Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Energiesicherheit
Tschechiens Regierung will Energiepreisschocks abfedern
Geplant sind ist ein Spartarif für Haushalte, die Aussetzung der Umlage für erneuerbare Energien und eine mögliche Umstrukturierung des größten tschechischen Stromkonzerns.
01.07.2022
Von Miriam Neubert | Prag
Im Kampf gegen die steigenden Energiepreise will die tschechische Regierung rund 66 Milliarden Kronen, umgerechnet 2,7 Milliarden Euro einsetzen. Bei der Vorstellung der geplanten Hilfen sprach der Minister für Industrie und Handel, Jozef Síkela, von einem „Kriegspaket“. Die Regierung hat am 22. Juni 2022 den Entwurf einer Novelle des Energiegesetzes verabschiedet, der es ihr erlaubt, einen Zuschuss für einen Spartarif einzuführen und damit flexibler auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Stimmt das Parlament zu, bekommt der Staat die Möglichkeit, mit Beginn der neuen Heizperiode für Endverbraucher den Strom- und Gaspreis zu senken. Details über Höhe und konkrete Tarifparameter müssen noch geregelt werden.
Nachlässe in der Energierechnung
Grundsätzlich geht es um Nachlässe für private Haushalte in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Strom- oder Gastarifvertrag, von ihrem Verbrauch und wofür sie Strom und Gas einsetzen. Ohne Antrag sollen sie automatisch in die Energierechnung eingehen. Der Staat gibt die Gelder den Distributionsfirmen. Minister Síkela zufolge könnte die Entlastung je nach Vertrag und anderen Parametern bis zu 16.000 Kronen (rund 620 Euro) pro Haushalt und Jahr betragen. Ferienhäuser oder das Laden von Elektroautos werden davon nicht erfasst. Die Spartarife starten mit Beginn der neuen Heizperiode ab Oktober. Bis Oktober 2023 sollen umgerechnet 1,1 Milliarden Euro dafür aufgewandt werden.
Auch die ans Fernwärmenetz angeschlossenen Wohngebäude und solche mit eigenem Heizkessel sollen von Nachlässen profitieren. Geplant ist eine Variante, bei der der Staat den Heizkraftwerken umgerechnet 400 Millionen Euro zur Modernisierung zur Verfügung stellt. Im Gegenzug verpflichten sich diese, ihren Abnehmern die Preise nicht zu erhöhen. Diese Version unterliegt jedoch einer Notifizierung der Europäischen Kommission. Eine alternative Variante wäre ein Spartarif.
Umlage auf Erneuerbare entfällt auch für Firmen
Neben den Haushalten werden auch die Unternehmen davon profitieren, wenn ab Oktober 2022 bis Ende 2023 die Pflichtgebühr für erneuerbare Energien entfällt. Haushalte könnten ab Herbst dadurch für jede verbrauchte Megawattstunde Strom 600 Kronen sparen.
Sparmaßnahme | Ausgaben in Mrd. Kč | Ausgaben in Mrd. Euro *) |
---|---|---|
Entlastungspaket insgesamt, davon | 66,0 | 2,67 |
Energiespartarif | 27,0 | 1,09 |
Befreiung von Gebühren zur Förderung der erneuerbaren Energiequellen | 23,0 | 0,93 |
Förderung der Heizkraftwerke und darüber Entlastung der Fernwärmebezieher | 10,0 | 0,40 |
Förderung der Kessel in Wohnhäusern | 3,6 | 0,15 |
Ausgleich der indirekten Kosten für Betriebe in energieaufwändigen Branchen | 2,0 | 0,08 |
Drei Schlüsselaufgaben der Politik
"Wir müssen den Menschen und den Unternehmen helfen, den Preisschock zu bewältigen, der uns im Zusammenhang mit der Energie in den kommenden Wochen erwartet", sagte Premierminister Petr Fiala in einer Ansprache an die Nation, die das Thema der Energiesicherheit in den Vordergrund stellte. Diese Unterstützung zählte er zu den drei Hauptaufgaben, die die Regierung dringend lösen müsse, damit das Land die "die grundlegende Bedrohung der energetischen Abhängigkeit von Putins Russland" schnell bewältigen könne.
Die beiden anderen Schlüsselaufgaben: Ausreichend Gas für den Winter sicherzustellen und durch eine möglichst rasche Abnabelung von Russland energetisch unabhängig zu werden. Eine Republik, die in der Lage sei, selbst ein Maximum an Energie zu erzeugen, zu annehmbaren Preisen. Und die im Fall der Einfuhr von Gas und Öl souverän entscheiden könne, von wem und zu welchen Preisen sie einkaufe. Fiala zufolge wird das zwei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen.
Umstrukturierung des Stromkonzerns ČEZ
Als Teil seiner Strategie strebt Tschechiens zudem in naher Zukunft die Kontrolle über das Netz der tschechischen Schlüsselkraftwerke und damit der Stromproduktion an. Er entfesselte damit eine Debatte in den Medien zur möglichen Umstrukturierung des staatlichen Energiekonzerns ČEZ, der zu 30 Prozent in der Hand von privaten Minderheitsaktionären ist. Acht der zehn größten Stromquellen gehören nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung Hospodářské noviny ČEZ, darunter die beiden Atomkraftwerke Dukovany (2.040 Megawatt) und Temelín (2.250 Megawatt).
Geht es nach dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von ČEZ, Pavel Cyrani, soll der Plan zu einer möglichen Transformation der Energiegruppe auf der Hauptversammlung im Jahr 2023 vorgestellt werden. Eine Entscheidung über die Aufteilung der Energiegruppe sei bisher nicht gefallen, sagte er laut der Nachrichtenagentur ČTK auf der Hauptversammlung am 28. Juni 2022. Er verwies auf den Trend in der europäischen Energiewirtschaft, in der sich Unternehmen immer stärker in zwei Felder differenzieren - Produktion und Kundendienstleistungen.
Schritte, die die Energiesicherheit verbessern
Als Schritte aus der Energieabhängigkeit von Russland zählt die Regierung auf: die Ausschreibung des AKW-Blocks Dukovany unter Ausschluss russischer oder chinesischer Anbieter; eine zweijährige Ausnahmeregelung für Tschechien beim europäischen Embargo für russisches Erdöl und die geplante Erweiterung der transalpinen Erdölpipeline TAL; Verhandlungen mit Polen über einen Neustart des Gaspipline-Projekts Stork 2; den gerade gewonnenen Anteil an einem LNG-Terminal in den Niederlanden; den Kauf des für den Kernkraftsektor wichtigen Unternehmens Škoda JS von russischen Eigentümern durch den Energiekonzern ČEZ.
Als einen weiteren Schritt zur Steigerung der Energiesicherheit meldete ČEZ, dass der Einkauf von Brennstäben für das AKW Temelín diversifiziert wird und Lieferverträge mit der US-amerikanischen Westinghouse und Frankreichs Framatome unterschrieben wurden. Diese werden die Lieferungen des russischen Anbieters TVEL ablösen.
Tschechiens Regierung drängt auf eine Füllung der Erdgaslager vor Winterbeginn. Ende Juni waren diese dem Ministerium für Industrie und Handel zufolge zu 69 Prozent gefüllt. Eine Novelle des Energiegesetzes soll sicherstellen, dass Firmen, die über Lagerkapazitäten an tschechischen Gastanks verfügen, diese reservierten Volumina aber nicht nutzen, den Anspruch auf sie verlieren. Die Kapazitäten werden dann in einer Auktion versteigert. Die Energieregulierungsbehörde ERÚ startete ein öffentliches Konsultationsverfahren zu diesen neuen Regeln des "Use it or lose it" auf dem Gasmarkt.