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Hochbau: Erdbebensicheres Bauen

Der Wiederaufbau im Erdbebengebiet und der Wandel der gefährdeten Gebiete wird die Bauwirtschaft die nächsten Jahre beschäftigen.

Von Katrin Pasvantis | Istanbul

Innerhalb eines Jahres sollen dem Minister für Umwelt und Stadtplanung Murat Kurum zufolge 319.000 Wohnungen für Betroffene der verheerenden Erdbeben im Osten der Türkei fertiggestellt werden, die anschließend auf 650.000 Einheiten erhöht werden. Die Finanzierung ist noch unklar. Die ersten 100.000 Wohnungen sind Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zufolge bereits im Bau. Bei den Beben im Februar 2023 wurden über 160.000 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt. Davon sollen viele alt oder instabil gewesen sein. Die Katastrophe hat deshalb auch das Thema erdbebensicheres Bauen in den Fokus der Bevölkerung und der Politik gerückt.

Die Bauvorschriften sind bereits 1999 nach dem starken Erdbeben von Izmit, das die Nordtürkei und auch die Region Istanbul traf, verschärft worden. Gebäude, die nach 1999 gebaut wurden, gelten deshalb gemeinhin grundsätzlich als erdbebensicher. Jedoch sind teils Zweifel an der Umsetzung der Vorschriften geblieben. Außerdem wurde 2012 landesweit das Urban Transformation Program zur Sanierung erdbebengefährdeter Gebäude initiiert. Allerdings sind bis heute Tausende Gebäude noch nicht abgerissen oder saniert worden.

Die Kosten für Wiederaufbau und Reparatur in den Erdbebenregionen schätzte der türkische Verband der Baustoffhersteller, İMSAD, Anfang April auf 70,8 Milliarden US-Dollar. Die Anzahl der insgesamt in der Erbebenregion beschädigten Gebäude, also nicht nur der zerstörten oder schwer beschädigten, schätzt İMSAD auf 704.281 Gebäude von 2,62 Millionen Gebäuden.

Erdbeben ändert Nachfrage nach Wohnraum

Das Erdbeben hat die Sichtweise auf das Wohnen geändert. Dauerhaftigkeit steht durch die Angst vor neuen Beben in Risikogebieten an erster Stelle der Wohnpräferenz. Die Nachfrage nach neuem Wohnraum und nach Bauten aus der Zeit nach 1999 ist stark gestiegen.

Als besonders gefährdet gilt Istanbul. Wissenschaftler warnen seit Jahren vor einem Beben der Stärke 7,5 oder höher in der Metropole. Viele Hausbesitzer und Mieter in Istanbul wollen derzeit die Sicherheit ihrer Gebäude evaluieren lassen. Berichten zufolge sind die Preise für Gutachten zur Evaluierung der Erdbebensicherheit von Gebäuden stark gestiegen. Eigentümer und Mieter können zudem kostenlose Gutachten über die Stadtverwaltung beantragen. Allerdings sind die Wartelisten lang.  

Das städtische Transformationsprogramm (Kentsel Dönüsüm) zur Sanierung erdbebengefährdeter Wohngebiete wurde bereits 2012 gestartet, kam aber zunächst kaum voran. Im Jahr 2019 wurde eine Wiederbelebung des Programms angekündigt. Gefährdete Gebäude werden entweder vom Staat abgerissen und neu gebaut (in der Regel über die türkische Wohnungsbaubehörde TOKİ) oder die Eigentümer können mit staatlicher Förderung über vergünstigte Kredite, Garantien und einem reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Bauaufträge, Neubauten über private Baufirmen abwickeln.

Landesweit sind Staatspräsident Erdoğan zufolge derzeit 6,5 Millionen Wohnungen besonders erdbebengefährdet und müssen erneuert werden. Allein in Istanbul sollen 220.000 Gebäude und 1,5 Millionen Wohnungen zur Risikogruppe gehören. In den letzten Jahren wurden über das Transformationsprogramm 3,3 Millionen Wohnobjekte erneuert und zahlreiche Gebäude untersucht. Medienberichten zufolge sollen infolge der jüngsten Erdbeben die anstehenden Erneuerungen schneller umgesetzt werden. Der Fokus dürfte auf Istanbul liegen. Staatspräsident Erdoğan erklärte in einer Fernsehsendung am 18. April 2023 in Istanbul zwei neue Städte, im Prinzip Satellitenstädte mit einer Bevölkerung von je 1 Million, bauen zu wollen. Eine Stadt auf der asiatischen Seite und die andere auf der europäischen, wobei die Bevölkerung auf der europäischen Seite mit jeweils 500.000 auf beide Seiten des neuen Kanals verteilt werden soll. Die Details sind noch nicht bekannt. 

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