (wird vom Arbeitgeber an die Arbeitsämter geschickt) arbeiten. Ende März 2024 nutzten über 44.000 Drittstaatler diese Möglichkeit.

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