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Aufwind für Tschechiens Luftfahrtbranche
Tschechiens Luft- und Raumfahrtindustrie erlebt einen Höhenflug. Die weltweite Nachfrage nach Flugzeugteilen, Drohnen und Satellitentechnik sorgt für eine gute Auftragslage.
23.07.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Tschechien wollte schon immer hoch hinaus: Ohne eigenen Meereszugang hieß das Motto bereits vor über 100 Jahren "Die Luft ist unser Meer". Entsprechend hat der Flugzeugbau eine lange Tradition. Die Bandbreite reicht von Fahrwerken, Propellern und Motoren bis hin zu kompletten Flugzeugen, Wartung und Flugsteuerung.
Auch in noch höheren Sphären spielt das Land eine wichtige Rolle. Tschechische Bauteile stecken in Beobachtungssatelliten, in Europas Trägerrakete Ariane 6 und in Forschungsrobotern auf dem Mars. Im Juni 2024 stellte Premierminister Petr Fiala "Tschechiens Reise ins All" vor. Innerhalb von fünf Jahren will Prag eine bemannte Weltraummission auf den Weg bringen, und erstmals seit 1978 soll wieder ein Tscheche ins All fliegen.
Bemannte Weltraummission geplant
Die Mission könnte der einheimischen Luft- und Raumfahrtbranche neue Impulse bescheren. Laut Regierungschef Fiala ist die Raumfahrtindustrie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der "extrem auf Innovation angewiesen ist". Vergleichbar große Länder wie Belgien, Österreich und Dänemark investierten mehr in die Entwicklung von Raumfahrttechnologien als Tschechien. Diese Lücke müsse geschlossen werden, da die Raumfahrtindustrie vielen Wirtschaftssektoren helfe.
Schon jetzt beteiligen sich rund 150 tschechische Unternehmen und Institute an europäischen Weltraumprojekten. Prag ist Sitz der EU-Agentur für das Weltraumprogramm (EUSPA), die auch den Betrieb des Satellitennavigationssystems Galileo organisiert. Die Europäische Weltraumorganisation ESA unterhält in Prag und Brno Gründerzentren und fördert dort rund 50 Start-ups.
Coronatief ist überwunden
Während der Coronapandemie durchlebte Tschechiens Luft- und Raumfahrtindustrie eine Talfahrt, als die weltweite Nachfrage nach Flugzeugen einbrach. Inzwischen ist die Branche wieder im Höhenflug. Das Ministerium für Industrie und Handel (MPO) ermittelte für 2022 einen Umsatz von rund 830 Millionen Euro, was nicht weit von den einstigen Rekordständen entfernt ist.
Das Exportvolumen lag 2023 mit rund 630 Millionen Euro fast wieder auf dem Niveau von 2019. Die wichtigsten Absatzmärkte sind Deutschland, USA und Frankreich. Neu unter den Top 4-Exportzielen ist die Ukraine.
Französische und US-Investoren sehr aktiv
Die großen Handelspartner sind in der Regel auch wichtige Investoren. Der US-Konzern Honeywell hat gleich drei Standorte in Prag, Olomouc und Brno. Er lässt dort Produkte für die Steuerung von Satelliten und Trägerraketen entwickeln.
Helikopterhersteller Bell betreut von seinem Servicezentrum in Prag Kunden in ganz Europa, passt die Hubschrauber dort individuell an und wartet sie.
Ebenfalls in Prag lässt GE Aviation Turboprop-Triebwerke für Fracht-, Agrar- und Schulungsflugzeuge bauen. Es ist die einzige Triebwerksfabrik von General Electric außerhalb der USA.
Die US-Firma Precision Castparts fertigt in Plzeň Superlegierungen aus Titan, Nickel und Edelstahl für Triebwerkshersteller wie MTU, GE, Rolls-Royce, Safran oder Pratt & Whitney.
Eine starke Position haben auch französische Investoren. Latecoere produziert in Prag Türen für den Airbus A320 sowie für Embraer und Dassault.
Safran Cabin stellt in Plzeň Bordküchen und Frachtbehälter für den Airbus A320 her sowie mobile Ruheeinheiten für die Crew des A330. Außerdem renoviert Safran Kabinen für den A320, um die Zahl der Sitzplätze zu erhöhen. Die Tochtergesellschaft Safran Test Cells erneuert in Tschechien Bodenprüfstände für Flugzeugtriebwerke.
Eine der modernsten Lackieranlagen für Flugzeuge betreibt die US-irische International Aerospace Coatings (IAC) in Ostrava. In zwei großen Hallen können dort gleichzeitig zwei Airbusse A321 einen neuen Anstrich bekommen.
Deutsche Firmen fertigen Triebwerksteile und Satellitentechnik in Tschechien
Auch deutsche Unternehmen gehören zu den Investoren. Die oberbayerische Aerotech Peissenberg gründete 2005 in Klatovy ihre Tochter Aerotech Czech. Dort bearbeitet sie feuerfeste Legierungen für Triebwerkskomponenten und liefert Teile unter anderem an Rolls-Royce.
Der Bremer Raumfahrtkonzern OHB hat in Tschechien zwei Standorte. OHB Czechspace in Brno entwickelt Produkte für die Planetenabwehrmission Hera, für das ESA-Weltraumteleskop PLATO und zur Messung von Kohlendioxid in der Atmosphäre im Rahmen der Mission CO2M. Darüber hinaus entwickelt OHB Czechspace in Tschechien Solargeneratoren, Nukleartriebwerkstechnik und optische Instrumente für das Weltraumgeschäft. "Außerdem unterstützen wir die tschechischen Satellitenmissionen AMBIC und QUVIK", erklärte OHB-Sprecherin Marianne Radel auf Anfrage von Germany Trade & Invest.
Zusammen mit Aerotech Peissenberg ist OHB an ATC Space in Klatovy beteiligt. In der hochautomatisierten Fabrik werden komplexe Aluminiumbauteile und lasttragende Strukturen für die Rakete Ariane 6 produziert.
Einheimische Hersteller stark spezialisiert
Neben den ausländischen Investoren sind Tschechiens große Stärke die rund 100 einheimischen Hersteller von Flugzeugen, Komponenten, Elektronik und Software. Führender Konzern ist Omnipol, in dem wichtige Branchengrößen vereint sind. Zu ihnen gehört Aircraft Industries, das Tschechiens größtes Flugzeug L-410 baut. Dieser zweimotorige Schulterdecker kann als Kurzstrecken- und Zubringerflugzeug bis zu 19 Passagiere befördern und wurde seit 1969 bereits mehr als 1.200 Mal produziert.
Zu Omnipol gehören weiterhin Aero Vodochody, das bei Prag Trainings- und leichte Kampfflugzeuge baut sowie die auf Radarsysteme, Flugüberwachung und Flugzeuginstrumente spezialisierten ERA und Mesit.
Unternehmen | Ort | Produkte |
---|---|---|
SEKO Aerospace | Louny bei Prag | Komponenten für Flugzeugtriebwerke, Turbinengehäuse, Verbindungsstücke (Flansche) |
Jihlavan | Jihlava | Hydraulische Geräte, elektromechanische Federbeine, Räder und Bremsen für das neue Trainingsflugzeug L-39 Next Generation |
PBS | Velka Bíteš bei Brno | Antriebseinheiten, Turbinentriebwerke für Kleinflugzeuge, Drohnen und Hubschrauber; Zündungen, Getriebe und Startergeneratoren; Feingussteile für Luft- und Raumfahrt |
Frentech Aerospace | Brno | Präzisionsmechanik, seit 1997 Zulieferer für Airbus |
Charvát AXL | Semily bei Liberec | Fahrwerke für Sportflugzeuge, Fahrwerkteile unter anderem für das Flugzeug L-410, Flugzeug-Rettungssysteme, Komponenten für Flugzeugmotoren und Propeller, Generalüberholungen von Fahrwerken |
Transcon Eletronic Systems | Frýdek-Místek | Kontroll- und Signalsysteme, Monitoring für Flughäfen, Notstromversorgung, Beleuchtung, mobile Heliports; weltweit mehr als 200 Flughäfen ausgerüstet, auch in Deutschland |
Eldis, Retia | Pardubice | gehören zum CSG-Rüstungskonzern, produzieren Radare und Flugsteuerung |
Atrak | Prag | Datenanalyse zur Luftfahrtkontrolle, gehört zum CSG-Rüstungskonzern |
Jihostroj | Velešín in Südböhmen | Hydraulikkomponenten und Kraftstoffsteuerung für Flugzeuge, darunter Kraftstoffpumpen und Dosiereinheiten |
Advanced Technology Group ATG | Prag | Werkstoffprüfung, Korrosionsanalysen, Entwicklung von Kompositmaterial; Airbus, Sikorski, GE als Kunden |
Eine starke Position hat Tschechien bei Ultraleichtflugzeugen (ULF) und leichten Sportfliegern (Light Sport Aircraft). Seit der Coronapandemie ist der Verkauf dieser Luftfahrzeuge stark angestiegen. Die wichtigsten Absatzmärkte sind die USA und Deutschland.
Unternehmen | Ort | Produkte |
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BRM Aero | Kunovice | leichte Sportflugzeuge, rund 100 Stück pro Jahr; 2009 gegründet; präsentierte 2023 ein Elektroflugzeug, das demnächst zertifiziert werden soll |
Czech Aircraft Group | Kunovice | Sportflugzeuge für Kunden in 30 Ländern |
Zlín Aircraft | Otrokovice | Sport- und Kunstflugzeuge; 1934 vom Industriellen Jan Antonín Baťa gegründet |
Zlin Aviation | Napajedla | Sport- und Ultraleichtflugzeuge, 1998 in Italien gegründet, 1999 Produktion nach Tschechien verlegt |
JMB Aircraft | Choceň | gehört zur belgischen JMB Aviation, die in Tschechien viersitzige Kleinflugzeuge produziert |
Evektor | Kunovice | Sport-, Übungs- und Ultraleichtflugzeuge, hat zweimotoriges Turboprop-Flugzeug (EV-55 Outback) für 9 Passagiere entwickelt, das aber aus finanziellen Gründen bislang nicht zur Serienreife kam |
Sonderkonjunktur beim Drohnenbau
Für große Nachfrage bei tschechischen Drohnenbauern sorgt Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Im Inland wird kritische Infrastruktur jetzt häufiger mit Drohnen überwacht.
Das Prager Unternehmen Primoco UAV will am Flughafen Písek-Krašovice bis 2027 eine Montagehalle für jährlich bis zu 250 unbemannte Luftfahrzeuge errichten. Außerdem plant das Unternehmen dort ein Test- und Entwicklungszentrum. Primoco baut mittelgroße bis große Drohnen, die bis zu 15 Flugstunden unterwegs sind und dabei 1.800 Kilometer weit kommen.
Viele Zulieferer für das Drohnengeschäft boomen ebenfalls. Mejzlík Propellers baut in Brno Propeller für Drohnen und verzeichnete in den letzten sechs Jahren ein Wachstum von rund 1.000 Prozent. Workswell produziert in Prag Drohnen-Wärmebildkameras für industrielle Inspektionen, für Such- und Rettungsmissionen und für die Landwirtschaft. Dronetag und UpVision sind spezialisiert auf Drohnensteuerung und Drohnenerkennung im Luftraum.