Branchen | Taiwan | Tourismus
Taiwan setzt verstärkt auf Tourismus
Die Regierung will die Tourismusbranche als Wirtschaftssektor künftig stärker in den Fokus rücken. Sie erwartet deutlich steigende Besucherzahlen.
01.06.2023
Von Alexander Hirschle | Taipei
Taiwan gilt als attraktives, aber noch unterschätztes Reiseziel in Asien. Im Vergleich zu Tourismusmagneten wie China oder Thailand waren die Besucherzahlen mit jährlich rund 10 Millionen bis 11 Millionen Ankünften auch vor der Coronapandemie relativ niedrig. Doch in den ersten Monaten 2023 gab es überraschend hohe Zuwächse. Für das Gesamtjahr prognostiziert das zuständige Transportministerium MOTC (Ministry of Transportation and Communication) 6 Millionen internationale Touristen. Während der Covid-19-Pandemie zog es 2021 lediglich 140.000 Besucher und 2022 knapp 900.000 Ausländer auf die Insel. Bis Oktober 2022 hatte sich Taiwan mit strengen Quarantänemaßnahmen von der Außenwelt abgeschottet.
Ministerium rechnet mit deutlich steigenden Besucherzahlen
Trotz der starken Steigerung lagen die Besucherzahlen im 1. Quartal 2023 immer noch bei nur rund 30 Prozent des Vorkrisenniveaus. Ob die optimistischen Prognosen für 2023 eintreffen werden, ist nach Einschätzung von Branchenexperten angesichts der weltweit steigenden Inflation fraglich. Spätestens 2024 könnte sich die Zahl der Touristen noch einmal auf 12 Millionen verdoppeln und damit wieder etwa das Niveau vor der Pandemie erreichen. Im bisherigen Rekordjahr 2019 begrüßte die Insel mehr als 11,8 Millionen ausländische Gäste.
Der größte Flughafen Taiwans in Taoyuan spürt die gestiegene Nachfrage. Schätzungen der Behörde CAA (Civil Aeronautics Administration) zufolge wird das Passagiervolumen 2023 zwischen 24 Millionen und 36 Millionen Menschen betragen. Dies würde 40 bis 60 Prozent des Aufkommens von 2019 entsprechen. Im Jahr 2019 wurden 59 Millionen Passagiere an den internationalen Flughäfen der Insel gezählt. Die Behörde ist optimistisch, dass dieses Niveau 2025 wieder erreicht werden kann.
Regierung fördert Tourismus
Die Regierung hält am langfristigen Ziel fest, bis 2030 jährlich rund 16 Millionen internationale Besucher auf die Insel zu locken. Zu diesem Zweck will sie allein 2023 mehr als 170 Millionen US-Dollar (US$) zur Förderung des Tourismus zur Verfügung stellen. Beispielsweise subventioniert die Regierung das Programm "Taiwan Tourist Shuttle Service", mit dem Touristen zu den schönsten Attraktionen in und um Taiwan gebracht werden.
Darüber hinaus verlost die taiwanische Regierung seit Anfang Mai 2023 Einkaufsgutscheine an ausländische Besucher im Wert von rund 160 US$ pro Kopf. Als Voraussetzung müssen sich Touristen zwischen drei und 90 Tagen auf der Insel aufhalten. Das Programm soll bis 2025 laufen.
Ostteil der Insel soll besser erschlossen werden
Ebenso werden Reiseagenturen unterstützt, Gruppen von mehr als 50 Personen in Charterflügen nach Hualien oder Taidong zu bringen. Auf diese Weise sollen weniger bekannte Ziele im Osten der Insel für den Tourismus erschlossen werden. Pressemeldungen zufolge werden diese Maßnahmen bis 2025 laufen, jedoch auf die ersten Monate des Jahres begrenzt sein, in denen wichtige lokale Feiertage wie das Chinesische Neujahrsfest oder das Laternenfest stattfinden.
Tourismusfirmen schaffen Turnaround
Die lokale Touristikbranche profitiert bereits von der Aufwärtsentwicklung und meldet positive Geschäftsergebnisse im 1. Quartal 2023. Gemäß Pressemeldungen konnte Lion Travel Service, eine der größten Reiseagenturen in Taiwan, ihren Vorjahresverlust in einen Gewinn umwandeln und das beste Resultat seit 2019 melden. Ihre Umsätze stiegen dabei um 500 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. Nach drei Jahren mit Verlusten dürfte Lion 2023 zum ersten Mal wieder Gewinn erzielen.
Der Gewinn der Restaurantkette TTFB, die 140 Geschäfte auf der Insel betreibt, verdoppelte sich im 1. Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Profit der Hotelkette FIH (Formosa International Hotels) stieg von Januar bis März 2023 um mehr als 40 Prozent. Auch die durchschnittliche Auslastung von Hotels in Taiwan dürfte sich 2023 erhöhen. Im Vorjahr 2022 musste mit durchschnittlich 48 Prozent der viertniedrigste Wert in der Branchengeschichte hingenommen werden.
Mehrere neue Hotels geplant
Trotz steigender Preise für Vorprodukte und Mangel an Arbeitskräften sind einige größere Hotelprojekte in Taiwan geplant. Vor allem die Hauptstadt Taipei will sich stärker als Zentrum für internationale Messen und Veranstaltungen etablieren, nachdem die MICE-Industrie (Meetings, Incentives, Conferences and Exhibitions) während der Coronapandemie massive Besuchereinbrüche beklagt hatte.
Four Seasons Hotels and Resorts wird gemeinsam mit dem lokalen Partner Yuanlih Group ein neues Fünf-Sterne-Hotel im Xinyi-Distrikt im Zentrum von Taipei hochziehen. Die beiden Partner gaben das Vorhaben im Februar 2023 in den lokalen Medien offiziell bekannt. Es soll 260 Zimmer auf 31 Stockwerken beherbergen, die Arbeiten bis 2025 abgeschlossen sein.
Der Wettbewerb um zahlungskräftige Gäste in Taipei wird noch intensiver, da auch der Private-Equity-Fonds Riant Capital Ltd. zwei weitere Projekte unter den Marken Park Hyatt und Andaz im Taipei Sky Tower (The Sky Taipei) mit 300 beziehungsweise 200 Zimmern eröffnen wird. Der Wolkenkratzer soll nach der Fertigstellung 2024 nach "Taipei 101" das zweithöchste Gebäude in Taiwan werden.
Schifffahrt, Bausektor und Nahrungsmittellieferanten profitieren
Im Bereich Schiffbau will Taiwan die Voraussetzungen für die Anlandung von Kreuzfahrtschiffen verbessern. Dafür hat die Regierung fast 150 Millionen US$ für den Bau eines "Cruise Terminals" in Kaohsiung ausgegeben. Darüber hinaus wurden Anfang 2023 fast 3 Milliarden US$ für den Bau eines weiteren Passagierterminals am Flughafen von Kaohsiung bereitgestellt.
Weitere Branchen dürften von der Wiederbelebung des Tourismus auf der Insel profitieren. Im Bausektor können sich gute Geschäftschancen für Lieferanten von Materialien und Zubehör im Rahmen der geplanten Vorhaben ergeben. Ebenso wird die Nachfrage nach hochwertigen importierten Nahrungsmitteln und Getränken steigen. Alles Bereiche, in denen "Made in Germany" einiges zu bieten hat.