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Ukraine: Rechtsverfolgung

Hinweis: Der Geschäftsverkehr mit der Ukraine ist wegen des Krieges eingeschränkt. Bitte beachten Sie, dass sich die Rechtslage jederzeit kurzfristig ändern kann.

Die Ukraine hat umfassende Reformen im Justizwesen und der Gesetzgebung durchgeführt, um das ukrainische Recht mit dem EU-Recht zu harmonisieren.

Von Yevgeniya Rozhyna, Dmitry Marenkov

Gerichtssystem 

Das Gerichtssystem der Ukraine umfasst die ordentliche, die Wirtschafts- und die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit jeweils eigenem Instanzenzug (Amtsgericht, Berufungsgericht, Oberstes Gericht). Während Wirtschaftsgerichte (hospodars’ki sudy) für Wirtschaftsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen und/oder Einzelunternehmern erstinstanzlich und streitwertunabhängig zuständig sind, werden vor den ordentlichen Gerichten allgemeine Zivil- und Strafsachen verhandelt. Die Überprüfung von Urteilen im Berufungs- und Kassationsverfahren wird vor dem Obersten Gericht verhandelt. Es ist die höchste und letzte Gerichtsinstanz in der Ukraine.

Die wichtigsten Prozessordnungen sind:

Prozessbevollmächtigte

In Zivil- und Wirtschaftssachen besteht kein Anwaltszwang. Für juristische Personen können vor Gericht deren Organe beziehungsweise Vertreter auftreten. In Arbeitssachen und bei geringfügigen Streitwerten können Mandanten als sogenannte Rechtsexperten die Vertretung übernehmen. Prozessbevollmächtigte sind qualifizierte zugelassene Rechtsanwälte, die die Vertretung von Mandanten übernehmen dürfen (Art. 58-60 ZPO).

Beteiligen sich ausländische Personen, haben sie dieselben Rechte und Pflichten im Prozess wie inländische Personen (Art. 410-419 ZPO, Art. 123-129 WirtPO). Das Gericht kann jedoch einen Nachweis der Rechtsfähigkeit in Form einer Registrierungsbescheinigung oder eines Handelsregisterauszuges verlangen.

Prozesskosten 

Die Gerichtskosten sind in dem Gesetz über die Gerichtsgebühr geregelt. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die unterlegene Partei, beim teilweisen Obsiegen werden die Kosten verhältnismäßig geteilt (Art. 88 ZPO, Art. 49 WirtPO).

Vollstreckung von Urteilen

Die Zwangsvollstreckung wird durch das Gesetz über das Zwangsvollstreckungsverfahren (Закон про виконавче провадження) und das Gesetz Nr. 1403-VV über die Organe und Personen der Zwangsvollstreckung von Gerichtsentscheidungen geregelt. Neben dem Einsatz von staatlichen Gerichtsvollziehern (deržavnyj vykonavec) können auch private Gerichtsvollzieher (pryvatnyj vykonavec) eingesetzt werden.

Es existiert ein allgemein zugängliches einheitliches Schuldenregister, Art. 9 ZPO. Darin sind alle Schuldner eingetragen gegen die Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet worden sind. Darüber hinaus wurde eine elektronische Datenbank zu Vollstreckungsmaßnahmen (Avtomatyzovana systema vykonavčogo provadžennja) geschaffen, Art. 8 ZPO. Ferner besteht die Möglichkeit, ein Vollstreckungsdokument in elektronischer Form einzureichen.

Für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Gerichtsentscheidungen sind erstinstanzliche Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuständig. Gemäß Artikel 462 ZPO werden ausländische Gerichtsentscheidungen bei Vorliegen eines entsprechenden internationalen Abkommens oder auf Grundlage des Gegenseitigkeitsprinzips anerkannt und vollstreckt.

Seit dem 1. September 2023 können Gerichtsurteile nach dem Haager Urteilsübereinkommen in Zivil- und Handelssachen vollstreckt werden. Nach dem ukrainischen Recht sind völkerrechtliche Verträge vorrangig vor den nationalen Vorschriften anzuwenden. Daher wird das Übereinkommen für die Vollstreckung von Zivil- und Handelsurteilen in der Praxis vermehrt Anwendung finden. Es vereinfacht die Vollstreckung und stärkt die Vorhersehbarkeit.

Für Urteile aus Steuer- und Zollsachen gilt das bisherige Verfahren: Eine Entscheidung des ausländischen Gerichts kann innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten vollstreckt werden. Dies gilt jedoch nicht für Entscheidungen über Dauerschuldverhältnisse (Art. 463 ZPO). Der Antrag auf Anerkennung wird von dem ordentlichen Gericht am Sitz des Schuldners verhandelt oder, wenn dieser nicht in der Ukraine existiert, bei dem Gericht, innerhalb dessen Bezirks Vermögenswerte des Schuldners liegen (Art. 464 ZPO). Die Ablehnungsgründe für die Anerkennung der Vollstreckung von ausländischen Urteilen sind in Artikel 468 ZPO geregelt: Ein Urteil kann unter anderem dann nicht anerkannt werden, wenn gegen das Prinzip der ausschließlichen Zuständigkeit der ukrainischen Gerichte verstoßen wurde.

Schiedsverfahren

Um den Schwierigkeiten einer Prozessführung im Ausland zu entgehen, empfiehlt sich das Schiedsverfahren. Das ukrainische Schiedsverfahrensrecht ist im Gesetz Nr. 4002-XII über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit enthalten, das mit minimalen Abweichungen das UNCITRAL-Modellgesetz umsetzt. Daneben besteht noch das Gesetz über Schiedsgerichte (Закон о про третейські суди), das auf Schiedsverfahren auf nationaler Ebene Anwendung findet. 

Zu beachten ist, dass für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Abschluss, Änderung, Kündigung und Erfüllung von Wirtschaftsverträgen im Rahmen von öffentlichen Ausschreibungen sowie gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Unternehmenskaufverträge nicht inbegriffen) nach ukrainischem Recht die objektive Schiedsfähigkeit nicht gegeben ist. Solche Streitigkeiten können somit nicht den Schiedsgerichten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zur Entscheidung übertragen werden. Ferner wird das Fehlen der objektiven Schiedsfähigkeit teilweise auch auf die Gegenstände der ausschließlichen Zuständigkeit ukrainischer Gerichte erstreckt.

Die ergangenen Schiedssprüche können durchgesetzt werden. Die Durchsetzung der Schiedssprüche richtet sich nach dem Gesetz über die Zwangsvollstreckung und über die international geltenden Übereinkommen.

Anträge auf Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen sind, beim erstinstanzlichen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit am Sitz des Schuldners zu stellen. Es ist die Besonderheit zu beachten, dass ausländische Schiedssprüche nur innerhalb von drei Jahren seit Erlass vollstreckt werden können.

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