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Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Arbeitskräfte

Fachkräfte

In Tschechien wächst die Zahl der Arbeitslosen, das Personalangebot verbessert sich. Bei Spezialisten und Fachkräften bleiben die Engpässe bestehen. Die Lohnkosten steigen weiter.

Von Gerit Schulze | Prag

Die Lage am tschechischen Arbeitsmarkt entspannt sich. Wegen der schwachen Konjunkturentwicklung und gesunkener Auslandsnachfrage müssen viele Unternehmen Personal entlassen und ihre Expansionspläne zurückschrauben. Auf den Arbeitsmarkt drängen daher immer mehr Fachkräfte, die eine neue Beschäftigung suchen. 

Trotzdem bleibt Tschechien das Land mit der geringsten Erwerbslosigkeit in Europa. Laut Eurostat betrug die Arbeitslosenquote im September 2024 nur 2,8 Prozent, während der EU-Durchschnitt bei 5,9 Prozent lag (ILO-Berechnungsmethode). Das tschechische Arbeits- und Sozialministerium benutzt eine andere Definition, die alle Arbeitssuchenden im Alter von 15 bis 64 Jahren umfasst. Demnach lag die Erwerbslosenquote im September 2024 bei 3,9 Prozent. Das waren 0,3 Prozentpunkte oder 30.000 Menschen mehr als ein Jahr zuvor. Eine so hohe Arbeitslosigkeit im September wurde seit 2016 nicht registriert.

Weniger offene Stellen

Erstmals seit sieben Jahren gibt es in Tschechien mehr Arbeitslose als offene Stellen. Bei den Arbeitsämtern waren im September 2024 rund 290.000 Menschen erwerbslos gemeldet. Dem standen 265.000 offene Stellen gegenüber.

Die Wirtschaftsschwäche im wichtigsten Exportmarkt Deutschland führt dazu, dass immer mehr tschechische Firmen Personal abbauen. Allein im 2. Quartal 2024 strich das verarbeitende Gewerbe 20.000 Stellen. In den ersten neun Monaten des Jahres kündigten 107 Unternehmen den Arbeitsämtern Massenentlassungen an, rund 12.000 Beschäftigte waren betroffen. Der US-Automobilzulieferer Adient will zwei Werke mit über 1.000 Beschäftigten schließen. Auch andere Teilehersteller für die Fahrzeugindustrie wie Brawe oder Fronius bauen Arbeitsplätze ab. Das Traktorenwerk Zetor in Brno entlässt die Hälfte seiner rund 300 Mitarbeitenden. Im insolventen Stahlwerk Liberty Ostrava droht der Verlust von 2.300 Jobs.

Massiver Stellenrückgang

Eine Studie der Boston Consulting Group fand heraus, dass künftig in Tschechien 355.000 Stellen durch Nachfragerückgang, Automatisierung und Einsatz künstlicher Intelligenz wegfallen. Das betreffe Juristen, Produktionsarbeiter, Monteure und Verkaufspersonal. Zugleich müssten bis 2035 rund 415.000 Stellen neu besetzt werden, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen. Der Bedarf an Umschulungsmaßnahmen steigt.

Die jüngsten Entlassungswellen bedeuten nicht, dass Unternehmen in Tschechien nun einfacher Personal finden. Denn das Arbeitskräfteangebot und die Nachfrage sind regional unterschiedlich verteilt. Während in den wirtschaftlichen Zentren wie Prag, Brno oder Plzeň immer noch Fachkräfte gesucht werden, steigt die Arbeitslosigkeit in den strukturschwachen Bezirken. Aufgrund der schwierigen Wohnungssuche in den Boomregionen ist die Mobilität der Arbeitssuchenden gering.

Maschinenführer und Hilfskräfte dringend gesucht

Besonders groß ist der Bedarf an Maschinenbedienern und ungelernten Hilfskräften für das Bau- und Transportgewerbe sowie die Industrie. Auf sie entfiel im September 2024 die Hälfte aller Jobangebote. Stark gesucht waren laut Statistik des Arbeitsministeriums außerdem Handwerker und Mechaniker, Service- und Verkaufsmitarbeiter sowie Fachärzte.

Auch die quartalsweise erhobenen Daten des Personaldienstleisters Manpower Group zeigen, dass Tschechien für motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte immer noch viele Chancen bietet. Im September 2024 gaben 31 Prozent der befragten tschechischen Firmen an, in den kommenden Monaten Personal einzustellen. Das waren etwas mehr als im Vorjahresmonat. Dagegen wollen 21 Prozent der Unternehmen Mitarbeitende entlassen.

Am meisten neue Stellen schafft der IT-Sektor: Fast jedes zweite Unternehmen will hier aufstocken, um die Wachstumsfelder Cybersecurity und künstliche Intelligenz bedienen zu können. Besonders einstellungsfreudig sind laut Manpower außerdem der tschechische Finanzsektor, Logistik und die Automobilindustrie. Dabei gilt, je größer die Unternehmen, desto eher sind sie zu Neueinstellungen bereit. Kleinere Firmen blicken pessimistischer in die Zukunft und halten sich bei der Personalsuche zurück.

Immer mehr ausländische Arbeitskräfte

Um die Engpässe am Arbeitsmarkt zu beheben, lockert die Regierung allmählich die Zuwanderungsregeln. Mitte 2024 waren laut Arbeitsministerium fast 830.000 Ausländer in Tschechien beschäftigt. Das entsprach 16 Prozent aller Erwerbstätigen. Davon kamen rund 290.000 aus der Ukraine und etwa 220.000 aus der Slowakei. Unter den EU-Staaten sind Polen, Rumänien, Bulgarien und Ungarn die wichtigsten Herkunftsländer (nach der Slowakei). Größere Gruppen an Arbeitsmigranten stammen außerdem aus Russland, Vietnam und der Mongolei. Aus Deutschland kamen rund 6.100 Beschäftigte.

Tschechiens Regierung setzt auf kontrollierte Arbeitsimmigration, plant aber Erleichterungen für die Anstellung von ausländischen Beschäftigten. Wenn die Nachfrage nach Personal in einer Region das Angebot übersteigt, können die Arbeitsämter künftig schneller einen Ausländer vermitteln, ohne die Stelle vorher 30 Tage anbieten zu müssen. Menschen aus neun Ländern, darunter die USA, das Vereinigte Königreich, Südkorea und Israel, haben seit Juli 2024 freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie benötigen keine Arbeitserlaubnis oder Beschäftigungskarte mehr. Die Spitzenverbände der Wirtschaft würden die vereinfachten Regeln gern auch für Arbeitskräfte aus Ländern wie Indien, Indonesien oder den Philippinen anwenden.

Programme zur Beschäftigung ausländischer Fachkräfte
ProgrammZielgruppe
Hochqualifizierter Beschäftigter *)Geschäftsführungen, Spezialisten und technische Fachleute aus Drittstaaten, vor allem für den Gesundheitssektor
Schlüsselpersonal und Forscher *)Beschäftigung ausländischer Fach- und Führungskräfte in Produktionsbetrieben, im Dienstleistungs- und öffentlichen Sektor; Unterstützung von Forschungseinrichtungen, Technologieunternehmen und Start-ups
Qualifizierter BeschäftigterFachkräfte aus den elf Nicht-EU-Staaten Mongolei, Serbien, Philippinen, Indien, Belarus, Moldau, Montenegro, Kasachstan, Armenien, Georgien und Nordmazedonien. Betrifft die ISCO-Klassifikationen 4 bis 8, also Dienstleistungsberufe, landwirtschaftliche Fachkräfte, Handwerker, Fahrer und Maschinenbediener.
Digitaler NomadeAusländische Spitzenkräfte im IT-Sektor, die sich in Tschechien ansiedeln wollen, aber weiter für ihren bisherigen Arbeitgeber im Ausland arbeiten. Das Programm gilt für Bürger aus Australien, Japan, Kanada, Südkorea, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich, USA und Taiwan.
SonderarbeitsvisumLand- und Forstwirtschaft sowie Lebensmittelverarbeitung mit Bedarf an Saisonkräften. Das Visum hat eine Gültigkeitsdauer von maximal einem Jahr und wird an Hilfskräfte aus der Ukraine, aus Bosnien und Herzegowina, Georgien, Moldau und Nordmazedonien vergeben. Die monatliche Höchstquote beträgt 245 Visa.
* für dieses Programm gilt seit dem 1. Juli 2024 eine Jahresquote von 42.310 Arbeitsvisa, davon 12.100 für Ukrainer und 10.550 für Arbeitssuchende aus den Philippinen. Bei der Beantragung hilft die Wirtschaftskammer HK ČR.Quelle: Ministerium für Industrie und Handel 2024, Ministerium für Landwirtschaft 2024

Langfristig verschärft sich der Fachkräftemangel

Trotz der Bemühungen, die Erwerbsmigration auszuweiten, bleiben die Engpässe am tschechischen Arbeitsmarkt bestehen. Die Wirtschaftskammer weist darauf hin, dass in den kommenden zehn Jahren rund 240.000 Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Dann könnte eine halbe Million Fachkräfte im Land fehlen.

Arbeitgeber und staatliche Stellen müssen daher versuchen, ungenutzte Reserven am Arbeitsmarkt stärker zu nutzen. Viele potenzielle Beschäftigte würden gern eine Tätigkeit aufnehmen, wenn ihnen mehr Flexibilität bei Arbeitszeit und Einsatzort geboten würden. Auch ältere Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, könnten mit gezielten Angeboten zurückgeholt werden. Das gilt auch für Personen, die wegen Erziehungsurlaub oder der Pflege von Angehörigen länger keine Beschäftigung ausübten.

Die Tschechische Republik im weltweiten Vergleich

Folgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können.

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