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Wirtschaftsumfeld | Südkorea | De-Risking

Südkorea will kritische Abhängigkeiten reduzieren

Mit einer umfassenden Strategie will die Regierung die Lieferketten resilienter gestalten. Die Positionierung zwischen China und den USA bleibt für Südkorea ein Balanceakt.

Von Katharina Viklenko | Seoul

Durch die geografische Nähe ist Südkoreas Handel eng mit China verflochten. Kritisch sind hohe Rohstoffimporte, aber auch als Absatzmarkt ist die Volksrepublik bedeutend. Laut Angaben des Ministry of Trade, Industry and Energy (MOTIE) fiel Südkoreas Abhängigkeit von China bei zahlreichen Produkten hoch aus, etwa bei Nickel-Cobalt-Mangan-Präkursoren (Importanteil von 98,6 Prozent im Jahr 2022), Lithiumhydroxid (87,9 Prozent), bei Elektrolyten für die Herstellung von Sekundärbatterien (69,5 Prozent) sowie bei Seltenerd-Permanentmagneten (87,5 Prozent).

Die Nationale Sicherheitsstrategie der Regierung um Yoon Suk-yeol führt den zunehmenden Wettbewerb zwischen China und den USA als zweite von vier Herausforderungen von nationaler Bedeutung an. Südkorea erwartet, dass eine Umstrukturierung der globalen Halbleiter- und Batterieindustrie unvermeidlich ist. Während die Regierung weiterhin die bilaterale Zusammenarbeit mit China fördert, will sie zugleich die Lieferketten für kritische Produkte diversifizieren. Erfahrungen von wirtschaftlichem Druck durch China, etwa nach der Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD 2017 in Südkorea, machen die Positionierung Südkoreas zwischen China und den USA jedoch zu einem Balanceakt.

De-Risking Maßnahmen in Südkorea

  • 10 Punkte-Plan für industrielle Lieferketten ("3050 Strategy")
  • Zusammenarbeit mit Drittstaaten intensivieren
  • Diversifizierung durch Investitionen in den USA und in Südostasien

Südkorea verabschiedet Lieferkettenstrategie

Im Dezember 2023 verkündete die Regierung die "Industrial Supply Chain Strategy", kurz "3050 Strategy". Damit will Südkorea seine internationale Importabhängigkeit bei 185 kritischen Produkten bis zum Jahr 2030 auf 50 Prozent verringern. Bei diesen Produkten betrug die durchschnittliche Importrate 2023 rund 70 Prozent, bei einzelnen Produktkategorien lag sie sogar bei über 90 Prozent. Die ausgewählten 185 Produkte werden in drei Bereiche unterteilt: a) strategische Hightech-Industrien, b) Schwerpunkt- und neue Industrien und c) Grundstoffindustrien.

Die Auswahl der Produktgruppen, bei denen der Importanteil reduziert werden soll, basiert auf einer Untersuchung des MOTIE im Jahr 2022. Sie identifizierte etwa 1.700 Produkte mit einer Abhängigkeit von mehr als 50 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Produkte war Südkorea auf Einfuhren aus China angewiesen, bei 16 Prozent aus Japan und 8,5 Prozent aus den USA. So zielt die Strategie nicht nur auf Importe aus China. Wegen des hohen Einfuhranteils richten sich die Maßnahmen aber primär auf die Volksrepublik.

Zehn-Punkte-Plan soll Abhängigkeit senken

Um die Abhängigkeit von Importen bei den ausgewählten Produkten zu reduzieren, verfolgt das MOTIE drei Kernziele: Selbstversorgung, Diversifizierung der Importe und Rohstoffsicherung. Die Strategie umfasst zehn Maßnahmen und acht Leitprojekte für ausgewählte Produkte.

Zehn-Punkte-Plan im Rahmen der "Industrial Supply Chain 3050 Strategy"
  1. Einrichtung eines Fördersystems zur Sicherung der Lieferketten unter Zusammenarbeit von unterschiedlichen Ministerien
  2. Ausbau eines Frühwarn- und Betrieb eines Reaktionssystems im Krisenfall
  3. Ausbau einer unabhängigen Produktionsbasis für wichtige Produkte in Südkorea
  4. Frühzeitige Entwicklung von Kerntechnologien und Bau von Produktionsanlagen (Ausweitung von F&E für bestimmte Artikel)
  5. Anwerbung von Auslandsinvestitionen und Ausweitung der inländischen Produktionskapazität
  6. Diversifizierung von Importquellen zur Reduzierung des Lieferkettenrisikos 
  7. Unterstützung bei M&A und Firmenübernahmen zur Diversifizierung von Produktionsstandorten (etwa Reduzierung der Körperschaftssteuer; finanzielle Unterstützung bei Verlagerung von Produktionsstandorten in Drittländer)
  8. Ausbau öffentlicher Lagerbestände für bedeutende Rohstoffe und Unterstützung bei Sicherung privater Lagerbestände
  9. Ausbau der Zusammenarbeit mit ressourcenreichen Ländern und Unterstützung privater Vorhaben (etwa Ausweitung von Sonderkrediten für private Ressourcenentwicklung im Ausland und Steuerermäßigungen für Auslandsinvestitionen zum Erwerb von Bergbaurechten)
  10. Entwicklung von Recyclingtechnologien und Ersatz durch alternative Produkte 
Quelle: Ministry of Trade, Industry and Energy 2023

Zusammenarbeit mit Drittstaaten wird intensiviert

Erste Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie wurden im Januar 2024 angekündigt. Dazu zählen die Erhöhung des F&E-Budgets für bestimmte Produkte, finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung eigener Technologien sowie Förderung bei der Erschließung alternativer Importquellen. Besonderes Augenmerk gilt KMU, die etwa von höheren Obergrenzen bei Einfuhrversicherungen für Rohstoffe der Korea Trade Insurance Corporation profitieren können.

Daneben verstärkt Südkorea die Zusammenarbeit mit der EU, um Lieferketten bei Batterien, Halbleitern und weiteren Industrien zu sichern. Besonders aktiv ist die Korea Eximbank, die Partnerschaften mit Drittländern zur Stabilisierung der Lieferketten verfolgt, darunter Absichtserklärungen mit Deutschland über die KfW sowie mit Australien und Kanada.

Exportfinanzierung unterstützt Erschließung neuer Absatzmärkte

Die Financial Services Commission kündigte im August 2023 die Bereitstellung von Finanzmitteln über öffentliche und private Banken von rund 17,4 Milliarden US-Dollar (US$) für Exporteure an. Zusätzliches Budget von mehr als 2,5 Milliarden US$ steht für die Erschließung neuer Absatzmärkte bereit. Als vielversprechende Exportländer gelten unter anderem Indien, Mexiko, Indonesien, Australien, Kanada, VAE und Usbekistan. Insbesondere KMU werden mittels Sondergarantien und niedrigen Bankzinsen gefördert.

USA als Investitionsziel stärker im Fokus

Südkoreanische Unternehmen reduzieren zunehmend ihre Aktivitäten in China, vor allem wegen steigendem Wettbewerb durch lokale Anbieter sowie der sinkenden Rentabilität. Aber auch US-Regulierungen wirken sich auf Entscheidungsprozesse aus. Um in den Genuss von Vorteilen des Inflation Reduction Act in den USA zu kommen, müssen etwa kritische Materialien und Batteriekomponenten von Elektroautos zu vorgegebenen Anteilen aus den Vereinigten Staaten stammen oder aus Ländern, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen haben.

Im Jahr 2023 war China erstmals seit 1992 nicht mehr unter den Top-Fünf-Empfängerländern südkoreanischer Investitionen. Hingegen investieren südkoreanische Firmen deutlich stärker in den USA, vor allem in Halbleiter und Batterien. Die Batterieindustrie ist ein Musterbeispiel für die Verringerung der Rohstoffabhängigkeit von China. Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten betrugen laut der Export-Import Bank of Korea seit 2021 jährlich fast 30 Milliarden US$. Damit strukturieren Unternehmen des Landes ihre globalen Lieferketten um. Die Investitionen in den USA dürften auch in den kommenden Jahren hoch bleiben. Daneben bauen Firmen die Produktion in südostasiatischen Ländern weiter aus.

Ausgewählte Empfängerländer südkoreanischer Direktinvestitionen im Ausland *Flussgrößen in Millionen US-Dollar
Empfängerland

2018

2021

2022

2023

USA

11,2

27,9

29,4

27,7

EU (28)

10,1

9,7

11,9

9,2

ASEAN

6,8

9,0

8,9

7,1

China

4,8

6,7

8,5

1,9

Hongkong, SVR

3,6

0,9

0,9

0,3

Gesamt

51,8

76,9

81,5

63,4

* Bruttoinvestitionen, wieder abgezogene Investitionen oder Abschreibungen werden nicht gegengerechnetQuelle: Export-Import-Bank of Korea 2024; Berechnungen von Germany Trade & Invest

Veränderte Handelstrends könnten auf Umstrukturierung hindeuten

Im Warenhandel ist China Südkoreas bedeutendster Import- und Absatzmarkt. Bei südkoreanischen Exporten erreichte Chinas Bedeutung 2018 einen Höhepunkt mit einem Anteil von 26,8 Prozent am Gesamtexport. Der Anteil fiel 2023 erstmals seit 2005 auf unter 20 Prozent. Bei den Importen ist der Anteil stabiler und erreichte 2023 etwas mehr als 22 Prozent. Durch stark gesunkene Ausfuhren erzielte Südkorea im vergangenen Jahr erstmals ein Handelsdefizit mit China von 18 Milliarden US$. Zugleich erreichte der Handelsüberschuss mit den USA 2023 einen Höchstwert von knapp 45 Milliarden US$.

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