Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Nominal steigen die Löhne auch 2023 im einstelligen Bereich. Real dürften sie erneut sinken. Freiwillige Leistungen sind wesentlich, um Fachkräfte zu finden und zu halten.
28.11.2022
Von Miriam Neubert | Prag
Löhne und Gehälter
Die Löhne sind im Vergleich zu westlichen EU-Ländern nach wie vor niedrig. In der gewerblichen Wirtschaft lagen die Lohnkosten laut Eurostat 2021 bei 11,30 Euro pro Stunde und betrugen damit 39 Prozent der deutschen (29 Euro). Im EU-Schnitt waren es 21,90 Euro.
Die kriegsbedingte Immigrationswelle aus der Ukraine wirkte 2022 dem Lohnauftrieb tendenziell entgegen, da viele ukrainische Arbeitskräfte in eher schlechter bezahlten Branchen und Berufen unterkamen. Fachkräftemangel und Teuerung wiederum trieben die Löhne nominal nach oben, diese konnten aber mit der zweistelligen Inflation nicht mithalten.
Im 1. Halbjahr 2022 stieg der durchschnittliche Bruttomonatslohn für eine Vollzeitarbeit nominal um 5,8 Prozent. Real schrumpfte er um 6,8 Prozent. Dieser Trend setzt sich 2023 fort. Das Finanzministerium sieht den durchschnittlichen Bruttomonatslohn nominal um 6,6 Prozent ähnlich wachsen wie 2022. Real sinkt er erneut, aber weniger drastisch.
Der Mindestlohn war 2022 um 6,6 Prozent (rund 40 Euro) erhöht worden. Er beträgt monatlich 16.200 Tschechische Kronen (Kč; 658 Euro). Da die Verbraucherpreise extrem anzogen, forderte die Dachorganisation von 31 Gewerkschaften ČMKOS, den Mindestlohn noch 2022 um 2.000 Kč anzuheben. Das lehnten Regierung und Arbeitgeber ab. Für 2023 stand eine Erhöhung um 350 Kč (14 Euro) im Raum.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 1) | 2023 1) | |
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nominal (in Kč) | 34.578 | 36.176 | 37.903 | 40.455 | 43.140 |
nominal (in Euro) | 1.347 | 1.368 | 1.478 | 1.645 | 1.761 |
reale Veränderung (in %) 2) | 5,0 | 1,4 | 1,0 | -7,2 | -2,6 |
Wechselkurs (Kč/Euro) | 25,672 | 26,444 | 25,645 | 24,600 | 24,500 |
Prag ist Spitzenreiter bei den Löhnen
Prag ist Verwaltungs- und Finanzzentrum des Landes und Sitz vieler Konzernzentralen. Entsprechend hoch ist das Lohnniveau in der Hauptstadt. Es liegt um fast ein Viertel über dem Landesdurchschnitt, entwickelt sich aber weniger dynamisch als in anderen Regionen. Am stärksten legten 2021 die Löhne in den Regionen Karlovy Vary und Zlín zu, die die niedrigsten Durchschnittslöhne verzeichnen.
Starker Wettbewerb um IT-Nachwuchs
Die höchsten Löhne werden neben dem Finanz- und Versicherungswesen in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bezahlt. Zunehmende Digitalisierung und Automatisierung sowie die Expansion der Technologiefirmen verschärfen den Wettbewerb um IT-Spezialisten. Besonders zogen die Löhne im Bereich Software-Entwicklung und Programmierung an. Zwar studierten 2021 an den IKT-Fakultäten der Universitäten 22.400 Personen. Sie machen 7,4 Prozent der Studierenden aus, was deutlich mehr ist als im Durchschnitt der EU mit knapp 5 Prozent. Trotzdem bleibt eine große Angebotslücke, die dazu führt, dass der IT-Nachwuchs auch ohne Berufserfahrung mit vergleichsweise hohen Einstiegsgehältern umworben wird.
1. Halbjahr 2022 (in Kč) | Veränderung 1. Halbjahr 2022/2021 (in %) 1) | 1. Halbjahr 2022 (in Euro) 2) | |
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Insgesamt | 39.033 | 5,8 | 1.584 |
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 29.512 | 6,6 | 1.197 |
Bergbau | 41.094 | 8,1 | 1.667 |
Verarbeitendes Gewerbe | 37.884 | 7,4 | 1.537 |
Energieerzeugung und -versorgung | 59.634 | 6,9 | 2.419 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 34.480 | 7,2 | 1.399 |
Handel, Reparatur von Kraftfahrzeugen | 36.717 | 9,2 | 1.490 |
Hotel und Gastronomie | 22.918 | 11,3 | 930 |
Transport und Logistik | 34.859 | 8,5 | 1.414 |
IT und Telekommunikation | 70.935 | 9,8 | 2.878 |
Finanzwesen, Banken, Versicherungen | 70.966 | 12,0 | 2.879 |
Immobilienbranche | 36.235 | 10,8 | 1.470 |
Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit | 48.492 | 8,9 | 1.967 |
Verwaltung, unterstützende Tätigkeit | 28.197 | 11,2 | 1.144 |
Ein gutes Bild der Lohnsituation erlaubt das Informationssystem ISPV. Es bildet quartalsweise den Median des Bruttomonatslohns in der gesamten Tiefe der Berufsklassifizierung ab. Der Median lag im 1. Halbjahr 2022 bei 34.652 Kč, rund 1.406 Euro.
Niederlassungen deutscher Firmen zahlen häufig höhere Löhne als im Landesdurchschnitt. Einmal im Jahr fragt die Auslandshandelskammer Tschechien (AHK Tschechien) bei ihren Mitgliedsunternehmen Angaben zu Gehältern in über 60 Positionen, variablen Anteilen und Zusatzleistungen, Fluktuationsrate und Krankenquote ab. Aufgearbeitet nach Regionen, Branchen und Schlüsselpositionen liefern die Ergebnisse gute Orientierung für die Gehaltsplanung. Der Zugang zur "Gehaltsbenchmark Tschechische Republik" ist kostenpflichtig.
Stellenbezeichnung (Klassifizierung nach CZ-ISCO) | 1. Halbjahr 2022 (in Kč) | Veränderung 1. Halbjahr 2022/21 (in %) | 1. Halbjahr 2022 (in Euro) 2) |
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Geschäftsführung einer größeren Niederlassung (11201) | 223.501 | 4,2 | 9.067 |
Geschäftsführung eines kleinen bis mittleren Unternehmens (11202) | 105.083 | -0,4 | 4.263 |
Vertriebsleitung (1221) | 86.088 | 10,2 | 3.493 |
Ingenieurwesen (2144, 2151) | 63.252 | 9,3 | 2.566 |
Programmiererin (2512, 2514) | 75.361 | 12,4 | 3.057 |
Sekretariat mit Fremdsprachenkenntnissen 1) | 39.083 | 8,6 | 1.524 |
Buchhaltung (3313) | 40.366 | 7,7 | 1.638 |
Kraftfahrende (8332) | 28.415 | 8,3 | 1.153 |
Stellenbezeichnung (Klassifizierung nach CZ-ISCO) | 1. Halbjahr 2022 (in Kč) | Veränderung 1. Halbjahr 2022/21 (in %) | 1. Halbjahr 2022 (in Euro) *) |
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Angelernte Arbeitskraft (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist, 9329) | 26.443 | 5,8 | 1.073 |
Mitarbeitende mit einer mehrjährigen Berufsausbildung, die unter Aufsicht in der Produktion tätig sind (81, 82) | 31.960 | 5,8 | 1.297 |
Ausgebildete Arbeitskräfte mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung, die Aufgaben in Produktions- und Fertigungsprozessen ohne Aufsicht durchführen (72, 74) | 36.961 | 8,0 | 1.499 |
Mitarbeitende mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis, die als Vorarbeitende die Arbeit in verschiedenen Produktionsbereichen verantworten (3122) | 45.541 | 7,8 | 1.848 |
Weitere Lohnbestandteile
Im Ringen um qualifiziertes Personal sind neben dem Lohn attraktive Zusatzleistungen wesentlich. Zwar ist die Fluktuationsrate in der Pandemie gesunken, aber mit 15 Prozent immer noch ausgeprägt, vor allem in der Produktion. Kaum ein deutsches Unternehmen in Tschechien verzichtet auf Benefits, um Arbeitskräfte zu finden oder zu halten. Die Palette wird weiter ausgebaut. So sind im Inflationsjahr 2022 freiwillige Zahlungen zur Abfederung der Energie- und Lebenshaltungskosten hinzugekommen.
Besonders beliebt und schon lange etabliert sind Essensgutscheine. Diese Zusatzleistung bieten mittlerweile über 90 Prozent der beim Gehaltsbenchmark 2022 der AHK Tschechien befragten Unternehmen. Zwei Drittel gewähren Zuschüsse zur privaten Rentenversicherung. Boni und Prämien gibt es inzwischen bei rund 85 Prozent.
Da die Mobilität gering ist, helfen 40 Prozent der Firmen mit Fahrtkostenzuschüssen nach. Ebenso groß ist der Anteil, der seiner Belegschaft Weihnachtsgeld auszahlt. Gut jedes dritte Unternehmen zahlt ein 13. Gehalt, jedes vierte Zuschüsse für den Urlaub oder die Lebensversicherung. Verbreitet sind auch Beiträge für Sport, Kultur und Gesundheit, Sonderzahlungen bei Geburt eines Kindes, einer Hochzeit oder dem Tod eines nahen Familienangehörigen.
Sozialversicherungsbeiträge
Die Gesetzgebung unterscheidet zwei Pflichtversicherungssysteme: Die Kranken- und die Sozialversicherung. Die Sozialversicherung schließt die Rentenversicherung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Arbeitslosenversicherung ein. Die Gesamthöhe der Sozialabgaben und Krankenversicherungsbeiträge (ohne Unfallversicherung) beträgt für Arbeitgeber 33,8 Prozent des Bruttoverdienstes, für Arbeitnehmer 11 Prozent.
Rentenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 21,5 |
Krankenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 9,0 |
Abgabe für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Mutterschaftsschutz (Arbeitgeberanteil) | 2,1 |
Arbeitslosenversicherung (Arbeitgeberanteil) | 1,2 |
Sonstige Versicherungen (Arbeitgeberanteil) - siehe Anmerkung zu Unfallversicherung | 0,28 - 5,04 |
Erläuterungen zur Beitragsbemessung
Es gilt eine einheitliche Bemessungsgrenze für alle Sozialabgaben (außer Krankenversicherung). Sie entspricht 2022 einem Jahreseinkommen ab dem 48-fachen des durchschnittlichen Monatslohns, 2022 also 1.867.728 Kč (circa 75.923 Euro). Für 2023 rechnet das Finanzministerium mit einem Monatslohn von 43.140 Kč (etwa 1.760 Euro). Die Beitragsbemessungsgrenze steigt dadurch auf 1.935.552 Kč, umgerechnet circa 79.000 Euro.
Der Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung hängt vom Gefährdungspotenzial der Branche ab. Im Produktionssektor liegt er in der Regel bei 0,84 Prozent des für die Sozialversicherung herangezogenen Bemessungsbetrags. Banken, Versicherungen und Verlage müssen nur 0,28 Prozent bezahlen, Bergbaubetriebe 5,04 Prozent. Die Mindestprämie beträgt 100 Kč je Quartal.