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Aerial view of the Ukrainian flag waving in the wind against the city of Kyiv, Ukraine near the famous statue of Motherland. Aerial view of the Ukrainian flag waving in the wind | © ingusk- stock.adobe.com

Special Ukraine Konnektivität

Wie Russlands Krieg weltweit Lieferketten zerreißt

Seit dem 24. Februar führt Russland einen Krieg gegen die Ukraine. Auch für die Logistik sind die Folgen spürbar. Zwischen China und Europa kommen Warenströme zum Erliegen.

Russlands Krieg gegen die Ukraine hat eine humanitäre Katastrophe inmitten von Europa geschaffen. In den ersten vier Wochen des Krieges sind über vier Millionen Menschen aus dem zweitgrößten Flächenland Europas geflüchtet. Weitere sechs Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine geflohen. Russische Bomben zerstörten die Hafenstadt Mariupol.

Auch für den internationalen Warenhandel hat der Krieg Folgen. Viele Verbindungen zwischen Westeuropa und China sind auf die Ukraine, auf Belarus oder auf Russland als Transitland angewiesen.

Neben der zerstörten Infrastruktur in den Häfen der Ukraine wirken sich auch die gegen Russland erhobenen Sanktionen auf die internationalen Warenflüsse aus. Zugverbindungen zwischen China und Europa über russisches Territorium werden teilweise ausgesetzt.

  • Liefer- und Logistikkette wird nochmals störanfälliger

    Russlands Krieg gegen die Ukraine und Corona-Lockdowns in China behindern den chinesischen und internationalen Bahn- und Luftverkehr. Die Situation dürfte sich weiter zuspitzen.

    Die Beschaffung aus China, dem mit weitem Abstand größten Hersteller vieler Konsum- und Investitionsgüter, gestaltet sich immer schwieriger. Die ohnehin schon störanfälligen weltweiten Lieferketten geraten weiter unter Druck. Das Problem ist teilweise hausgemacht: Die Volksrepublik verfolgt eine strikte Null-Covid-Politik. Selbst bei kleineren Ausbrüchen setzt sie auf Lockdowns ganzer Metropolen, wie zuletzt Shanghai. Zwar hat die Zentralregierung versprochen, man wolle die Maßnahmen punktgenauer vornehmen, um den wirtschaftlichen Schaden gering zu halten. Doch in der Realität ist davon eher wenig zu spüren.

    Corona führt zu Einschränkungen auf Verkehrsrouten in China  

    Seit dem Jahresbeginn 2022 hat sich die Pandemielage rapide verschlechtert, auch wenn die Ansteckungszahlen für westliche Verhältnisse äußerst gering blieben. Es herrscht große Angst vor einem Ausbruch im Stile Hongkongs. In der Sonderverwaltungsregion (SVR) lag die Sieben-Tage-Inzidenz Anfang März laut Zahlen des Centre for Health Protection bei über 3.000. Die Todesrate war laut Our World Data die mit Abstand höchste der Welt. Eine derartige Welle könnte das chinesische Gesundheitssystem nicht meistern; schon im höher entwickelten Hongkong ist es partiell kollabiert.

    Wenn sich in China die Pandemie ähnlich wie in Hongkong entwickelt, käme es wohl zu enormen Störungen der globalen Lieferketten.

    Daher setzt Beijing auf eine nochmals striktere Einhaltung der Null-Covid-Politik. In mehreren Städten kam es im März 2022 zu umfangreichen Einschränkungen. Zahlreiche Zug- und Busverbindungen wurden gestrichen. Besonders stark war der Nordosten des Landes betroffen. Dort mussten viele Fabriken schließen, was zu Lieferengpässen in anderen Landesteilen führte. In der Hightech-Metropole Shenzhen kam es zu einem kompletten Lockdown. Auch in Shanghai durften viele Bewohner ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Airlines wurden angewiesen, die beiden Flughäfen der Stadt nicht mehr anzusteuern, sondern Airports in den benachbarten Metropolen zu nutzen.

    Airlines müssen wegen Ukraine-Russland-Konflikt Flugrouten umplanen

    Für die Fluggesellschaften sind dies schlechte Nachrichten in einer ohnehin schon schwierigen Zeit, denn seit nunmehr zwei Jahren gibt es praktisch keinen Passagierverkehr mehr zwischen China und dem Rest der Welt. Der Frachtsparte ging es noch recht gut. Doch nun nehmen auch hier pandemiebedingt Störungen und Engpässe zu. Hinzu kommen die Auswirkungen des Ukraine-Russland-Konflikts. So müssen die bisherigen (über russischen Luftraum laufenden) Flugrouten umgeplant sowie neue Überflugrechte ausgehandelt werden. Zugleich treiben die gestiegenen Rohölpreise die Frachtraten weiter in die Höhe.

    Flugverkehr in China im Überblick

    Indikator

    2019

    2020

    2021

    Veränderung 2021/191

    Passagiersparte

    Aufkommen (in Mio.), davon

    659,9

    417,8

    440,6

    -33,2

      inländisch2

    574,6

    407,2

    438,5

    -23,7

      international

    85,3

    10,5

    2,1

    -97,5

    Auslastungsquote (in %)

    83,2

    71,9

    72,4

    -10,83

    Frachtsparte

    Aufkommen (in Mio. t), davon

    7,5

    6,8

    7,3

    -2,8

      inländisch2

    4,9

    4,4

    4,5

    -8,8

      international

    2,6

    2,2

    2,9

    8,1

    Auslastungsquote (in %)

    71,6

    66,2

    66,9

    -4,73

    Starts und Landungen (in Mio.)

    11,7

    9,0

    9,8

    -16,1

    1) auf Basis der ungerundeten Werte; 2) ohne Taiwan, Hongkong, Macau; 3) ProzentpunkteQuelle: Zivile Luftaufsichtsbehörde (CAAC)

    Ein weiterer Leidtragender des Ukraine-Kriegs ist der Bahngüterverkehr zwischen China und Europa. Seit über zehn Jahren gibt es direkte Verbindungen nach Duisburg, Hamburg oder Nürnberg. Im Zuge der Coronapandemie und der weltweiten Engpässe an Transportkapazitäten hatten die Strecken enorm an Beliebtheit gewonnen. Sie waren 2020 und 2021 praktisch voll ausgelastet. Das ändert sich jetzt rasant. Noch fahren laut chinesischen Angaben im März 2022 die Züge. Doch immer mehr Kunden springen ab.

    Firmen meiden Bahntransport zwischen China und Europa

    Viele Unternehmen und Frachtführer meiden aus Angst vor Störungen und Sanktionsverstößen die Strecke. Der Logistikriese Maersk kündigte am 4. März einen entsprechenden Stopp an. Die russische Tageszeitung Vedomosti berichtete, dass chinesische Verlader damit begonnen haben, den Transit von Waren durch Russland in die Europäische Union auszusetzen. Grund sei die Furcht der Frachteigentümer und Exportversicherer um ihre Waren, die bei Verhängung weiterer Sanktionen kurzfristig konfisziert werden könnten.

    Der Bahnverkehr spielt für den chinesischen Außenhandel aber eine untergeordnete Rolle. Er war 2021 laut Angaben der chinesischen Staatsbahn wertmäßig betrachtet nur für gut 1 Prozent des internationalen Warenaustausches verantwortlich. Insgesamt müssen "lediglich" 1,5 Millionen Container von der Schiene auf den Seeweg ausweichen. So viele werden im Shanghaier Hafen in weniger als zwei Wochen umgeschlagen. Allerdings fällt damit ein interessantes Nischenangebot weg. Unternehmen, denen der Schiffsverkehr zu langsam und der Lufttransport zu teuer waren, fanden hier eine gangbare Alternative.

    Im Containerverkehr ist die Lage - noch - relativ entspannt

    Auch im Containerverkehr ist wieder mit mehr Störungen zu rechnen. Die Häfen in der Volksrepublik können nämlich ebenfalls von Lockdowns betroffen sein. Im Spätsommer 2021 hatte es schon einmal eine zeitweise Schließung der Containerterminals in Shenzhen gegeben. Es kam zu enormen Rückstaus, die sich erst nach vielen Wochen wieder auflösten. Die Folgen waren weltweit zu spüren. In Zeiten angespannter Lieferketten macht sich jeder Engpass stark bemerkbar.

    Trotz Russlands Kriegs gegen die Ukraine und der chinesischen Coronakrise sind die Seefrachtraten ab Shanghai in der ersten Märzhälfte 2022 gesunken.

    Bei den Frachtraten spürt man von den Lockdowns indes noch nicht viel. In den ersten beiden Märzwochen gaben sie nach Angaben von Drewry sogar deutlich nach. Auf der Strecke Shanghai-Rotterdam sowie Shanghai-New York lagen die Kassakurse aber am 17. März 2022 immer noch bei gut 12.000 US-Dollar. Sie waren damit noch Welten vom Vorpandemieniveau entfernt.

    Weiterer Stresstest für Lieferketten steht bevor

    Insgesamt bleiben die Lieferketten und Transportwege also sehr teurer und störanfällig. Frühere Hoffnung, ab dem Frühjahr 2022 könnte es zu Entlastungen kommen, haben sich nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil müssen Unternehmen damit rechnen, dass sich die Pandemielage in China weiter zuspitzt und Lieferketten an ihre Grenzen stoßen. Angesichts der ansteckenden Untervarianten von Omikron werden entweder die bewährten Eindämmungsmaßnahmen nicht ausreichend effektiv sein oder sie müssen derart ausgeweitet werden, dass es zu einem teilweisen Stillstand des wirtschaftlichen Lebens kommt.

    Von Roland Rohde | Hongkong

  • Der Ukrainekrieg bringt die Handelsschifffahrt durcheinander

    Auf dem Schwarzen Meer fällt mit dem Hafen in Odessa der größte Hafen aus. Handelsschiffe müssen ausweichen. Das verzögert Lieferketten. Versicherer reagieren bereits.

    Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bringt Lieferketten auf dem Schwarzen Meer durcheinander. Dort sind die Risiken für Handelsschiffe gestiegen. "Versicherer haben die Versicherungsprämien für die Fahrt auf das Schwarze Meer erhöht", berichtet Ventsislav Ivanov, Direktor der bulgarischen Seeverwaltung. Die Sicherheit der Schiffe sei aber gewährleistet, sagt er.

    Besonders im rumänischen Hafen Constanța stauen sich die Handelsschiffe. Dort werden Lieferungen aufgefangen, die ursprünglich nach Odessa oder in den moldauischen Donauhafen Giurgiulești gehen sollten. Die Schiffe sind mit Stückgut, Massengut und Containern beladen. Der Hafen fertigt etwa 6.000 bis 7.000 Container pro Tag zusätzlich ab. Mittlerweile wird der Platz für die Zwischenlagerung der Container knapp, weil nicht genügend Lkw die Waren umgehend weitertransportieren können.

    "Die Container stauen sich wochenlang im Hafen Constanta, ohne dass sie geöffnet wurden."

    "Wir wurden bereits gebeten, auszuhelfen, aber der Hafen in Warna ist beispielsweise technisch nicht ausgerichtet für Schiffe mit einer großen Kieltiefe. Auch ist kein bulgarischer Spediteur bereit, das Risiko für eventuell ausstehende Lagergebühren zu tragen", sagt Momchii Antov, Direktor des Nationalverbandes der bulgarischen Transportunternehmen.

    Die Türkei setzte am 26. März 2022 den Schiffsverkehr am Bosporus für vier Stunden aus, wegen einer frei treibenden Seemine. Der Bosporus verbindet das Schwarze Meer und das Mittelmeer. 

    Von Dominik Vorhölter | Bukarest

  • Transport- und Logistikbranche durchlebt harte Zeiten

    Massive gegenseitige Sanktionen und Embargos unterbrechen Lieferketten von und nach Russland. Kapazitätsengpässe erschweren und verteuern den Warentransport erheblich.

    Der Ukraine-Russland-Krieg und seine Auswirkungen beeinträchtigen die internationalen Lieferketten im Warentransport nach und über Russland enorm. Umschichtungen und die Verschärfung bestehender Kapazitätsengpässe führen zu einer Explosion der Preise. Experten des Logistikanalysten Fourkites erwarten, dass die Seefrachtraten um den Faktor 20 bis 40 steigen. Während ein Containertransport von Schanghai nach Rotterdam 2020 noch weniger als 2.000 US-Dollar (US$) kostete, stieg der Preis unmittelbar nach Beginn des Kriegs in der Ukraine auf 54.000 US$ an.

    Sanktionen und Kapitalverkehrskontrollen treffen Russlands Transportbranche hart

    Westliche Länder verhängen gegen Russland Sanktionen in einem Ausmaß, das den Handel mit dem weltweit größten Flächenstaat drastisch einschränkt. Im Transportsektor führen Finanzsanktionen, Listungen von Personen und Unternehmen, Embargos für zahlreiche Güter (darunter besonders Dual-Use-Güter) sowie Luftraumsperrungen zu einem abrupten und weitgehenden Rückgang des Waren- und Güterverkehrs. Der Lieferkettenspezialist Fourkites meldete zum 2. März 2022, dass binnen einer Woche die russischen Importe um 27 Prozent abnahmen.

    Der russische Rubel wertete an den Devisenmärkten gegenüber Euro und US-Dollar um mehr als die Hälfte ab. Die russische Staatsführung verhängte Devisen- und Kapitalverkehrskontrollen sowie Gegensanktionen, wie spezielle Genehmigungspflichten für Geschäfte mit Unternehmen und Personen aus „unfreundlichen Ländern“. Russische Unternehmen können gemäß einer Verordnung von Präsident Putin ihre Schulden gegenüber Gläubigern aus diesen Ländern in Rubel begleichen, auch wenn zuvor anderes vereinbart wurde.

    Am 10. März gab Russland Exportverbote gegen „unfreundliche Länder“ bekannt, die 200 Güterarten umfassen, darunter Holz. In Kürze dürften weitere Gegensanktionen in Kraft treten, die Düngemittel, Metalle und Energieträger beinhalten. Diese Maßnahmen beeinträchtigen insbesondere Massen- und Stückguttransporte per Bahn und Schiff.

    Ukrainekrieg führt zu Engpässen im Lkw-Verkehr

    In Europa kommen rund 100.000 Lkw-Fahrer aus der Ukraine. Das entspricht rund 10 Prozent. Kriegsdienst und humanitäre Einsätze sorgen für einen zusätzlichen Engpass an Arbeitskräften im Gütertransport auf den Straßen.

    Zugleich stellen Preissteigerungen bei Diesel und Gaskraftstoffen von rund 30 Prozent seit Ausbruch des Kriegs am 24. Februar 2022 Spediteure vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass infolge der Finanzsanktionen mit westlichen Kreditkarten in Russland und Belarus nicht mehr bezahlt und auch kein Bargeld mehr abgehoben werden kann. Die Russische Zentralbank legte für den Ankauf von Devisen in Russland eine Kommission von derzeit 12 Prozent fest.

    Die Zollabfertigung in Belarus und Russland läuft Angaben der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer zufolge ohne nennenswerte Verzögerungen. Die russischen Zollbehörden haben für Unternehmen und Transportfirmen eine Hotline für eine planmäßige Abwicklung eingerichtet.

    Güterverkehr auf der Schiene kommt zum Stillstand

    Das staatliche Eisenbahnunternehmen RZD unterliegt bislang nicht einem unmittelbaren Embargo (Listung), ist jedoch von den Kapitalverkehrsbeschränkungen und Finanzsanktionen gegenüber den russischen Geschäftsbanken mittelbar betroffen. Unter Beachtung der aktuellen rechtlichen Regelungen ist der Güterverkehr somit prinzipiell möglich.

    Im Jahr 2020 verkehrten rund 12.400 Züge mit einem Transportvolumen von 1,1 Millionen Zwanzig-Fuß-Standardcontainer (TEU) zwischen China und Europa.

    Wegen seines günstigen Kostenprofils im Vergleich zum Lufttransport und seiner Zeitersparnis gegenüber dem Seetransport galt der Gütertransport per Bahn zwischen dem Reich der Mitte und Europa als großer Hoffnungsträger im Projekt der neuen Seidenstraße.

    Die Tageszeitung Vedomosti berichtete, dass chinesische Verlader damit begannen, den Transit von Waren durch Russland in die Europäische Union (EU) auszusetzen. Grund sei die Furcht der Frachteigentümer und Exportversicherer um ihre Waren, die bei Verhängung weiterer Sanktionen kurzfristig konfisziert werden könnten.

    Umfangreiche Flugverbote bremsen Luftfracht aus

    Luftraumsperrungen legen den regulären Flugverkehr zwischen der EU, weiteren westlichen Ländern wie den USA, Kanada und Japan und Russland auf Eis. Flüge zwischen Deutschland und Fernost verlängern sich um mehrere Stunden. Wegen der Umwege wird mehr Kerosin verbraucht. Lufthansa Cargo zufolge führt das dazu, dass die Frachtzuladung um bis zu 20 Prozent reduziert werden muss.

    Ausländische Unternehmen ziehen sich aus Russland zurück. Der Flughafenbetreiber Fraport lässt sein Geschäft in Sankt Petersburg ruhen. UPS, Fedex und DHL befördern keine Sendungen mehr nach Russland und Belarus.

    Das Flugverbot für den großen Frachtcarrier Volga-Dnepr mit seiner Tochter AirBridgeCargo im Auslandsgeschäft führt zur weiteren Verknappung von Kapazitäten in der Branche. Im Jahr 2021 transportierte die Gruppe mehr als 100.000 Tonnen Fracht zwischen Russland, Europa und den USA – vor allem Medizinbedarf und Pharmazeutika.

    Da die Ausweichmöglichkeiten auf See- und Schienenfracht begrenzt sind, werden die hohen Frachtraten weiter steigen. Gesellschaften, die Vollfrachtflugzeuge anbieten, dürften besonders profitieren. Anbietern aus der Golfregion kommen die südlichen Umwege auf den Flugrouten zwischen Europa und Fernost geografisch entgegen.

    Seefrachtraten explodieren

    Wegen der Unsicherheit stoppten viele Reedereien Buchungen für Transporte nach Russland, darunter auch Maersk und Hapag-Loyd. Die EU hat eine Sperrung ihrer Häfen für russische Schiffe bislang nicht beschlossen. Sollte dies geschehen, dürfte Russland Gegensanktionen verhängen und den nördlichen Seeweg für europäische Frachter schließen. Der Umschlag von Massengut dominiert über den Containerverkehr. Russische Gegensanktionen bei Massengütern wie Kohle, Holz oder Düngemittel konfrontieren die Branche mit einer Umorientierung auf alternative Bezugsquellen.

    Hinweise und Handlungsempfehlungen für Unternehmen
    • Steht der russische Geschäftspartner oder das Partnerunternehmen auf der Sanktionsliste der Europäischen Union (EU), ist der Handel gesetzlich verboten.
    • Bei der Abwicklung von Altverträgen, bei denen möglicherweise ein Bestandsschutz greifen könnte, nehmen Sie juristischen Rat in Anspruch.
    • Geschäftspartner aus Russland und Belarus unterliegen umfangreichen Devisen- und Kapitalverkehrsbeschränkungen, die Sie jeweils überprüfen sollten. 
    • Klären Sie, ob die vereinbarten Geschäftsbanken SWIFT-Sanktionen unterliegen oder diese drohen.
    • Aktualisierungen und weitere Ergänzungen der Sanktionen können kurzfristig (binnen Tagesfrist) erfolgen. Verfolgen Sie die neuesten Entwicklungen.
    • Setzen Sie keine ukrainischen Staatsangehörige für Transportdienstleistungen nach Belarus und Russland ein, die die Ukraine als Kriegsgegner betrachtet.
    • Bargeldabhebungen und elektronische Zahlungen sind in Belarus und Russland nicht oder nur noch mit Einschränkungen möglich.
    • Überwachen Sie Versandkosten und prüfen Sie alternative Versandwege.
    • Eine legale Abwicklung des Handels über Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion wie Armenien oder Kasachstan ist nur möglich für Güter und Partnerunternehmen, die nicht sanktioniert werden.

    Von Hans Peter Pöhlmann | Bonn

  • Kaspisches Meer und Südkaukasus: Alternative zum Russland-Transit

    Der Südkaukasus hat gute Chancen, ein wichtiges Glied der Ost-West-Transitachse zu werden. Das könnte auch die Folgen der Russlandkrise auf die Wirtschaft der Region abmildern.

    Die Länder Georgien, Armenien und Aserbaidschan an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien standen bisher eher im Schatten der russisch-europäischen Beziehungen. Das dürfte sich mit der außenpolitischen und außenwirtschaftlichen Neuorientierung Westeuropas als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ändern.

    Gute Aussichten für wachsendes Transitgeschäft

    Die Region hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Förder- und Transitzentrum für Energielieferungen in die Europäische Union entwickelt. Auch Kasachstan erwägt, sein Öl vermehrt über die kaspischen Häfen gen Westen zu verschiffen. Das verschafft der Energiebrücke zusätzlichen Rückenwind.

    Jenseits des Rohstoffsektors sind die südkaukasischen Republiken noch wenig in internationale Lieferketten und Transportkorridore eingebunden. Aufgrund von geopolitischen Umwälzungen soll sich das bald ändern. Neue Initiativen wollen den transkaukasischen und transkaspischen intermodalen Korridor als Alternative etablieren, um somit weniger abhängig von den nördlichen eurasischen Routen (Westchina - Kasachstan - Russland - Europa) zu sein. Die zentralasiatischen Länder und China stellen dadurch den Zugang zu den europäischen Märkten sicher.

    Allein der Containertransport über den Kaspisee, die Bahntrasse Baku/Aserbaidschan - Tiflis/Georgien - Kars/Türkei und/oder die georgischen Häfen Poti und Batumi dürfte 2022 das Vorjahresergebnis von 11.460 20-Fuß-Standardcontainern (TEU) deutlich übersteigen. Im März 2022 kündigten Aserbaidschan, Georgien und Kasachstan an, ein Joint Venture für den Ausbau des transkaspischen Transportkorridors gründen zu wollen. Auf der Achse sollen in der Perspektive jährlich bis zu 10 Millionen Tonnen Güter inklusive 200.000 TEU-Container umgeschlagen werden.

    Regionale Kooperation nimmt zu

    Im April 2022 kamen Vertreter Aserbaidschans, Georgiens, Kasachstans und der Türkei überein, ein gemeinsames Bahnunternehmen zu schaffen. Mittelfristig ist ein jährliches Frachtvolumen von bis zu 4 Millionen Tonnen realistisch.

    Zur Belebung des südkaukasischen Korridors trägt auch eine im März 2020 von Aserbaidschan, Georgien und Usbekistan unterzeichnete Vereinbarung bei. Diese sieht vor, die Kosten für den Transport usbekischer Güter über aserbaidschanisches und georgisches Gebiet um 30 Prozent zu senken. Das Dokument ergänzt eine bereits vereinbarte Ermäßigung der Transporttarife in den Häfen Turkmenbaschi/Turkmenistan und Baku/Aserbaidschan.

    Südkaukasus zieht Firmen aus Russland an 

    Die südkaukasischen Länder, darunter vor allem Armenien und Georgien, dürften in einem bestimmten Maße auch von der Relokalisierung russischer Unternehmen profitieren. Dies gilt vornehmlich für die IT- und Softwarebranche, aber auch für einige Sektoren der verarbeitenden Industrie.

    Allein im Zeitraum vom 24. Februar bis Ende März 2022 haben 1.400 russische Unternehmer ein Gewerbe oder eine Firma bei der armenischen Behörde für Unternehmensregistrierung angemeldet.

    Russland-Ukraine-Krieg trifft südkaukasische Wirtschaft empfindlich   

    Der ökonomische Absturz Russlands hat erhebliche negative Auswirkungen auf die Volkswirtschaften im Südkaukasus. Daran ändern auch die positiven Aussichten für den Warentransit sowie die Ansiedlung russischer Unternehmer kurz- und mittelfristig nichts. Alle drei Länder haben ihre früheren Wachstumsprognosen für das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 nach unten korrigiert. Die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine machen sich vor allem in folgenden Punkten bemerkbar:

    • sinkende Exporte
    • weniger private Rücküberweisungen der Gastarbeiter
    • stockender Tourismus
    • Probleme im Finanz- und Investitionssektor

    Wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland sind für alle drei Staaten aufgrund enger außenwirtschaftlicher Abhängigkeiten kein Thema. Für Georgien, Armenien und Aserbaidschan ist Russland eine wichtige Exportdestination. In der Warenstruktur dieser Ausfuhren dominieren Güter der Ernährungswirtschaft. Die Lieferungen sind für die lokalen Erzeuger existenziell. Sie sichern viele Arbeitsplätze. Die schwindende Kaufkraft der russischen Verbraucher wirkt sich vor allem negativ auf den Absatz von südkaukasischen Markenprodukten in Russland aus (Wein und Spirituosen, Mineralwasser, Limonaden und Säfte).

    Anderseits sind alle drei Länder bei einer Reihe von Warengruppen hochgradig abhängig von Importen aus Russland. Dazu zählen Getreide, Futtermittel, tierische und pflanzliche Fette und Öle, aber auch anderen Nahrungsgüter, Holzerzeugnisse, Düngemittel, Pharmaka und Stahl. In Armenien kommt noch eine große Abhängigkeit von Energielieferungen (Erdgas, Kernbrennstoff und Ölprodukte) hinzu.

    Entwicklung des Außenhandels der südkaukasischen Länder mit Russland (in Millionen US-Dollar)

    2019

    2020

    2021

    Anteil 1)

    Rang Russlands 2)

    Warenexport

    Armenien

    743

    680

    847

    28,0

    1

    Aserbaidschan

    732

    709

    921

    4,2

    3

      Nichtölexport

    691

    691

    878

    21,4

    1

    Georgien

    497

    441

    610

    14,4

    2

    Warenimport

    Armenien

    1.649

    1.655

    1.994

    37,2

    1

    Aserbaidschan

    2.290

    1.692

    2.074

    17,7

    1

    Georgien

    977

    888

    1.023

    10,1

    2

    1) Anteil an den Gesamtexporten beziehungsweise -importen 2021 in Prozent; 2) Rang unter allen Handelspartnern 2021Quelle: Nationale Statistikämter 2022

    Mehr Investitionen in die lokale Nahrungsmittelproduktion

    Die Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln hat im Kontext des Ukrainekrieges an Bedeutung zugenommen. So strebt Aserbaidschan an, die Selbstversorgungsquote von Milch- und Fleischprodukten von heute jeweils um die 84 Prozent auf bis zu 99 Prozent auszuweiten. Dies solle in einem überschaubaren Zeitraum geschehen, so ein Pressestatement des Direktors des Zentrums für Agrarforschung Firdovsi Fikretzade. In der Fleischproduktion ist geplant, die Kapazitäten in den Sparten Geflügel und Rindfleisch zu erhöhen. Außerdem soll mehr Weizen angebaut werden.

    Das georgische Landwirtschaftsministerium kündigte an, die Selbstversorgungsquote bei Weizen innerhalb der nächsten Jahre von heute 15 Prozent auf 50 Prozent zu erhöhen. Mitte April 2022 wurde der georgische Verband der Exporteure von Obst und Gemüse gegründet. Dieser will die Produktqualität und Hektarerträge verbessern und sich bei der weiteren Diversifizierung der Absatzmärkte engagieren. Die Regierung Armeniens stockt ihre Fördertöpfe für Projekte in mehreren Bereichen der Ernährungswirtschaft auf, darunter für die Produktion von Obst, Gemüse, Wein, Getreide, Fleisch und Milch.

    Sinkende Rücküberweisungen aus Russland drosseln Kaufkraft

    Der Krieg in der Ukraine und die westlichen Sanktionen gegen Russland hinterlassen ihre Spuren auf den Arbeitsmärkten beider Länder. Von Entlassungen betroffen sind zuerst die dort tätigen Arbeitsmigranten, darunter auch viele Beschäftigte aus dem Südkaukasus. Ausbleibende Überweisungen an die in der Heimat verbliebenen Familien haben erhebliche Auswirkungen auf das Kaufkraftgefüge in den südkaukasischen Ländern. 


    In der mit mehr als 10 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten südkaukasischen Republik Aserbaidschan kamen 2021 hohe 55 Prozent (623 Millionen US$) der offiziell erfassten privaten Geldzuflüsse (1,1 Milliarden US$) aus Russland. Nach Angaben von Rashad Hasanov, Wirtschaftsexperte des Topchubashov Center, Baku, gab es Anfang 2022 in Russland und der Ukraine geschätzte 2 Millionen Arbeitsemigranten aserbaidschanischer Herkunft. Das russische Innenministerium spricht von etwa 650.000 Arbeitsmigranten (Anfang 2022).


    Der von den Banken erfasste Zufluss privater Gelder aus dem Ausland nach Armenien summierte sich 2021 auf 2,1 Milliarden US$, darunter 41 Prozent (866 Millionen US$) aus Russland. Die Regierung Armeniens erwartet für 2022 einen Rückgang der Überweisungen aus Russland um bis zu 40 Prozent. Amtliche russische Quellen geben die Anzahl der in Russland tätigen armenischen Arbeitsmigranten mit gut 300.000 an (Anfang 2022). In Georgien machten Transfers aus Russland 2021 etwa 18 Prozent (411 Millionen US$) der offiziell registrierten Geldüberweisungen aus dem Ausland in Höhe von 2,3 Milliarden US$ aus.


    Unter Einschluss informeller Transfermethoden übersteigen die privaten Geldzuflüsse die offiziellen erfassten Überweisungen für alle drei Länder deutlich. So dürften die jährlichen Gesamtzuflüsse privater Gelder nach Aserbaidschans die 3-Milliarden-US$-Marke und somit eine Größenordnung von 8 bis 9 Prozent des offiziell ausgewiesenen nominalen Einkommens der Bevölkerung erreichen. Die offiziellen Geldüberweisungen aus Russland machten 2021 in Aserbaidschan 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus (1,8 Prozent den Nichtöl-BIP), in Armenien 6,2 Prozent und in Georgien 2,2 Prozent des BIP. 

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Uwe Strohbach | Tiflis

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