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Tschechien rückt bei Touristen wieder ins Rampenlicht
Tschechiens Tourismus hat die Talsohle verlassen und das Niveau der Vorpandemiezeit fast erreicht. Dazu tragen vor allem einheimische Gäste und Besucher aus Deutschland bei.
20.02.2024
Von Gerit Schulze | Prag
Der wirtschaftliche Einbruch der Coronajahre ist im tschechischen Tourismusgeschäft fast vergessen. Mit 22 Millionen Übernachtungsgästen übertraf der Fremdenverkehr 2023 den Stand des Jahres 2019. Allerdings sorgen die globalen Krisen für Veränderungen. Waren vor der Pandemie Besucher aus China und Russland sehr präsent, spielen sie heute kaum noch eine Rolle. Chinesische Touristen treten derzeit wenig Überseereisen an. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Prag und Peking haben sich abgekühlt, Direktflüge nach Prag gibt es nicht mehr. Russische Gäste kommen seit dem Angriff auf die Ukraine nur noch vereinzelt nach Tschechien.
Flughafen Prag bietet weniger Ziele an
Kompensiert wurden die Rückgänge aus diesen beiden Ländern zum Teil durch andere Herkunftsregionen wie Taiwan oder den arabischen Raum. Der Besucherstrom aus Übersee hängt viel vom Streckennetz des Prager Flughafens ab. Im Jahr 2023 nutzten 13,8 Millionen Fluggäste das Drehkreuz. Das entspricht erst 78 Prozent des Niveaus von 2019.
Nach einem Bericht des Wirtschaftsportals E15 konnten Reisende im Jahr 2019 von Prag aus 190 Städte anfliegen. Für das laufende Jahr rechnet der Flughafen mit 170 Zielen. Verhandelt werden neue Verbindungen nach Nordamerika, in den arabischen Raum und nach Indien.
Als Wirtschaftsfaktor verlor der Tourismus in Tschechien nicht erst seit der Coronapandemie an Bedeutung. Im Jahr des EU-Beitritts 2004 hatte der Fremdenverkehr einen Anteil von 3,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, 2019 nur noch von 2,9 Prozent. Die Wertschöpfung der Branche und die Gewinnmargen sind gering. Die Löhne im Hotel- und Gaststättengewerbe liegen um rund 40 Prozent unter dem tschechischen Durchschnitt.
Deutsche besuchen vor allem Prag und das Bäderdreieck
Positiv für den Tourismusmarkt ist, dass die Tschechen wieder mehr Urlaub im eigenen Land verbringen. Auf sie entfiel 2023 mehr als die Hälfte der Reisenden, die in Hotels oder Pensionen übernachteten. Auch die Deutschen entdecken das Nachbarland wieder. Mit 2,3 Millionen stellten sie 2023 die mit Abstand größte Reisegruppe aus dem Ausland. Das war ein neuer Rekord. Knapp die Hälfte von ihnen besuchte die Hauptstadt Prag. Rund 20 Prozent der deutschen Gäste erholten sich im Bäderdreieck um Karlovy Vary. Und etwa 7 Prozent der Besucher buchten eine Unterkunft in der Region Plzeň.
Gäste geben weniger Geld aus
Trotz der erfreulichen Entwicklung herrscht im tschechischen Tourismusgewerbe keine Hochstimmung. Denn die Gäste bleiben inzwischen deutlich kürzer und geben weniger Geld aus als vor der Coronapandemie. Das zeigt sich an den Übernachtungszahlen. Während die Beherbergungsbetriebe 2019 über 57 Millionen Übernachtungen verbuchten, waren es 2023 trotz höherer Besucherzahlen nur 56 Millionen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 2,5 Nächte (bei Touristen aus Deutschland 3,7 Nächte). Das liegt auch am höheren Anteil tschechischer Touristen, die in der Regel nur Kurzaufenthalte buchen.
Für die Hotels ist das ein Problem, denn bei insgesamt gestiegenen Kosten haben sie nun höheren Aufwand für den häufigen Gästewechsel. Tschechische Medien berichten von gesunkenen Gewinnmargen der Hotels.
Der neue Chef der staatlichen Tourismusförderagentur CzechTourism, František Reismüller, strebt an, die Touristenströme im Land regional mehr zu entzerren und den Ganzjahrestourismus zu fördern. Das Land will mehr Werbung machen für seine 16 Unesco-Weltkulturerbestätten, für seine Heilbäder und für die hohe Dichte an Burgen und Schlössern. Schon im vergangenen Jahr 2023 gab es einen Trend in die Regionen. Während die Gästezahlen in Prag noch 8 Prozent unter dem Vorcoronajahr 2019 lagen, verzeichnen die Regionen Mittelböhmen, Karlovy Vary und Liberec inzwischen deutlich mehr Touristen. Dafür sorgen vor allem die einheimischen Besucher und Touristen aus Deutschland.
Förderagentur wirbt um Aktivurlauber aus Übersee
Großes Potenzial für die Zukunft sieht CzechTourism bei Aktivurlaubern. Außerdem sollen mehr Besucher mit hoher Kaufkraft nach Böhmen und nach Mähren gelockt werden, sagte Agenturchef Reismüller in einem Interview mit der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny. Auch hier könnte sich ein stärkerer Besucherstrom aus Übersee positiv auswirken. Denn Gäste aus Asien oder Nordamerika geben in der Regel deutlich mehr Geld für ihren Aufenthalt in Tschechien aus und bleiben länger als die Touristen aus den Nachbarländern.
Herkunftsland | Ausgaben in Euro *) |
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Japan | 279 |
Südkorea | 213 |
USA | 147 |
Vereinigtes Königreich | 122 |
Deutschland | 96 |
Polen | 90 |
Österreich | 82 |
Slowakei | 63 |
Ukraine | 34 |
Höhere Einnahmen verspricht auch der Kongresstourismus. Prag ist wegen seiner Lage, den weltbekannten Sehenswürdigkeiten, der Qualität der Veranstaltungsorte und Hotels sowie attraktiver Preise eine Hochburg für Tagungen und Konferenzen in Europa. Laut Ranking der International Congress and Convention Association (ICCA) lag Tschechien 2022 bei der Zahl großer Kongresse weltweit auf Platz 20 von 96 untersuchten Ländern. Unter den Städten war Prag die Nummer 5 hinter Wien, Lissabon, Paris und Barcelona. Der Messestandort Brno rangierte auf Platz 292, immerhin noch vor Nürnberg und Düsseldorf. Die Coronapandemie hatte den Kongressmarkt auch in Tschechien fast zum Erliegen gebracht. Inzwischen sind die Zahlen wieder auf dem Vorkrisenniveau.
Neue Investitionen in moderne Kongresszentren
Große Investitionen in Prag und Brno könnten dafür sorgen, dass die beiden Städte in Zukunft noch attraktiver werden. In Brno lassen die Stadt und die Region Südmähren in den nächsten drei Jahren eine neue Mehrzweckarena errichten. Sie soll bei Kongressen Platz für bis zu 9.700 Personen bieten. In Prag ist geplant, das bestehende Kongresszentrum PCC ebenfalls um eine moderne Multifunktionshalle zu erweitern.
Die Auslastung der Prager Hotels betrug 2023 laut Immobilienberater Cushman & Wakefield 71 Prozent, die durchschnittlichen Erlöse je Zimmer und Nacht lagen bei 78 Euro.
Projektbezeichnung | Investition in Mio. Euro *) | Projektstand / Projektträger |
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Arena Brno / Bau einer Mehrzweckhalle auf dem Messegelände in Brno | 178 | Bau läuft seit Herbst 2023; Bauausführung durch Hochtief, drei Jahre Bauzeit geplant / ARENA Brno |
Bau einer Kuranlage mit Hotel, Geschäften und Wohnraum für Personal in Mikulov | 160 | Projektierung und Finanzierungsgespräche laufen; Fertigstellung innerhalb von 7 Jahren geplant / Unternehmer Mike Volařík (Bottling Printing) |
Bau einer Mehrzweckhalle in Jihlava (Horácká multifunkční aréna) | 76 | Bau läuft seit Sommer 2023; Generalauftrag für Baufirma Gemo, Fertigstellung bis Ende 2025 / Stadt Jihlava, GEMO |
Erweiterung des Kongresszentrums PCC in Prag um eine neue Halle | 52 | Verhandlungen zwischen den Besitzern Stadt Prag und Finanzministerium laufen; Projektentwurf und Genehmigungen liegen vor, 3 Jahre Bauzeit geplant / Kongresové centrum Praha |
Umbau und Modernisierung des Skiareals Rokytnice nad Jizerou | 52 | Vorbereitungsphase; Bauplanänderung notwendig / Trigema |
Bau einer Touristensiedlung und Umbau des Weinguts in Pouzdřany, später Renovierung eines Schlosses | 6 | Bau hat 2023 begonnen, teilweise bereits fertig / J&T Wine Holding |
Bau eines Ritz-Carlton Hotels auf dem Altstädter Ring in Prag (acht historische Gebäude werden dafür zusammengelegt) | k.A. | im Bau, Fertigstellung bis 2025 geplant / Akroterion (Golden Star Estate) |