Wirtschaftsausblick | Spanien
Spaniens Wirtschaftswachstum sticht im EU-Vergleich hervor
Der private Konsum und der Tourismusboom beleben 2024 die spanische Wirtschaft. Im Jahr 2025 sollen auch die Investitionen wieder eine größere Rolle spielen.
02.12.2024
Von Friedrich Henle | Madrid
Top-Thema: Wiederaufbau in Valencia
Als am 29. Oktober 2024 starker Regen in der Region Valencia einsetzte, waren die Folgen noch nicht abzusehen. Mittlerweile sind die Dimensionen klarer. Die Überschwemmungen forderten über 200 Tote und große wirtschaftliche Schäden für viele Haushalte, Unternehmen und bei der Infrastruktur. Die Regionalregierung kalkuliert mit einer Schadenssumme von etwa 30 Milliarden Euro.
Unmittelbar nach der Naturkatastrophe hat die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez umfangreiche Hilfspakete auf den Weg gebracht. Diese belaufen sich in der Summe auf mittlerweile 14,4 Milliarden Euro, davon 5 Milliarden in Form von Garantien der nationalen Förderbank ICO. Zusätzlich hat die Europäische Investitionsbank eine Kreditlinie in Höhe von 900 Millionen Euro bereitgestellt. Weitere Hilfsmittel wurden bei der EU bereits beantragt.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum deutlich über dem EU-Durchschnitt
Spanien positioniert sich mit einer realen Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3 Prozent für 2024 in der Spitzengruppe der EU-Mitgliedstaaten. Nur für Kroatien, Malta und Zypern erwartet die EU-Kommission ein noch höheres Wirtschaftswachstum. Ihre Mitte November 2024 veröffentlichte Herbstprognose beziffert das durchschnittliche BIP-Wachstum in der EU auf 0,9 Prozent. Gründe für die nach oben korrigierten Aussichten für Spanien sind anderem die gestiegenen öffentlichen und privaten Konsumausgaben. Für das Jahr 2025 erwartet die EU-Kommission einen BIP-Anstieg von 2,3 Prozent, getrieben vor allem durch die Zunahme der Investitionen.
Der boomende Tourismus heizte zuletzt vor allem das Wirtschaftswachstum auf den Inseln und in der Hauptstadt Madrid an. Der Einnahmenrekord von 2023 mit 109 Milliarden Euro aus dem Auslandstourismus soll 2024 abermals übertroffen werden.
Positiv für die wirtschaftliche Entwicklung wirken die 77,2 Milliarden Euro Zuschüsse des Programms NextGenerationEU. Inklusive zusätzlicher Kredite aus der Aufbau- und Resilienzfazilität kann Spanien 164 Milliarden Euro an Hilfen für den Zeitraum 2021 bis 2027 einplanen.
Investitionen: Stärkerer Anstieg im Jahr 2025 erwartet
Bei den Investitionen erwartet die EU-Kommission erst 2025 eine deutliche Besserung. Sie beziffert deren Zunahme auf 3,2 Prozent, nach 2 Prozent im laufenden Jahr 2024. Dabei sollen die Ausrüstungsinvestitionen mit einem Plus von 4,2 Prozent am stärksten steigen. Bei den öffentlichen Investitionen ist mit 3,1 Prozent Zuwachs zu rechnen. Einen großen Anteil daran haben EU-Fördermittel und große Infrastrukturprojekte, zum Beispiel im Eisenbahnsektor.
Die Bauinvestitionen sollen 2025 um 2,9 Prozent zunehmen. Derzeit fließen zum Beispiel mehr Gelder in Logistikprojekte und in Rechenzentren. Nur die Aussichten für den Wohnungsbau sind etwas schwächer. Dabei fehlen in den Ballungsräumen sehr viele bezahlbare Wohnungen.
Konsum: Mehr Arbeitsplätze und reale Lohnzuwächse
Der private Konsum wird laut der EU-Kommission 2025 mit 2,2 Prozent etwas schwächer zunehmen als im Jahr 2024 (2,5 Prozent). Der starke Wert im laufenden Jahr 2024 ist auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze zurückzuführen und auf reale Einkommenszuwächse eines Großteils der arbeitenden Bevölkerung. Geholfen hat dabei auch ein stärkerer Rückgang der Inflation als ursprünglich angenommen (2024: 2,8 Prozent). Dennoch bleiben die hohen Lebenshaltungskosten für viele Menschen ein großes Problem. Insbesondere in den Großstädten zählen die Mieten und Kaufpreise für Immobilien zu den Kostentreibern.
Außenhandel: China, Deutschland und Frankreich stehen im Fokus
Beim Außenhandel erwartet die EU-Kommission eine anhaltende Belebung. Für die Importe von Waren und Dienstleistungen beträgt die Prognose 2024 plus 3,5 Prozent. Die Zunahme der Exporte wird für 2024 auf plus 2,8 Prozent beziffert. Im Warenhandel sind andere EU-Staaten die wichtigsten Zielmärkte. Für die großen Absatzmärkte Deutschland und Frankreich fallen die konjunkturellen Erwartungen für 2024 und 2025 eher gedämpft aus. Daher steigen auch die Risiken für die spanische Exportwirtschaft.
Viele Exportunternehmen in Spanien kämpfen mit steigenden Kosten und sorgen sich deshalb um ihre Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere im Vergleich zur Konkurrenz außerhalb der EU. Die lokale Wirtschaft fürchtet die hohen Importe von Pkw zu Niedrigpreisen aus China, trotz der eingeführten EU-Sonderzölle. Der chinesische Hersteller Chery Automobile will als erster chinesischer Produzent in Spanien Fahrzeuge herstellen. Als Standort hat Chery Barcelona ausgewählt.
Deutsche Perspektive: Optimismus in eigener Sache und Sorge um die Nachfrage
Das Konjunkturbarometer der AHK Spanien von Herbst 2024 zeigt unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Konjunktur in Spanien und der Lage im eigenen Unternehmen. Die Entwicklung der Wirtschaftslage in Spanien sehen drei Viertel der befragten Mitgliedsfirmen positiv, genauso wie in der Frühjahrsausgabe des Barometers. Auf der anderen Seite hat der Anteil der Unternehmen zugenommen, die ihre eigene Lage aktuell und zukünftig kritischer sehen. Hier mag die schwierigere konjunkturelle Lage in Deutschland eine Rolle spielen.
Im bilateralen Warenhandel gibt es aus deutscher Sicht diese Erfolgsmeldung: 2023 konnte man sich wieder als wichtigstes Lieferland Spaniens positionieren und damit China ablösen. Zudem stiegen die Exporte in den letzten Jahren stärker als die Importe, der Handelsüberschuss nahm also zu. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 beliefen sich die deutschen Ausfuhren von Waren nach Spanien laut Destatis auf rund 41 Milliarden Euro und die Importe aus Spanien auf 29 Milliarden Euro. Damit dürften im Warenaustausch 2024 ähnliche Werte wie im Vorjahr erzielt werden.
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