Branche kompakt | Ungarn | Landwirtschaft
Branchenstruktur
Kleine Agrarbetriebe überwiegen, werden aber weniger. Einige große Konzerne dominieren den Markt. Bei Landtechnik und Agrarchemie ist Ungarn auf Importe angewiesen.
13.02.2025
Von Kirsten Grieß | Budapest
Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der ungarischen Landwirtschaft ist überschaubar. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2023 bei 3,4 Prozent. Er steigt auf 8,2 Prozent, rechnet man die Leistung der Nahrungsmittelindustrie mit einem BIP-Anteil von 4,6 Prozent und der Forstwirtschaft mit 0,2 Prozent hinzu. In der EU ist der Beitrag der ungarischen Landwirtschaft an der Agrarproduktion mit 2,1 Prozent (2023, Eurostat) ebenfalls eher klein. Anteilig stärkeres Gewicht besitzen die ungarische Getreide- (5,5 Prozent) und Maisproduktion (10,2 Prozent) sowie die Geflügelzucht (5,5 Prozent).
Die meisten Agrarexporte gehen nach Deutschland
Der Anteil von Agrarexporten an den ungarischen Gesamtexporten lag 2023 bei 4,7 Prozent (Nahrungsmittel 3,4 Prozent). Rund 15 Prozent seines landwirtschaftlichen Ertrags verkaufte Ungarn 2023 nach Deutschland, dem wichtigsten Exportmarkt für Agrarprodukte. Italien und Rumänien folgten auf Platz 2 und 3.
Einen Teil seines Agrarrohstoff- und Nahrungsmittelbedarfs deckt Ungarn über Importe ab. Deutschland ist ein wichtiges Lieferland: Knapp 26 Prozent der importierten Tiere und Tierprodukte und rund 19 Prozent der Nahrungsmittel waren 2023 deutschen Ursprungs. Die Außenhandelsbilanz liegt mit deutlich mehr Aus- als Einfuhren für beide Warengruppen im Plus.
Kennziffer | 2023 |
---|---|
Einwohner (Mio.) | 9,6 |
Ackerfläche (Mio. Hektar) | 5,1 |
Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in %) (Landwirtschaft, Fischerei) | 3,4 |
Exporte von Agrargütern in Mio. Euro (HS 01-15) | 7.062 |
Exporte von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabak in Mio. Euro (HS 16-24) | 6.520 |
Strukturelle Probleme sorgen für geringe Produktivität
Die Potenziale des ungarischen Agrarsektors sind allerdings bei Weitem nicht ausgeschöpft. Das zeigen neueste Eurostat-Daten zur landwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität in der EU. Um geschätzte 15,5 Prozent ging die Produktivität der ungarischen Landwirtschaft 2024 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Nach Rumänien ist das EU-weit der zweitschlechteste Wert.
Marktexperten drängen auf strukturelle Veränderungen, um der ungarischen Landwirtschaft aus ihrem Produktivitätstief zu helfen. Hauptproblem sei der hohe Anteil an Kleinbauern, die auf arbeitsintensive Produktion setzen und geringe Erträge einfahren. Investitionen in technische Ausrüstung rechne sich in den Betrieben – wenn überhaupt – nur auf lange Sicht.
Sparte | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
---|---|---|
Land- und forstwirtschaftliche Maschinen | 604,2 | -7,2 |
Düngemittel | 346,5 | -7,9 |
Schädlingsbekämpfungs-; Pflanzenschutz- und Desinfektionsmittel | 146,7 | -37,0 |
Agrarexperten begrüßen Trend zur Konzentration
Dabei konsolidiert sich der ungarische Agrarsektor bereits seit einigen Jahren. Das nationale Statistikamt meldete für 2023 knapp 200.000 registrierte Agrarbetriebe. Den Daten zufolge ist die Zahl der Klein- und Kleinstbetriebe (Gesamtproduktionswert: unter 8.000 Euro) seit 2013 von 80 Prozent auf 61 Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum verdoppelte sich die Anzahl von Betrieben mittlerer Größe (Gesamtproduktionswert: 15.000 bis 99.999 Euro).
Dieser Trend wird von Agrarexperten begrüßt. Größere Unternehmen seien eher in der Lage, den Arbeitseinsatz zu optimieren, Ausrüstung anzuschaffen, Abläufe zu digitalisieren und innovative Agrartechnologien einzuführen. Ressourcen noch effizienter einzusetzen, wird in Ungarn immer wichtiger: Die Zahl der Landwirte nimmt ab, gleichzeitig droht Überalterung. Mehr als 37 Prozent der Betriebsleiter waren 2023 älter als 65 Jahre.
Die Agrarindustrie beherrscht den Erzeugermarkt
Konzerne repräsentierten 2023 rund ein Prozent der Branche, erwirtschafteten aber 45 Prozent des landwirtschaftlichen Produktionswertes. Meist handelt es sich um Mischbetriebe oder Holdinggesellschaften. Unter den Erzeugern ist der Agrar- und Nahrungsmittelkonzern Bonafarm ein wichtiger Akteur. Das Unternehmen produziert Saatgut und Futtermittel, ist im Pflanzenanbau, in der Vieh- und Geflügelzucht, der Fleischverarbeitung und im Weinanbau aktiv. Ein weiterer großer Agrar- und Lebensmittelproduzent ist Talentis Agro Zrt. Auch einige deutsch geführte Betriebe sind auf dem Markt aktiv. Zu den größten zählen die deutsch-ungarische GSD-Gruppe bei Sopron und der Agrarbetrieb Hubertus am Südbalaton.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2023 |
---|---|---|
KITE Zrt. | Landmaschinenhandel und -verleih, Landmaschinenservice | 1.254 |
Viterra Hungary Kft. | Agrargroßhandel | 741 |
Cargill Magyarorszag Zrt. | Getreide- und Saatguthandel, Landmaschinenhandel, Herstellung und Vertrieb von Futtermitteln | 562 |
HUNLAND-TRADE Kft. | Viehzucht und -handel, Futtermittelproduktion | 506 |
IKR Agrar Kft. | Saatgutproduktion | 400 |
Hungrana Kft. | Maisverarbeitung | 341 |
Ubm Grain Zrt. | Getreide- und Futtermittelproduktion | 277 |
CLAAS Hungaria Kft. | Landmaschinenproduktion | 238 |
Landwirtschaftliche Ausrüstung wird meist importiert
Ungarn verfügt nur über eine begrenzte Produktion von Landmaschinen. Größter Agrartechnikhersteller ist die CLAAS Hungaria Kft, die schon seit 1969 im Land produziert. Am Standort Törökszentmiklos werden Trommelmähwerke und Schneidewerke für den weltweiten Einsatz gefertigt. Der Umsatz lag 2023 bei 239 Millionen Euro. Der zweitgrößte Hersteller ist ebenfalls ein deutsches Unternehmen: Fliegl Agrartechnik übernahm 1993 ein Werk für landwirtschaftliche Instandhaltung im westungarischen Abda und produziert dort unter anderem landwirtschaftliche Anhänger und Ballentransporter.
Der größte Teil des ungarischen Bedarfs an landwirtschaftlicher Ausrüstung wird durch Einfuhren gedeckt. Die Importe von Agrarmaschinen erreichten 2023 einen Wert von 724 Millionen Euro, das ist ein Plus von 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zusätzlich wurden Traktoren im Wert von 413 Millionen Euro eingeführt – ein Minus von knapp 7 Prozent. Rund 49 Prozent aller importierten Traktoren und 35 Prozent aller Landmaschinen kamen 2023 aus Deutschland.
Schwache Absatzzahlen am Markt für Landmaschinen
Für Hersteller und Verkäufer von Landmaschinen war 2024 ein schwieriges Jahr. Bereits 2023 brach der Verkauf von Traktoren um ein Drittel ein, 2024 schrumpften die Verkäufe um weitere 43 Prozent. Auch der Vertrieb anderer Landmaschinen ging 2024 deutlich zurück. Marktexperten erklären die schwachen Zahlen mit einem von der Regierung für 2024 angekündigten, aber nicht umgesetzten Förderprogramm. Neue Ausschreibungen sollen 2025 veröffentlicht werden.
Auch bei Mineraldünger kann Ungarn nur einen Teil seines Bedarfs selbst decken. Wichtigster Düngemittelhersteller ist Nitrogénművek Zrt. Das Unternehmen gehört zur Bige Holding Group, zu der weitere Düngemittelhersteller gehören. Gegen Nitrogénművek und andere Firmen der Gruppe läuft seit Jahren ein Kartellrechtsverfahren wegen des Verdachts illegaler Preisabsprachen. Der für 2023 gemeldete Umsatz lag bei 336 Millionen Euro.
Hohe Energiepreise verknappen Düngemittel
Die ungarischen Einfuhren von Mineraldünger brachen 2023 um 53 Prozent ein. Das ist auf Verwerfungen am europäischen Düngemittelmarkt infolge hoher Energiepreise zurückzuführen. Europaweit wurde deutlich weniger Dünger produziert. Insgesamt führte Ungarn Dünger im Wert von 391 Millionen Euro ein, davon stammten etwas mehr als sechs Prozent aus deutscher Produktion.
Ungarn kann aber auf eine eigene Saatgutproduktion zurückgreifen. Nach Angaben des ungarischen Saatgutverbands wurde in den letzten Jahren auf etwa 120.000 Hektar Saatgut produziert. Ein Großteil der Produktion wird exportiert. Laut Verband hat der Inlandsmarkt ein Volumen von rund 240 Millionen Euro, der Gesamtwert der Verkäufe im Inland und Ausland wird auf 460 Millionen Euro geschätzt.