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Pkw-Produktion weiterhin schwach
Impulse für die Produktion und Entwicklung der Fahrzeugindustrie gehen derzeit vor allem von öffentlichen Aufträgen und vom Bedarf des Verteidigungssektors aus.
08.10.2024
Von Waldemar Lichter | Warschau
Ziel der ukrainischen Regierung ist, die lokale Auto- und Zulieferindustrie zu stärken. Premierminister Denys Shmyhal brachte den Aufbau von Kapazitäten für Batterieproduktion ins Gespräch. Diese könnten in der Schaffung einer kompletten Wertschöpfungskette bis hin zur Fertigung von Elektrofahrzeugen münden. Basis dafür sollen die reichen Lithiumvorkommen in der Ukraine sein.
Bisher hält sich die gezielte Sektorförderung jedoch in Grenzen. Einzig im Gesetz 1660-IX vom 12.8.21 sind einige auf 0 Prozent reduzierte Steuer- und Zollsätze vor allem für Hersteller von Elektroautos, Batterien und Ladestationen vorgesehen – beispielsweise für die Gewinnsteuer (bis 2035), für die Mehrwertsteuer sowie den Importzoll auf Ausrüstungen und Bauteile (bis 2031).
Ein einziger Pkw-Hersteller noch aktiv
Dies scheint als Standortmagnet nicht auszureichen: Neue Vorhaben oder Investoren in der Pkw-Sparte sind nicht in Sicht. Das in der Westukraine ansässige Unternehmen Evrocar bleibt der einzige Hersteller von Pkw im Land. Nach einer kurzzeitigen Unterbrechung nach Ausbruch des Krieges hat das Werk zwar die Semi-Knocked-Down-Montage (SKD) im Juni 2022 wieder aufgenommen. Im 1. Halbjahr 2024 legte die Produktion sogar um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu. Die erreichte Stückzahl von 1.186 Fahrzeugen verbleibt jedoch deutlich unter den Kapazitäten.
Bushersteller wollen Produktpalette erweitern
Die Busfertigung ist derzeit die einzige Sparte innerhalb der ukrainischen Automobilindustrie, die über schlichte SKD-Montage hinausgeht. Hersteller sind Saporisky Awtomobilebudiwny Sawod (ZAZ), Tschernihiwskyj Awtosawod (ČAZ) sowie Tscherkassy Bus, der auf Chassis von Isuzu aufbaut. Die Nachfrage ist jedoch schwach und der Absatz gering, so dass die Stimmung der ukrainischen Hersteller eher gedämpft ist. Daran ändern auch die staatlichen Programme wenig, etwa zur Beschaffung von Schulbussen, da die Fördervolumina gering sind und für zu wenig Nachfrageschub sorgen.
Impulse für die ukrainische Busindustrie könnten von den Bemühungen der Regierung um Klimaschutz und Stärkung der Elektromobilität ausgehen. So soll die Fahrzeugflotte im öffentlichen Personennahverkehr zügig auf klimafreundliche Antriebe umgestellt werden. Ab dem 1. Januar 2036 werden nur noch Elektrobusse und Busse mit Flüssigerdgas-, Methan- oder Biogasantriebe sowie Busse mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle (Zelle) für den Verkehr zugelassen.
Bedarf an Spezialfahrzeugen treibt Nutzfahrzeugproduktion an
Die Produktion von Nutzfahrzeugen bleibt zwar unbedeutend. Allerdings profitieren die Unternehmen dieser Sparte von stark gestiegenen staatlichen Aufträgen – etwa zur Ausstattung der Verteidigungskräfte. Als erfolgreich gelten auch Unternehmen, die eine Nische für sich gefunden haben: die Produktion von Nutzfahrzeugen mit Aufbauten für besonderen Bedarf, etwa der Feuerwehr, des Gesundheitswesens oder für die Reparatur beschädigter Stromnetze. Zu solchen Firmen gehören beispielsweise Spez-Kom-Service (SKS), AvtoSpezProm oder Pozhmashina.
Ein weiteres Unternehmen mit neuer Ausrichtung ist Budshlyakhmash, das 2024 mit der Montage chinesischer JAC-Lkw in der Ukraine und deren Ausrüstung mit speziellen Aufbauten begann. Ferner haben Avtek die Fertigung von Muldenkippern auf Ford-Basis und der Hersteller von Kommunaltechnik Alfatex die Montage von Dayun-Lkw-Modelle in der Ukraine aufgenommen.
Grüne Mobilität in der Planungsphase
Verfolgt werden einige wenige Projekte zur Aufnahme der Produktion von Fahrzeugen mit Elektroantrieb. Dazu gehört vor allem der frühere Hersteller von Nutzfahrzeugen LUAZ. Das Unternehmen will die SKD- und Completely-Knocked-Down-Montage (CKD) von kleinen Elektro-Pickups und SUV aufnehmen und die Produktion in der Ukraine nach und nach lokalisieren. Ein Vorhaben zur Entwicklung und Produktion eines Elektro-SUV im Luxussegment verfolgt nach eigenen Angaben das Unternehmen Ledómotors Automotive Ukraine. Branchenkenner sind jedoch über den Realitätsgehalt und die Aussichten des Projekts skeptisch.
Mit einem Projekt im Bereich wasserstoffbetriebener Fahrzeuge versucht der ukrainische Hersteller von nahtlosen Edelstahlrohren Centravis sein Kundenportfolio um Käufer aus der Automobilzulieferindustrie zu erweitern. Zusammen mit der französischen Firma Duncha France hat das ukrainische Unternehmen Anfang 2024 ein Projekt zur Entwicklung von Automobilen mit Brennstoffzellen für den EU-Markt gestartet. Centravis bringt in das Projekt seine hochpräzisen nahtlosen Edelstahlrohre H2FIT ein.