Special | Tschechische Republik | Beschaffung
Deutschlands drittwichtigster Lieferant für Metallteile
Tschechien ist mit seiner breit aufgestellten Metalltechnik-Industrie für deutsche Unternehmen ein naher und etablierter Beschaffungsmarkt - mit Potenzial nach oben.
26.06.2023
Von Miriam Neubert | Prag
Mit einer langen Tradition der Stahlerzeugung, der Metallverarbeitung und des Maschinenbaus hat sich die Tschechische Republik in den internationalen Lieferketten als wichtiger Hersteller von Metallerzeugnissen, Präzisionsteilen nach Maß und Werkzeugen etabliert. Eine große Rolle spielt die Oberflächenveredelung.
Erfolgreicher Exporteur von Bauteilen nach Maß
Die diversifizierte Industriestruktur begünstigte die Entwicklung einer breit aufgestellten metalltechnischen Branche, die sich zugleich erfolgreich im Export behauptet. Die Schwerpunkte liegen auf Zulieferungen für die Automobilindustrie und den Maschinenbau. Weitere wichtige Kunden sind Luft- und Raumfahrt, Nahrungsmittel- und Getränkeherstellung, die Energiewirtschaft, das Baugewerbe und die Möbelbranche.
Das Angebot ist vielfältig und reicht von nahtlosen Stahlringen über Drucktanks und Streckgitter bis hin zu Vakuumkammern. Mit einem modernen Maschinenpark ist Tschechien zugleich ein gefragter Auftragsfertiger im Laserschneiden von Blechen, der komplexen Blechbearbeitung und von geschmiedeten, gestanzten, geschnittenen, gefrästen oder gepressten Bauteilen nach Maß.
Das Auslandsgeschäft steht bei vielen Unternehmen für den Großteil der Umsätze - und es wächst. Von dem Trend zu stärker diversifizierten und geografisch näheren Lieferbeziehungen scheint die Branche in Tschechien zu profitieren.
Deutschland als wichtigster Absatzmarkt
Gefragter Nearshoring-Partner für deutsche Firmen ist Tschechien, seit sich vor fast 35 Jahren die 817 Kilometer lange gemeinsame Grenze öffnete. Nicht zuletzt im Geschäft mit diesen anspruchsvollen Kunden sind viele tschechische Hersteller gewachsen. Die Dynamik des bilateralen Handels wird aber auch dadurch bestimmt, dass deutsche Metalltechnikunternehmen direkt im Land investiert haben. Aktuell registriert diese Industriebranche laut Eurostat über 200 Niederlassungen aus Deutschland, mehr als jede andere. Zu ihnen gehören etwa Hettich (Möbelbeschläge), Schäfer Container Systems (Edelstahlfässer) oder Schmelzer (Rohrleitungsbau).
Nur aus China und knapp auch Polen importierte Deutschland 2022 einen höheren Wert an Metallerzeugnissen und Präzisionsteilen. Bei Produkten des Maschinenbaus für verschiedene Zwecke (darunter Pumpen, Kompressoren, Armaturen, Antriebe) folgte Tschechien als Bezugsquelle auf China und Italien. Als Lieferant von Metallbearbeitungsmaschinen und dazugehörigen Teilen steht es an sechster Stelle.
SITC - Warenbezeichnung | 2012 | 2019 | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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69 Metallwaren | 2.499 | 3.147 | 4.137 | 20,7 |
691 Konstruktionen und Konstruktionsteile | 433 | 567 | 786 | 18,7 |
692 Transport- oder Lagerbehälter aus Metall | 124 | 161 | 267 | 34,1 |
693 Drahterzeugnisse, Gitter und Geflechte | 55 | 30 | 65 | 48,0 |
694 Nägel, Schrauben, Bolzen, Muttern, Nieten und ähnliche Waren, aus Eisen, Stahl, Kupfer oder Aluminium | 125 | 206 | 247 | 23,0 |
695 Hand- und Maschinenwerkzeuge | 145 | 234 | 311 | 11,8 |
696 Messerschmiedewaren | 17 | 117 | 145 | 30,5 |
697 Haushaltsartikel aus unedlen Metallen | 78 | 104 | 153 | 6,8 |
699 Waren aus unedlen Metallen | 1.520 | 1.727 | 2.163 | 20,8 |
SITC - Warenbezeichnung | 2012 | 2019 | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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74 Maschinen, Apparate und Geräte für verschiedene Zwecke | 2.656 | 4.101 | 4.862 | 11,7 |
741 Einrichtungen zum Heizen und Kühlen | 663 | 789 | 986 | 18,2 |
742 Flüssigkeitspumpen, Hebewerke für Flüssigkeiten | 555 | 785 | 791 | 6,8 |
743 Pumpen, Luft- oder andere Gaskompressoren | 330 | 747 | 1 026 | 9,1 |
744 Hebe- und Fördervorrichtungen | 342 | 542 | 603 | 13,7 |
746 Wälzlager | 70 | 107 | 114 | 7,9 |
747 Armaturen | 272 | 508 | 558 | 5,4 |
748 Antriebselemente | 197 | 314 | 377 | 12,3 |
749 nichtelektrische Teile und nichtelektrisches Zubehör | 124 | 153 | 189 | 23,8 |
SITC - Warenbezeichnung | 2012 | 2019 | 2022 | Veränderung 2022/2021 |
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73 Metallbearbeitungsmaschinen | 372 | 363 | 300 | 8,0 |
731 spanabhebende Werkzeugmaschinen | 189 | 156 | 92 | 1,5 |
733 Werkzeugmaschinen zum spanlosen Bearbeiten von Metallen | 11 | 13 | 7 | -12,7 |
735 Teile und Zubehör | 104 | 112 | 119 | 16,2 |
737 Metallbearbeitungsmaschinen | 68 | 82 | 82 | 6,9 |
Wettbewerbsfähige Preise, hohe Standards
Was macht tschechische Hersteller für deutsche Unternehmen, die nach neuen Partnern suchen, interessant? "Der wichtigste Vorteil ist, das Top-Qualitätsstandards erreicht werden, bei gleichzeitiger Beibehaltung konkurrenzfähiger Preise", erklärt Miroslav Manďák, leitender Berater der staatlichen Handelsförderagentur CzechTrade. "Die starke Zulieferer-Basis schafft ein wettbewerbsintensives Umfeld, was sich positiv auf Preise und Qualität auswirkt." Der Großteil der Exporte im Bereich Metallverarbeitung gehe an deutsche Kunden. Und das Interesse hält an. In Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Materialwirtschaft und Logistik BME organisiert CzechTrade am 21. Juni 2023 einen Sourcing-Day Tschechien. Potenzielle Partner lassen sich auch in den Exporteur- und Zulieferdatenbanken von CzechTrade und CzechInvest recherchieren.
Tschechiens Herstellung von Metallerzeugnissen (NACE 25) ist mit einer Produktion im Wert von umgerechnet 17,5 Milliarden Euro die zweitstärkste Branche des verarbeitenden Gewerbes nach der Automobilindustrie und trägt 12 Prozent zu dessen Bruttowertschöpfung bei. Die Branche besteht aus 49.000 vorwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben und beschäftigt 191.000 Menschen. Die Auslastung lag im 1. Halbjahr 2023 bei 81 Prozent. Dem Personalmangel begegnet der Sektor mit zunehmender Automatisierung.
Dienstleistungen und Produktportfolio sind breit gefächert. Sie reichen von der mechanischen Bearbeitung von Stahl- und Aluminiumteilen über die Entwicklung strategischer Komponenten bis hin zum Formenbau.
Vom Prototypen bis zur Serie
Kovos ST im südböhmischen Řepice beispielsweise hat sich als Betrieb mit 50 Mitarbeitenden auf Kleinserien spezialisiert, die in Medizintechnik oder Energiewirtschaft eingesetzt werden, darunter Teile für Kompressoren. Die Awec Group wiederum ist mit Aluminiumteilen für die Automobilindustrie und Großserien vorrangig für deutsche Kunden im Geschäft. Sie expandiert aber auch in andere Industrien, so mit Präzisionsteilen für die Raumfahrt oder die Medizintechnik.
Diese Diversität ist typisch. Bohemia Rings gehört als größter Hersteller von warmgewalzten nahtlosen Stahlringen im Land zur Stahlwerkgruppe Třinecké železárny - Moravia Steel. Das Angebot umfasst Lieferungen von Einzelstücken und Serien mit Anwendung in der Wind- und Kernenergie, dem Maschinenbau, der Bau- und Schienentechnik. Mit 3D-Konstruktion und Umformungssimulation unterstützt Strojmetal Aluminium Forging seine Kunden in der Automobilindustrie bei der Entwicklung innovativer Produkte. Ein aufstrebendes Segment ist der 3D-Druck von Metallteilen und Werkzeugen, in dem zum Beispiel BL Beneš a Lát, ein Spezialist für Gussteile aus Aluminium- und Zinklegierungen, unterwegs ist.
In der exportorientierten tschechischen Volkswirtschaft sind die Zertifizierung des Qualitätsmanagements gemäß DIN EN ISO 9001 und des Umweltmanagements gemäß EN ISO 14001 Standard. Je nach Größe und Zuschnitt des Unternehmens finden sich auch für das Energiemanagement ISO 50001 und Sicherheitsmanagement ISO 45001 sowie branchenbezogene Zertifikate. Die Ausstattung mit CNC-Maschinen und Robotern wird meist genau dokumentiert. Qualitätssichernde Prüfungen gehören zum Angebot. Die Webseiten vieler Hersteller sind neben Englisch auch auf Deutsch abzurufen.
Anknüpfungspunkte in der Forschung
In Forschung und Entwicklung ergeben sich weitere Kooperationsmöglichkeiten. An der Optimierung von Technologien zur Metallbearbeitung forscht der Fachbereich für Maschinenbautechnologie der Technischen Universität VUT in Brünn. Das Nationale Kompetenzzentrum NCK Matca verbindet Universitäten und Industrie in angewandten Projekten des Maschinenbaus unter anderem der Laser-, Plasma- und Additiv-Technologien. Im deutsch-tschechischen Leistungszentrum TransTech arbeitet das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für Nanomaterialien und fortgeschrittene Technologien der TU Liberec sowie dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik an neuen Lösungen für nachhaltige Werkstoffe und Produktionstechnologien.
Als Nachbarland von Deutschland liegen bei Tschechien die Transportvorteile auf der Hand. Die Lieferwege sind kurz, das Speditionsnetz ist dicht. Der Gütertransport mit Deutschland läuft zur Hälfte über die Straße, zur Hälfte über die Schiene. Nach Deutschland sind die Autobahnverbindungen in westlicher Richtung die D5 über Pilsen und die D6 über Karlsbad, nach Norden die D8 über Ústí nad Labem. Auf diesen Strecken fallen Mautgebühren an. Die wichtigsten Bahnstrecken führen auch als Teil der europäischen Schienengüterverkehrskorridore RFC 9 Richtung Bayern über Cheb sowie RFC 7 und 8 Richtung Sachsen durch das Elbtal über Ústí nad Labem. Als Land ohne Meer spielt der Hamburger Hafen für Tschechien eine zentrale Rolle. Wöchentlich verkehren zwischen dem Hafen und tschechischen wie slowakischen Hubs über 130 Containerzüge. |
Bezeichnung | Anmerkung |
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Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Maschinenbauverband | |
Verband der Werkzeughersteller | |
Verband der Schmiedebranche | |
Internationale Maschinenbau-Fachmesse in Brno; nächster Termin: 10. bis 13.10.2023 | |
Datenbank der Exporteure der Tschechischen Exportförderungsagentur | |
Zulieferdatenbank der Tschechischen Wirtschaftsförderagentur | |
Firmendatenbank und B2B-/Beschaffungs-Plattform | |
Metallurgie-Cluster in Havířov | |
Nationales Maschinenbaucluster mit Metallurgie-Zweig | |
Nationales Kompetenzzentrum für Materialien, progressive Technologien, Anstriche | |
Tschechische Gesellschaft für Oberflächenbehandlung |