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Special | Zentralasien | Konnektivität

Neue Wirtschaftsachse: Golfstaaten entdecken Zentralasien

Arabische Investoren setzen stärker auf Usbekistan und Kasachstan. Erneuerbare Energien sind im Fokus. Das Interesse der Zentralasiaten ist groß – das Verständnis füreinander auch.

Von Edda Schlager | Berlin

Kaum ein Monat vergeht, in dem der Kraftwerksentwickler ACWA Power aus Saudi-Arabien kein neues Großprojekt für die Nutzung erneuerbarer Energien in Usbekistan verkündet. "Das ist für uns nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Markt“, sagt Jon Zaidi, Landesdirektor von ACWA Power in Usbekistan. Ganze 31,5 Milliarden US-Dollar (US$) hatte ACWA Power bis Ende 2023 in Usbekistan investiert; in Saudi-Arabien waren es in der gleichen Zeit nur 190 Millionen US$.

In Usbekistan hat der saudische Konzern auch seinen Regional-Hub aufgebaut, von wo es den gesamten Markt in Zentralasien, Aserbaidschan und der Türkei erschließt. "Die Dinge entwickeln sich hier in Lichtgeschwindigkeit", sagt Zaidi und lobt die usbekische Regierung als "außergewöhnlich investorenfreundlich". 

Beispiele für aktuelle Großprojekte von ACWA Power in Usbekistan:

  • September 2024: Vertrag mit der japanischen Sumitomo-Group für fünf Erneuerbare-Energien-Projekte, inklusive Speichersystemen (Gesamtkapazität 2,5 Gigawatt, 4,2 Milliarden US$) 
  • August 2024: Spatenstich für ein 200-Megawatt-Windkraftwerk samt 100-Megawatt-Batteriespeichersystem im usbekischen Karakalpakstan
  • Juli 2024: Finanzierung der 200-Megawatt-Solaranlage Riverside in Taschkent mit dem größten Batteriespeichersystem in Zentralasien steht (533 Millionen US$) 

Usbekistan und Kasachstan wichtige Märkte für erneuerbare Energien

Ebenfalls in Usbekistan präsent ist Masdar, der auf erneuerbare Energien spezialisierte Staatskonzern der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sieben Projekte für Wind- und Solarkraft setzt das Unternehmen derzeit in Usbekistan um – und damit genauso viele wie in Ägypten und den USA, seinen wichtigsten Märkten neben dem Heimatmarkt. 

Auch Kasachstan ist an den arabischen Investoren interessiert. Im Jahr 2023 unterzeichneten die kasachische Regierung und ACWA Power die Roadmap für ein 1-Gigawatt-Windenergie- und Batteriespeicherprojekt. Masdar schloss im selben Jahr einen Vertrag für ein 1-Gigawatt-Windkraftwerk. Im September 2024 empfing die kasachische Regierung Vertreter der Arabischen Koordinierungsgruppe (Arab Coordination Group, ACG). Dabei stellte die ACG Kasachstan weitere Investitionen im Umfang von 7 Milliarden US$ in Aussicht für Projekte in den Sektoren Transport und Infrastruktur, Energie, Wassermanagement und Gesundheit.

Zur Arabischen Koordinierungsgruppe (Arab Coordination Group, ACG) gehören die staatlichen Entwicklungsfonds von Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie multilaterale Geber wie die Islamische Entwicklungsbank und der OPEC-Fonds für internationale Entwicklung. Die ACG unterstützt insbesondere Entwicklungsländer bei der grünen Transformation. 

Zwar sind die Außenhandelszahlen von Usbekistan und Kasachstan mit den Golfstaaten bisher eher unbedeutend und stehen weit hinter denen mit Russland, China und der EU zurück. Doch schon jetzt gehören Saudi-Arabien und die VAE zu den wichtigsten Herkunftsländern ausländischer Direktinvestitionen in Usbekistan und Kasachstan.

Hoher Energiebedarf schiebt Wind- und Solarprojekte an

Woher kommt das Interesse arabischer Investoren an Zentralasien? Zum einen passt das Geschäftsfeld der erneuerbaren Energien von Konzernen wie ACWA Power und Masdar ideal zum rasant wachsenden Energiebedarf in Zentralasien.

Bisher erzeugen Kasachstan und Usbekistan Energie vorwiegend mit Öl, Kohle und Gas, da sie über große Vorkommen davon verfügen. Doch die natürlichen Bedingungen für die Nutzung von Wind- und Solarenergie in Zentralasien sind günstig. Und so setzen die Regierungen auf einen massiven Ausbau erneuerbarer Energien. Usbekistan will deren Anteil am Strommix von etwa 10 Prozent im Jahr 2023 auf 40 Prozent im Jahr 2030 erhöhen, Kasachstan von fast 6 Prozent auf 15 Prozent.

ACWA-Power-Manager Zaidi nennt weitere Gründe für die Aktivitäten in Zentralasien: "Usbekistan ist ein muslimisches Land – wir teilen also grundsätzliche kulturelle Werte. Zum anderen ist hier die Geschäftsanbahnung auf Regierungsebene üblich, also G2G, was uns entgegenkommt."

Die Rolle der kulturellen Nähe bestätigt Kanat Kudaibergen. Der Kasache ist geschäftsführender Partner von GreyWolf Management, einer Consultingfirma im kasachischen Bergbausektor, und hat 2023 den kasachisch-saudischen Business Council gegründet. "Das Interesse der Saudis ist groß", sagt Kudaibergen, "besonders in den Bereichen Bergbau, Ernährungssicherheit, Tourismus und Infrastruktur."

Golfstaaten und China kooperieren in Zentralasien, EU kofinanziert

Umgesetzt werden die Großprojekte von Masdar und ACWA Power in Zentralasien oft mit chinesischen Partnern. Die entwickeln hier selbst komplette Projekte, liefern aber auch Ausrüstungen wie Solarpanele oder Windturbinen an arabische Käufer. Mit dem Staatskonzern Power China zum Beispiel baut ACWA Power in Usbekistan die erste Windkraftanlage (52 Megawatt) zur Produktion von grünem Wasserstoff für die Herstellung von Stickstoffdünger. Die Elektrolyseure mit 20 Megawatt Leistung lieferte die chinesische Firma Longi. Finanziert wird das Projekt mit einem Darlehen der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Höhe von 55 Millionen US$ und bis zu 10 Millionen US$ aus Kanada im Rahmen des Sonderfonds für die High Impact Partnership on Climate Action.

"Preislich und logistisch sind chinesische Produkte für uns am günstigsten", so ACWA-Power-Manager Zaidi, da könnten Produkte deutscher Unternehmen nicht mithalten. Zwar sei man mit Siemens beispielsweise grundsätzlich im Gespräch, aber bisher habe sich noch keine Zusammenarbeit ergeben, so Zaidi. 

Auch deutsche Unternehmen investieren in Zentralasien

Deutsche Investitionsprojekte im Bereich erneuerbarer Energien sind in Zentralasien mit seinem wachsenden Energiehunger jedoch durchaus willkommen – auch wenn dies angesichts der agilen chinesischen, arabischen, aber auch europäischen Konkurrenz schwieriger wird. 

So will Svevind mit einer Investition von 50 Millionen Euro ab 2030 in Kasachstan pro Jahr rund 2 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff erzeugen. Der in Kasachstan im eigenen Werk produzierende Armaturenhersteller Böhmer ist mit seinen Kugelhähnen bereits auf Anforderungen im wachsenden Wasserstoff-Sektor eingestellt. Goldbeck Solar betreibt einen der größten Solarparks in Kasachstan. Und das deutsch-usbekische Joint Venture Graess Energy UzDE der German Energy Group plant einen 600-Megawatt-Solarpark in Usbekistan, Investitionssumme 500 Millionen US$. Mit guten Vorschlägen, das deuten kasachische und usbekische Regierungskreise immer wieder an, stünden deutschen Investoren alle Türen offen. Die EU-Konnektivitätsinitiative Global Gateway mit ihren Flagship-Projekten in Zentralasien kann dafür eine gute Basis sein.

Logistik und Infrastruktur als weitere Schwerpunkte

Kasachstan und Usbekistan, die ihre verarbeitende Industrie entwickeln und sich als neue Beschaffungsmärkte etablieren wollen, betreiben aktiv die Anbindung an internationale Transportkorridore wie den Mittleren Korridor oder den Internationalen Nord-Süd-Transportkorridor (International North-South Transport Corridor). Gerade letzterer ist auch für die Verbindung mit den Golfstaaten wichtig. 

Investitionen in zentralasiatische Häfen, Flughäfen und Trockenhäfen fassen die Investoren vom Persischen Golf deshalb auch ins Auge. So könnte Vision Invest aus Saudi-Arabien, das auch Anteile an ACWA Power hält, künftig den Betrieb des Flughafens im usbekischen Andijan übernehmen. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde im Frühjahr 2024 mit der usbekischen Regierung unterzeichnet. 

Der Hafenbetreiber und Logistiker Abu Dhabi Ports aus den VAE baut mit dem Bau eigener Terminals seine Präsenz in den kasachischen Häfen Aktau und Kuryk aus. Zudem betreibt das Unternehmen gemeinsam mit der kasachischen Reederei KazMorTransflot zwei Öltanker auf dem Kaspischen Meer. 

Auch die Handelsbilanz zwischen den Golfstaaten und Zentralasien könnte in den kommenden Jahren steigen. Denn die VAE planen ein Freihandelskommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), zu der neben Russland, Belarus und Armenien auch Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan in Zentralasien gehören. Seit 2023 wird das Abkommen verhandelt, bis Ende 2024 soll es verabschiedet werden. 

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