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Spanische Baukonzerne brauchen Partner auf Auslandsmärkten
Spanien zählt zu den führenden EU-Ländern im Auslandsbau. Konzerne wie ACS setzen zahlreiche internationale Projekte um. Das kann deutschen Firmen Kooperationschancen ermöglichen.
20.06.2024
Von Oliver Idem | Madrid
Bau- und Infrastrukturkonzerne aus Spanien setzen viele Vorhaben auf Auslandsmärkten um. Besonders ausgeprägt ist ihre Präsenz auf dem amerikanischen Kontinent. Die Unternehmen akquirieren Aufträge für Neubauprojekte und Sanierungen im Hoch- und Tiefbau und bewerben sich um Konzessionen. Nach der Coronakrise gelang es ihnen, an der Belebung ausländischer Märkte teilzuhaben und ihre starke Position zu verteidigen. Die wachsende Weltbevölkerung und zunehmende Urbanisierung versprechen in Zukunft weitere Geschäftschancen.
Expertise kann ein Türöffner zur Kooperation werden
Deutschland verfügt - anders als Spanien - nicht mehr über Generalauftragnehmer, die anspruchsvolle Großprojekte im Ausland umsetzen können. Für innovative deutsche Unternehmen der Baubranche und Materialzulieferer können darum spanische Baukonzerne Türöffner für das Auslandsgeschäft sein. Dem Vernehmen nach wird diese Möglichkeit bislang aber kaum genutzt.
Kooperationschancen hängen für ausländische Firmen vom Bedarf des jeweiligen spanischen Unternehmens an Technologie oder Know-how ab. Nach einem gemeinsam durchgeführten Projekt steigen die Chancen auf eine erneute Zusammenarbeit. Entscheidend ist, dass der potenzielle spanische Partner auch über die Leistungen eines deutschen Unternehmens informiert ist. Erst dann kann es an passender Stelle in Projekte einbezogen werden.
Nicht nur spanische Unternehmen haben Chancen auf gemeinsame Vorhaben
Häufig arbeiten die großen Bauunternehmen aus Spanien auf internationalen Märkten mit spanischen Ingenieurbüros zusammen. Je nach Projektgröße und -komplexität kommen weitere Partner hinzu.
Bei den Projekten ist nicht immer leicht zu durchschauen, wer wo mit wem zusammenarbeitet oder wie akquiriert wird. Zu manchen Vorhaben sind ausführliche Informationen verfügbar, zu anderen nur die Grundzüge der Planung. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen aber, dass für spanische Unternehmen auch andere Partner als spanische oder solche auf dem Zielmarkt in Frage kommen.
Da die spanische Baubranche fest in einheimischer Hand ist, könnten für ausländische Partner die Projekte auf Drittmärkten bessere Perspektiven bieten als in Spanien selbst. Im Idealfall steigen durch den Kooperationspartner zudem die Chancen, in der Folge einen Fuß in den spanischen Markt zu bekommen.
Unternehmen | Umsatz 2022 | davon Auslandsumsatz |
---|---|---|
Grupo ACS/Hochtief | 35.626 | 34.137 |
Ferrovial | 10.520 | 9.290 |
Acciona | 6.274 | 4.833 |
Sacyr | 6.440 | 4.326 |
FCC | 8.218 | 3.663 |
OHLA | 3.037 | 2.420 |
Comsa | 933 | 317 |
Die Gruppe ACS ist der Platzhirsch unter den internationalisierten spanischen Baukonzernen. Der Hauptkonkurrent Ferrovial hat seine Zentrale in die Niederlande verlegt, wird aber weiterhin zumeist als spanischer Akteur wahrgenommen.
Auch andere führende Bau-, Infrastruktur- und Konzessionsunternehmen wie Sacyr, FCC und OHLA sind stark diversifizierte Mischkonzerne. Sie sind während des Baubooms bis 2007 auf dem Inlandsmarkt gewachsen und dominieren diesen. Durch die darauffolgende Krise haben sie ihr Engagement im Ausland verstärkt und erwirtschaften dort häufig den Großteil ihres Umsatzes. Für die meisten der führenden Bauunternehmen ist das Auslandsgeschäft längst zur wichtigsten Tätigkeit herangereift.
Breites Portfolio an Projekten und Schwerpunktländern
Die aktuellen Projekte mit dem höchsten Wert vermitteln einen Eindruck von der Breite des Portfolios der spanischen Auslandsbauunternehmen. Der amerikanische Kontinent, Asien und Australien stehen oben auf der Liste. Zudem wird die Bedeutung lokaler Tochterunternehmen wie Leighton und Turner für die Umsetzung von Vorhaben deutlich.
Mit Iberdrola befindet sich auch ein Energieversorger in der Liste, da das Unternehmen massiv die britische Energieinfrastruktur ausbaut. ACS und Ferrovial engagieren sich stark im Gebäudebau. Hohe Umsätze mit Wasserprojekten erzielen Acciona, FCC, ACS, Ferrovial und OHLA.
Ähnlich führend sind spanische Branchenunternehmen im Verkehrssektor. Hier ragen im internationalen Vergleich besonders ACS, Ferrovial, Sacyr und Acciona heraus. Einzig im Industriebau fällt die spanische Präsenz im Ausland schwächer aus als in den anderen Zweigen.
Bauträger | Vorhaben | Projektwert | Details |
---|---|---|---|
Iberdrola (Scottish Power) | Stromnetzausbau und mehr Produktion aus erneuerbaren Energien im Vereinigten Königreich | 13.800 | Investitionsvorhaben des Tochterunternehmens von Iberdrola im Zeitraum 2024-2025 |
Eastern Green Link, Scottish Power | Unterwasserleitung für Grünstrom zwischen Schottland und Nordengland | 3.800 | Baugenehmigung erhalten. Im Projektdesign. Baubeginn 2025. |
Grüner Wasserstoff und Ammoniak Anlage in Norden Australiens, Tecnicas Reunidas
| Mit dem lokalen Partner Allied Green Ammonia soll ein Industriekomplex zur Wasserstoffproduktion aufgebaut werden. | ca. 8000 | In Planung. |
Flughafenerweiterung JFK in New York, Ferrovial | Die erste Bauphase der Erweiterung des Terminals 1 wurde begonnen. Geplante Inbetriebnahme 2026 | ca. 6000 | Abbrucharbeiten begonnen. |
Anlagen zur Fraktionierung von verflüssigtem Erdgas in Saudi-Arabien, Tecnicas Reunidas | Tecnicas Reunidas und der chinesische Baukonzern Sinopec Engineering Group haben zwei Ausschreibungen für den Bau neuer Anlagen zur Fraktionierung von Erdgas gewonnen. Auftraggeber: Erdölgesellschaft Aramco. | 3.000 | Vor dem Baubeginn |
Hochbahnstrecke in Kanada, Dragados (gehört zu ACS) | Die Provinz British Columbia hat den Bauauftrag für 16 Kilometer Eisenbahnstrecke zwischen Survey und Langley in Vancouver an Dragados vergeben. | 2.850 | In der Planungsphase |
Bau des Stadions der Tennessee Titans, Turner (gehört zu ACS) | Das neue Stadion in Nashville soll mit einem lichtdurchlässigen Dach ganzjährig Veranstaltungen ermöglichen. Eröffnungsdatum 2027 | 2.700 | Vor dem Baubeginn |
Krankenhaus- Erweiterung in Hong Kong, Leighton Asia (gehört zu ACS) | Die chinesische Filiale von ACS hat den Auftrag für ein neues Krankenhausgebäude mit 1.500 Betten im Norden der Stadt erhalten. Das Projekt soll mit China Railway First Group zusammen umgesetzt werden. | 2.600 | In der Planungsphase |
Markterfahrene Baukonzerne sind auch gemeinsam als Konsortium erfolgreich
Die führenden Baukonzerne bewegen sich in einem Spannungsfeld aus Konkurrenz und Kooperation. Dies wird auf dem australischen Markt deutlich. Acciona und ACS sicherten sich einzeln Großaufträge für das Hochspannungsnetzprojekt Humelink in New South Wales mit insgesamt 700 Kilometer Leitungen.
Die beiden Schwergewichte der spanischen Baubranche sind in Australien jedoch auch als Tandem erfolgreich. Im Dezember erhielten ACS und Acciona den Zuschlag für ein Metroprojekt in Melbourne. Dort werden die beiden Unternehmen gemeinsam mit Ghella aus Italien 16 Kilometer Bahnstrecke unter der Erde bauen.
Ebenfalls im Dezember 2023 erhielten die Partner gemeinsam mit Aecom aus den USA den Zuschlag für ein 2,3 Milliarden Euro teures Autobahnprojekt ebenfalls in Melbourne. Zudem arbeiten ACS und Acciona zusammen am neuen internationalen Flughafen Western Sydney sowie an einer Eisenbahnlinie zwischen Melbourne und Brisbane.
Auf dem afrikanischen Kontinent setzen spanische Bauunternehmen hingegen seltener Vorhaben um als in ihren Schwerpunktregionen. Dennoch wird auch dieser Markt bearbeitet, zum Beispiel von Eductrade. Seit 2020 sicherte sich das Unternehmen zehn Aufträge im Gesamtwert von 400 Millionen Euro. Ein aktuelles Beispiel ist ein Krankenhausprojekt im Senegal. Gemeinsam mit Quantum aus Spanien renoviert Eductrade das Universitätskrankenhaus Aristide le Dantec in Dakar.