Wirtschaftsumfeld | USA | Konjunktur
US-Konjunktur setzt zur harten Landung an
In kürzester Zeit hat sich die amerikanische Wirtschaft vom Kraftprotz zum Sorgenkind gewandelt. Die Schwäche könnte weit bis ins Jahr 2026 anhalten.
17.04.2025
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Donald Trumps Zickzackkurs in Sachen Handelspolitik schockt das Ausland und kommt auch bei der eigenen Bevölkerung nicht gut an. Bei den meisten Marktteilnehmern löst er eine Mischung aus Ratlosigkeit und Angst aus. Ökonomen sprechen auch von einer "Unsicherheitssteuer", mit welcher der US-Präsident das Land überzieht. An den US-Börsen stehen laut dem "Furcht-Gier-Index" des Nachrichtensenders CNN seit März 2025 die Zeichen durchweg auf der untersten Stufe ("extreme Angst"). Der "Fear and Greed Index" wird von Anlegern zur Bewertung der Börsenstimmung verwendet.
Gemäß einer Umfrage von CBS News und YouGov von Mitte April 2025 lehnen nahezu zwei Drittel der Bevölkerung die Zollpolitik ab. Das hat nachvollziehbare Gründe: Eine Mehrheit besitzt (zumeist über ihre Rentenversicherung) Aktien und ist durch die sinkenden Kurse seit dem Amtsantritt Trumps auf dem Papier ärmer geworden. Dieser sogenannte Vermögenseffekt wirkt sich in der Regel immer negativ auf den Konsum aus.
Verbrauchervertrauen fällt rasant
Im März 2025 entwickelte sich der Einzelhandelsumsatz zwar noch positiv. Doch dafür waren vor allem Hamsterkäufe verantwortlich. Die Haushalte legten sich aus Angst vor zollbedingten Preiserhöhungen einen Vorrat an. Nachdem Anfang April 2025 umfangreiche Zölle in Kraft traten, kam dieser Konsumtrend zum Erliegen. Der Index zum Verbrauchervertrauen der Universität Michigan fiel in diesem Monat auf den zweitniedrigsten Wert seit 1952.
Die Kurve könnte weiter nach unten gehen, denn die Amerikaner sorgen sich zunehmend um ihren Arbeitsplatz, ergab im April 2025 eine Erhebung der Notenbank von New York. Die Investmentbank Morgan Stanley erwartet, dass die Erwerbslosenquote, die zu Beginn von Trumps Amtszeit bei 4 Prozent lag, bis 2026 auf 5 Prozent steigt. Das hört sich nicht dramatisch an. Doch bei 4 Prozent herrscht nach ökonomischer Definition Vollbeschäftigung, während es bei 5 Prozent zur unfreiwilligen Arbeitslosigkeit kommt.
Steigende Inflationserwartungen
Die Verbraucher gehen zudem von stark steigenden Preisen aus. Im April rechneten sie gemäß der Universität Michigan für die nächsten zwölf Monate mit einer Inflation von fast 7 Prozent. Dabei handelt es sich um den höchsten Wert seit der Ölkrise von 1981. Tatsächlich lässt sich bereits seit Anfang April ein Inflationsschub erkennen. Einzelhändler strichen als Erstes ihre Rabatte zusammen. Das macht sich insbesondere beim Pkw-Kauf bemerkbar, berichtete der Vertreter eines deutschen Automobilkonzerns im Gespräch mit Germany Trade & Invest.
Der Privatverbrauch steuert 70 Prozent zur Verwendung des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Schwächelt er, reißt er die Gesamtkonjunktur mit sich. Zugleich ist von der Investitionsseite kaum Entlastung zu erwarten. Die meisten Firmen sind genauso verunsichert wie die Verbraucher. Auf welcher Grundlage sollen sie ihre Investitionsplanung durchführen, wenn niemand weiß, was nächste Woche, geschweige denn in ein bis zwei Jahren passieren wird?
Auch am Bau herrscht Flaute. In den ersten zwei Monaten 2025 stiegen die privaten Bauleistungen nominal nur um 1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Real gerechnet, waren sie damit rückläufig. Selbst im bislang boomenden Fabrikbau fiel der Zuwachs mit 5 Prozent ungewöhnlich bescheiden aus. Mit anderen Worten: Trumps Zollpolitik würgt – entgegen ihrer Absicht – Investitionen im produzierenden Gewerbe ab.
Wohl keine Rezession im Jahr 2025
Eine Rezession der amerikanischen Wirtschaft zeichnet sich immer deutlicher als Möglichkeit ab. Viele Analysehäuser und Banken bewerteten die Wahrscheinlichkeit Mitte April 2025 mit rund 50 Prozent. Laut der Prognosemarktplattform Kalshi hatte sich die entsprechende Quote zwischen Mitte Januar und Anfang April von unter 20 Prozent auf zwei Drittel erhöht. Nach der teilweisen Rücknahme von Zöllen ging sie bis Mitte April 2025 wieder etwas zurück.
Allerdings bedeutet eine Rezession nach amerikanischer Lesart lediglich, dass die Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander schrumpft. Für das Gesamtjahr kann damit immer noch ein Plus herausspringen. Davon gehen – wohlgemerkt noch – die allermeisten Finanz- und Forschungsinstitute aus. Dennoch steht den Vereinigten Staaten eine harte Landung bevor, denn 2023 und 2024 war die Wirtschaftsleistung um jeweils knapp 3 Prozent gewachsen, so das Bureau of Economic Analysis.
Wahrscheinlichkeit einer Deeskalation im Zollkonflikt nur bei 5 Prozent
Für 2026 erwarten die Analysten keine durchgreifende Besserung. Der durch die Handelspolitik ausgelöste Vertrauensverlust führt ihrer Meinung nach zu einem dauerhaften ökonomischen Schaden. Dieser lasse sich selbst bei einem raschen "Deal" kaum abwenden. Zudem geht fast niemand davon aus, dass es zu einer solchen Deeskalation im Zollkonflikt kommt: Morgan Stanley schätzt die Wahrscheinlichkeit dafür auf nur 5 Prozent.
Längere Phase niedrigen Wachstums bei hoher Inflation möglich
Damit treten die USA womöglich in eine Phase, die Ökonomen als Stagflation bezeichnen. Sie ist gekennzeichnet durch ein niedriges Wachstum, zugleich steigen Arbeitslosigkeit und Inflation. Eigentlich wird sie durch externe Schocks ausgelöst – wie die Ölkrisen in den 1970er- und 1980er-Jahren. Dass auch eine erratische Zollpolitik eine Stagflation initiieren kann, dürfte den Erfahrungsschatz der Wirtschaftswissenschaften bereichern.