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Tschechien braucht mehr Mietwohnungen

In Tschechien könnten bis 2026 rund 800 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau investiert werden. Ein neues Förderprogramm soll die Lage am Mietmarkt entspannen.

Von Gerit Schulze | Prag

Wohnraum ist in Tschechien zum Luxusgut geworden. Gleich 13,3 Bruttojahresgehälter sind nötig, um sich eine 70 Quadratmeter große Eigentumswohnung zu leisten. Damit rangiert das Land laut dem neuesten Deloitte Property Index auf dem letzten Platz in Europa. Nirgendwo sonst in den 18 untersuchten Ländern ist der Wohnungserwerb so teuer im Vergleich zum Einkommen.

Hinzu kommt, dass die strenge Geldpolitik nach der galoppierenden Inflation 2022 und 2023 die Kreditbeschaffung verteuert hat. Die Zinssätze für Immobilienkredite sind in Tschechien derzeit um rund 3 Prozentpunkte höher als beim Tiefstand im März 2021. Damals betrug der durchschnittliche Zinssatz 2,06 Prozent. Im Juni 2024 lag er bei 5 Prozent. Nach den jüngsten Leitzinssenkungen der Nationalbank bieten einige Banken Immobilienfinanzierungen jetzt für unter 4 Prozent an.

Kaufpreise in die Höhe geschnellt

Unabhängig vom Zinsniveau sind die Kaufpreise für Wohnungsneubauten allein in Prag seit 2020 um über 40 Prozent gestiegen. Das schlägt auf den Mietmarkt durch. Systemrelevante Berufsgruppen wie Lehrer oder Krankenpfleger können sich Wohnungen in den Großstädten kaum noch leisten.

Besonders auf sie zielt daher eine neue Initiative der tschechischen Regierung. Das Ministerium für regionale Entwicklung will den Wohnungsmarkt durch ein größeres Angebot an erschwinglichem Wohnraum entlasten. Ab Oktober 2024 bekommen die Gemeinden vom Staatlichen Investitionsfonds SFPI 7 Milliarden Tschechische Kronen (Kč, 278 Millionen Euro, EZB-Wechselkurs am 12. August 2024: 1 Euro = 25,178 Kč) für den sozialen Wohnungsbau. Ab 2025 soll die Nationale Entwicklungsbank NRB zusätzlich 140 Millionen Euro als zinsvergünstigte Darlehen an die Kommunen vergeben. Außerdem stellt der Staat 200 Baugrundstücke aus eigenem Bestand kostenlos zur Verfügung.

Die Gelder kommen größtenteils aus dem Nationalen Aufbauplan (NPO). Bis 2026 könnten zusammen mit privatem Kapital bis zu 800 Millionen Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen, hofft die Regierung. Sie rechnet mit mindestens 5.000 neuen Mietwohnungen durch das Programm.

Zielgruppe für die Mietwohnungen sind laut dem Regional- und Bauministerium junge Familien, Rentner, Beschäftigte in sozialen Einrichtungen und damit potenziell 2 Millionen Menschen im Land. Die Miete soll immer unter den aktuellen Marktpreisen liegen und darf jährlich maximal in Höhe der Inflationsrate steigen, mit einer Obergrenze von 4 Prozent. Zur Bewertung der Marktpreise veröffentlichte das Finanzministerium einen Preisatlas für Mietwohnungen. Er zeigt, dass in Prag derzeit je nach Lage und Gebäudezustand zwischen 11 und 21 Euro Kaltmiete je Quadratmeter für eine Zweizimmerwohnung verlangt werden. In strukturschwächeren Großstädten wie Ústí nad Labem liegen die Mieten bei rund 7 Euro je Quadratmeter.

Gemeinden haben Wohnungsbau vernachlässigt

Tschechiens Städte hatten den Immobilienboom der vergangenen Jahre genutzt, um kommunalen Wohnraum zu privatisieren. Dadurch ist der Anteil stadteigener Wohnungen stetig zurückgegangen.

Nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes investierte in den vergangenen Jahren nur jede dritte tschechische Kommune in den sozialen Wohnungsbau. Prag stoppte den Neubau kommunaler Wohnungen 2008 ganz. Laut der städtischen Entwicklungsgesellschaft Pražská developerská společnost (PDS) wurden 99 Prozent der seit 1995 gebauten Wohnungen in Tschechiens Hauptstadt von Privatinvestoren gebaut.

Infobox: Mietmarkt Tschechien

  • Nur jeder fünfte tschechische Haushalt wohnt zur Miete
  • Insgesamt 1,8 Millionen Mietende (von 10,9 Millionen Einwohnern)
  • 900.000 Mietwohnungen insgesamt (2021)
  • 80% der Mietwohnungen in privater Hand, 20% in kommunalem Eigentum
  • Größter Anteil an Mietwohnungen am Gesamtbestand in Havířov (46%), Brno (35%), Bohumín (33%) und Prag (32%)

Zumindest in Prag ist die Trendwende bereits eingeläutet: Die städtische Entwicklungsgesellschaft PDS reichte im Juni 2024 einen Bauantrag für 450 neue Wohneinheiten ein. Ab Mitte 2025 werden Lieferanten und Bau ausführende Unternehmen ausgeschrieben. Neuen Wohnraum will Prag auch durch die Sanierung von Bestandsbauten gewinnen. Über 270 Einheiten sollen im ehemaligen Hotel Opatov entstehen, einem 68 Meter hohen Plattenbau aus den 1980er Jahren. Weitere 150 Wohnungen lässt Prag in einem ehemaligen Wohnheim im Stadtteil Vysočany renovieren ("Skloněná-Areal").

Auch private Investoren bauen mehr Mietwohnungen

Neben den Gemeinden investieren private Projektentwickler zunehmend in Mietwohnungen. In Prag ist das israelische Unternehmen AFI Europe mit einem Bestand von rund 2.000 Einheiten führend. Nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny will das Unternehmen sein Portfolio in den nächsten Jahren verdreifachen. AFI verlangt etwa 22 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter für ein möbliertes Apartment, rund 8 Kilometer von der Prager Innenstadt entfernt.

Weitere private Akteure am Prager Mietwohnungsmarkt sind Trigema, Siko, Dostupné bydlení ČS und Mint. Der letztgenannte Immobilienfonds will innerhalb von zehn Jahren ein Portfolio von 10.000 Wohnungen aufbauen, darunter auch in Brno und Plzeň. Gleich 300 neue Mietwohnungen plant die Passerinvest Group.

Ein großer Investor ist außerdem das Erzbistum Prag, das über seine Gesellschaft XPlace Wohngebäude entwickelt und vermietet. Zu den bestehenden 200 Apartments sollen mittelfristig weitere 400 hinzukommen. Die Wohnungen werden zu Marktpreisen vermietet. Kirchgemeinden können ebenfalls Geld aus dem neuen Förderprogramm für erschwinglichen Wohnraum beantragen.

Große Preisunterschiede zwischen den Regionen

Die Entwicklung des Mietmarktes ist in Tschechien umso dringender, da die Preise für Wohnungsneubauten in die Höhe geschossen sind. Laut dem Portal ČBA Monitor kostet eine Neubauwohnung derzeit im Landesdurchschnitt 4.750 Euro je Quadratmeter. Der Wert wird vor allem durch die hohen Preise in Prag nach oben getrieben, wo der Quadratmeter durchschnittlich 5.850 Euro kostet. Regionales Schlusslicht ist die Region Karlovy Vary mit 2.600 Euro je Quadratmeter.

Der Preisauftrieb entsteht auch durch das knappe Angebot bei gleichzeitig steigender Bevölkerungszahl durch Migration. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude war 2023 mit knapp 12.000 so niedrig wie seit 2014 nicht mehr. 

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