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Branchen | Tschechische Republik | Halbleiterindustrie

Tschechien bekommt eine große Chipfabrik

Tschechien rückt in die Oberliga der europäischen Halbleiternationen auf. Die Regierung konnte eine Milliardeninvestition für eine neue Chipfabrik im Osten des Landes vereinbaren.

Von Gerit Schulze | Prag

Der US-amerikanische Halbleiterhersteller Onsemi erweitert sein tschechisches Werk in Rožnov pod Radhoštěm. In dem Ort nahe der Beskiden soll eine neue Produktionslinie für Siliziumkarbid-Chips entstehen. Wie der Konzern Mitte Juni 2024 bestätigte, sind für das Projekt Investitionen von umgerechnet 1,85 Milliarden Euro vorgesehen.

Wichtiges Bauteil für Elektroautos

In der Fabrik will Onsemi die Pulver- und Kristallzüchtung für Siliziumkarbid vornehmen und Halbleitermodule herstellen. Diese werden in Elektroautos, Sonnenkollektoren und Rechenzentren verwendet, teilte das Unternehmen mit.

Besonders für die industrielle Kernbranche Tschechiens, den Fahrzeugbau, wäre die Investition daher wichtig. Volkswagen, Eigentümer von Škoda Auto, ist bereits strategischer Partner des US-Konzerns. Im Januar 2024 verkündeten Onsemi und Škoda Auto, dass sie gemeinsam Tschechiens Position als europäisches Halbleiterzentrum stärken wollen. "Halbleiter sind für uns als Autohersteller entscheidende Innovationstreiber", sagte Karsten Schnake, Škoda-Vorstand für Beschaffung, laut einer Pressemitteilung. "Indem wir eng mit unseren neuen Partnern aus der Halbleiterindustrie zusammenarbeiten, gewährleisten wir jederzeit Zugriff auf Halbleiter auf dem neuesten Stand der Technik." 

Škoda Auto ist der größte Fahrzeughersteller in Tschechien. Laut Onsemi stecken in einem modernen Elektroauto mehr als 6.000 Mikrochips.

Brüssel muss noch Beihilfen genehmigen 

Der tschechische Wirtschaftsminister Jozef Síkela bezeichnete das Onsemi-Vorhaben als "die größte Investition in der modernen Geschichte des Landes". Allerdings steht der endgültige Entscheid noch unter dem Vorbehalt von Investitionsanreizen, über die Onsemi mit der Regierung verhandelt. Diese müssen anschließend von der Europäischen Kommission genehmigt werden. Dieser Prozess kann sich noch ein halbes Jahr hinziehen. 

Die staatliche Förderagentur CzechInvest hält sich zur konkreten Höhe der Zuschüsse für Onsemi bislang bedeckt. In tschechischen Medien ist von bis zu 400 Millionen Euro die Rede, die der Staat als Anreiz bieten könnte.

Im Januar 2024 war in Tschechien eine Novelle des Gesetzes über Investitionsanreize in Kraft getreten. Sie sieht für strategische Vorhaben mit hoher Wertschöpfung eine attraktivere Förderquote vor. Laut Regierungsangaben könnten die staatlichen Beihilfen bis zu 27,5 Prozent der Gesamtinvestition betragen.

Eckpunkte des Investitionsprojekts

  • Produktpalette: Pulver- und Kristallzüchtung für Siliziumkarbidhalbleiter sowie komplette Modulproduktion
  • Standort: Rožnov pod Radhoštěm (Region Zlín)
  • Produktionsstart 2027
  • Geplante Investitionssumme: 1,85 Milliarden Euro
  • 1.300 neue Arbeitsplätze

Chipproduktion als Zukunftsbranche

Für Tschechien wäre die geplante Onsemi-Investition ein wichtiges Signal, denn zuletzt konnte das Land keine größeren Neuansiedlungen ausländischer Investoren mehr anlocken. Die Halbleiterindustrie sieht die Regierung in Prag als strategische Zukunftsbranche. Sie hofft, dass Onsemi möglichst viele Glieder der Halbleiterproduktionskette ansiedelt.

Tschechien setzte sich bei der Standortwahl für das neue Werk gegen Südkorea und die Vereinigten Staaten durch. Neben möglichen Beihilfen tragen dazu auch vorhandene Baugrundstücke in Rožnov sowie die Verfügbarkeit von Spezialisten bei. Onsemi arbeitet bereits eng mit technischen Hochschulen sowie mit Berufsschulen der Region zusammen, lässt Experten dort unterrichten und bietet Studierenden Praktikaplätze an. An der Tomáš-Baťa-Universität im nahegelegenen Zlín wurde ein Studienschwerpunkt für Halbleitertechnologien eingerichtet.

Tschechien strebt bei der Produktion von Mikroelektronik einen Spitzenplatz in Europa an und kann dabei an eine lange Tradition der Halbleiterproduktion anknüpfen. Im Land gibt es viele innovative Entwickler und Zulieferer für die Branche. 

Das Ministerium für Industrie und Handel (MPO) erarbeitet zurzeit eine nationale Halbleiterstrategie, mit der Tschechien die Bedeutung seiner Chipindustrie deutlich ausweiten will. Ein erster Entwurf wurde im Juni 2024 vorgestellt. Demnach sollen sich der Produktionswert und der Anteil der Halbleiterexporte an der Gesamtausfuhr bis 2029 verdreifachen (im Vergleich zu 2022).

Kompetenzzentrum für Halbleiter geplant

Ab 2025 will Tschechien im Rahmen des europäischen Chips Act ein nationales Kompetenzzentrum für Halbleiter einrichten. Das "Czech Semiconductor Competence Centre" entsteht unter Ägide des Ministeriums für Industrie und Handel (MPO). Die beiden Technischen Universitäten ČVUT in Prag und VUT in Brno sollen sich um die Ausbildung im Bereich Halbleiter und Chipdesign kümmern. Aus dem Unternehmenssektor wird neben Onsemi noch das Unternehmen Codasip beteiligt sein, ein tschechischer Entwickler von Halbleiterdesign. Zu den Initiatoren des Kompetenzzentrums gehören außerdem der Tschechische Nationale Halbleitercluster und das südmährische Innovationszentrum JIC, das Start-ups im Halbleitersektor beim Markteintritt hilft.

Onsemi war bereits in den 1990er Jahren in den tschechischen Markt eingestiegen. Die Wahl fiel damals auf Rožnov pod Radhoštěm an der Grenze zu Slowakei, weil der Ort schon zu sozialistischen Zeiten ein Zentrum der Halbleiterproduktion rund um den Staatsbetrieb Tesla war. Auch Silizium wurde dort hergestellt. Heute beschäftigt Onsemi an dem Standort mehr als 1.700 Arbeitskräfte und produziert Silizium- und Siliziumkarbid-Wafer sowie täglich 10 Millionen Mikrochips. Außerdem arbeiten rund 400 Beschäftigte in zwei Entwicklungsbüros in Rožnov und Brno. Der Jahresumsatz von Onsemi Tschechien betrug 2023 rund 300 Millionen Euro. Er soll sich durch die geplante Investition ungefähr verdreifachen.

Chancen für deutsch-tschechische Kooperationen

Das geplante Investitionsprojekt in Tschechien verbessert auch die Kooperationsmöglichkeiten mit den deutschen Zentren der Halbleiterindustrie. Zwischen Sachsen und Tschechien existiert bereits eine Arbeitsgruppe für Mikroelektronik, die sich zu Innovationen, Ansiedlungen und Talenteförderung austauscht. Die vom Netzwerk Silicon Saxony organisierte Konferenz "European Advanced Process Control and Manufacturing (apc|m)" soll vom 8. bis 10. April 2025 erstmals in Prag stattfinden.

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