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Markttrends
Tschechische Betriebe und Verbraucher produzieren viel Abfall. Die Verwertung dieser Ressourcen bleibt noch hinter den europäischen Vorgaben zurück und muss optimiert werden.
17.01.2024
Von Gerit Schulze | Prag
In Tschechien steigen die Abfallmengen seit Jahren kontinuierlich an. Dafür verantwortlich sind das höhere Wohlstandsniveau, die wachsende Wirtschaftsleistung und der Boom im Onlinehandel. Nach Angaben des Statistikamtes betrug das Abfallvolumen im Jahr 2021 rund 40 Millionen Tonnen.
Hausmüllmenge steigt besonders schnell
Bei Siedlungsabfällen hat sich das Aufkommen in den letzten zehn Jahren um ein Zehntel vergrößert und erreichte 2021 rund 5,9 Millionen Tonnen. Laut Eurostat fielen pro Kopf in Tschechien 562 Kilogramm Hausmüll an. Der EU-Durchschnitt liegt bei 530 Kilogramm.
aller Wertstoffe im Hausmüll müssen ab 2025 getrennt werden.
Immer noch landet rund die Hälfte der Siedlungsabfälle auf Deponien, etwa 12 Prozent werden energetisch genutzt und nur ein Drittel wiederverwertet. Damit hat Tschechien noch großen Nachholbedarf bei Recycling und Abfallvermeidung.
Programm für die Kreislaufwirtschaft gestartet
Das spiegelt sich im Aktionsplan "Cirkulární Česko" wider, der den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft beschreibt. Die erste Phase läuft bis 2027. Geplant ist, schon beim Produktdesign die künftige Wiederverwertung stärker zu berücksichtigen und eine längere Lebensdauer zu ermöglichen. Der Anteil von Sekundärrohstoffen soll erhöht werden und mehr Produktionsabfälle in den Wirtschaftskreislauf zurückkehren. Es werden neue Recyclingtechnologien sowie die Einführung digitaler und smarter Lösungen für die Abfallwirtschaft unterstützt. Dazu gehören auch automatisierte Anlagen oder Roboter für Müllsortierung und Recycling.
Der Aktionsplan strebt an, Einwegartikel – besonders aus Kunststoff – zu reduzieren. Bei Bioabfällen wird mehr Kompostierung gefördert. Für Bauabfälle ist eine sauberere Trennung der einzelnen Bestandteile das Ziel, zum Beispiel durch selektive Demontage von Gebäuden.
Insgesamt besteht die Aufgabe darin, die Abfallmenge nicht mehr proportional zum Wirtschaftswachstum ansteigen zu lassen. Dazu beitragen kann die Förderung der Sharing Economy, also das gemeinsame Nutzen von Ressourcen.
Kommunale Sammelstellen sollen Deponien entlasten
Das tschechische Abfallgesetz schreibt den Gemeinden vor, sich um die Siedlungsabfälle auf ihrem Gebiet zu kümmern. Sie müssen Sammelstellen für gefährliche Abfälle, Papier, Kunststoffe, Glas, Metalle, Bioabfälle, Speiseöle ausweisen. Ab 1. Januar 2025 ist auch die Erfassung von Textilabfällen verpflichtend. Im Jahr 2025 sollen mindestens 60 Prozent aller Siedlungsabfälle aus getrennt verwertbaren Bestandteilen bestehen. Diese Quote steigt 2030 auf 65 Prozent und 2035 auf 70 Prozent.
Ebenso wird die Deponierung von Hausmüll erschwert. Ab 2035 dürfen höchstens noch 10 Prozent des Hausmülls (Gewicht) auf Deponien landen. Schon ab 1. Januar 2030 können keine Abfälle mit hohem Heizwert mehr abgelagert werden (mehr als 6,5 Megajoule/Kilogramm Trockenmasse), die recycelbar sind oder die bestimmte Grenzwerte der Biostabilität überschreiten. Ebenso dürfen keine gefährlichen Abfälle mehr auf die Deponie, die technisch in Sondermüllverbrennungsanlagen oder in anderen Anlagen zur stofflichen Verwertung verarbeitet werden können.
Müllverbrennung bislang kaum genutzt
Um die Deponiequote zu senken, muss auch Tschechien verstärkt auf thermische Verwertung der Siedlungsabfälle setzen. Bislang werden weniger als 4 Prozent des Abfallaufkommens verbrannt, bei Siedlungsabfällen rund 12 Prozent. Laut Amt für Hydrometeorologie (das für die Luftmessung zuständig ist) gibt es vier große Anlagen zur Hausmüllverbrennung in Prag, Brno, Liberec und Plzeň. Sie haben eine Jahreskapazität von knapp 900.000 Tonnen. Daneben verfügt das Land über 20 Verbrennungsanlagen für Industrie- und Krankenhausabfälle mit einer Kapazität von über 100.000 Tonnen. Außerdem nutzen fünf Zementwerke Abfall als zusätzlichen Brennstoff. Dort können pro Jahr 550.000 Tonnen Müll thermisch verwertet werden.
Der mit über 15 Milliarden Euro gefüllte Modernisierungsfonds der EU unterstützt Tschechien auf dem Weg zur Energiewende. Ein Schwerpunkt ist die Umstellung der Wärmeversorgung weg von fossilen Energieträgern (Programm HEAT). Dabei werden auch Projekte zur thermischen Abfallverwertung gefördert. Allerdings ist der Neubau von Müllverbrennungsanlagen ein Politikum und stößt häufig auf den Widerstand der lokalen Bevölkerung. Größere Vorhaben sind derzeit nicht in der Planung.
Tschechiens Ziele für die Abfallwirtschaft
- Abfallvermeidung und Verringerung der Abfallproduktion
- Minimale Auswirkungen der Abfallwirtschaft auf Mensch und Umwelt
- Nachhaltige Entwicklung und Übergang zur Kreislaufwirtschaft
- Nutzung von Abfällen als Ersatz für Primärressourcen
Quelle: Abfallwirtschaftsplan der Tschechischen Republik für den Zeitraum 2015 bis 2024 mit Ausblick auf 2035
Neues Pfandsystem ab 2025 geplant
Ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Abfallverwertung ist die Einführung eines Pfandsystems für Verpackungen. In diesem Segment ist die Müllmenge in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen. Das hängt vor allem mit der Coronapandemie und dem Boom beim Onlinehandel zusammen. Laut Umweltministerium fielen 2021 in Tschechien 1,44 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle an.
Bislang gibt es nur für genormte Bierflaschen ein Pfandsystem. Für Kunststoffflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) und für Dosen gab es in der Vergangenheit freiwillige Aktionen einiger Handelsketten, Anreize für die Rückgabe zu bieten. Dazu gehörten Einkaufsgutscheine oder Rabattmarken. Nun will das tschechische Umweltministerium die Sache umfassender lösen. Ein Gesetzentwurf sieht vor, auf alle PET-Flaschen und Getränkedosen ab 2025 ein Pfand von 4 Kronen (rund 16 Eurocent) zu erheben.
Für welche Verpackungen soll das neue Pfandsystem gelten?
- alle nicht alkoholischen Getränke in Kunststoffflaschen und Dosen mit einem Volumen zwischen 0,1 und 3 Litern
- für alkoholische Getränke bis 15 Prozent Alkoholgehalt
- Ausnahmen: Milch- und milchhaltige Getränke, Spirituosen mit mehr als 15 Prozent Alkoholgehalt, Glasflaschen
- Verpflichtet zur Rücknahme sind Geschäfte und Tankstellen mit mehr als 50 Quadratmetern Verkaufsfläche sowie Online-Anbieter
Die Pfandpflicht würde in Tschechien pro Jahr rund 1,8 Milliarden PET-Flaschen und 800 Millionen Getränkedosen betreffen. Diese Menge entspricht laut Zeitungsberichten 47.000 Tonnen Kunststoff und 15.000 Tonnen Metall, die verarbeitet werden könnten. Prag erhofft sich dadurch, die von der EU vorgegebenen Mindestwerte für die getrennte Sammlung von Kunststoffflaschen zu erfüllen. Für Hersteller von Pfandautomaten eröffnen die Pläne gute Geschäftsmöglichkeiten.
Viele Projekte dank EU-Förderung
Die meisten Investitionsprojekte finden derzeit dank Zuschüssen aus EU-Fonds statt. Zu den Schwerpunkten zählen Verbrennungsanlagen für Krankenhausabfälle, Sortierstationen und die Verarbeitung von Plastikmüll.
Projekt / Ort | Investition (in Mio. Euro) *) | Stand | Projektträger |
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Verwertungsanlage für Kunststoffabfälle / Litvínov | 82 bis 124 | Baubeginn 2025; Fertigstellung 2027 geplant; in den letzten 2 Jahren Piloteinheit getestet; EU-Förderung wird nach Auswahl des Lizenzgebers beantragt | |
Aufbau einer energetischen Abfallverwertung zur Wärmegewinnung / Přerov | 25,6 | Bau 2021 begonnen; Fertigstellung Mitte 2024 geplant; EU-Förderung | Veolia Energie ČR |
Biogasanlage für biologisch zerlegbare Abfälle / Mladá Boleslav | 10,9 | Bau 2021 begonnen; Fertigstellung April 2024 geplant; EU-Förderung | Compaq Mladá Boleslav |
Automatisierte Sortierlinie für Kunststoffe und Papier / Brno | 8,3 | Bau 2021 begonnen; Fertigstellung Mitte 2024 geplant; EU-Förderung | Sako Brno |
Modernisierung der Verbrennungsanlage für gefährliche Krankenhausabfälle / Benešov u Prahy | 8,3 | Fertigstellung bis Ende 2024 geplant; Förderung aus EU-Fonds | Nemocnice Rudolfa a Stefanie Benešov, nemocnice Středočeského kraje |
Verarbeitung von Altölen und Fetten / Horní Suchá | 8,1 | Bau begonnen; Fertigstellung bis Ende 2025 geplant; EU-Förderung | |
Sammel- und Sortierstelle für Abfälle / Kyjov | 2,2 | Fertigstellung bis Mitte 2025 geplant; EU-Förderung |