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Branchen | Ungarn | Bauwirtschaft

Markttrends

Eingefrorene EU-Gelder, ausbleibende Investitionen, steigende Preise für Baumaterial - die ungarische Bauwirtschaft schrumpft. Die Bauleistung geht zurück.

Von Kirsten Grieß | Budapest

Nach Jahren des Wachstums belastet die Baubranche die ohnehin schwächelnde ungarische Wirtschaft. Im 2. Quartal 2023 ging die Wirtschaftsleistung Ungarns das vierte Mal in Folge zurück. Das Land befindet sich in einer Rezession. Der Anteil der Bauwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt lag in den vergangenen fünf Jahren bei durchschnittlich 5 Prozent und ist damit deutlich geringer als der Beitrag der Industrie mit rund 17 Prozent. Das Volumen der Bauproduktion wuchs 2022 preisbereinigt noch um 2,5 Prozent auf einen Wert von 21,2 Milliarden Euro. Zum Ende des 2. Quartals 2023 lag die erbrachte Bauleistung schon um 3,8 Prozent unter dem Vorjahreswert. Für das Gesamtjahr soll die Bauproduktion um insgesamt 7,6 Prozent zurückgehen.

-7,6 %

Prognose für die Veränderung der Bauleistung 2023. 

Die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft haben sich deutlich verschlechtert. Die Branche klagt über steigende Kosten infolge des Ukrainekriegs und einen spürbaren Auftragsrückgang. Das hohe Haushaltsdefizit und fehlende Mittel aus EU-Programmen zwingen die ungarische Regierung zu einem strikten Sparkurs. Im Jahr 2023 stellte der Staat einen Großteil seiner Förder- und Investitionsaktivitäten ein. Auch wichtige Programme im Wohnungsbau wurden nicht verlängert. Im Infrastrukturbereich stoppte der Minister für Bau und Verkehr János Lázár einen Großteil noch nicht begonnener Investitionsprojekte.

Marktvolumen der Bauwirtschaft in Ungarn (in Milliarden Euro, reale Veränderung in Prozent)

Kennziffer

2021 1)

2022 2)

Reale Veränderung 2022/2021

Wert der erbrachten Bauleistungen insgesamt, davon

18,521,22,5

Wohnungsbau (Neubau)

2,32,84,0
Wohnungsbau (Sanierung)2,22,87,0

Sonstiger Hochbau (Neubau)

4,65,68,1
Sonstiger Hochbau (Sanierung)3,83,8-3,0

Tiefbau / Infrastrukturbau

(Neubau)

3,13,4-1,0
Tiefbau / Infrastrukturbau (Sanierung)2,52,8-1,5
1 Umrechnungskurs 1 Euro = 358,52 HUF (2012), 2 Umrechnungskurs 1 Euro = 391,33 HUF (2022).Quelle: EUROCONSTRUCT 2022, 2023; Staatliches Statistikamt KSH 2023

Wohnungsneubau bricht ein

Das Sorgenkind der Branche ist der Wohnungsbau. Im Neubausegment bremsen sinkende Reallöhne, steigende Bauzinsen und -kosten bei gleichzeitig stagnierenden Verkaufspreisen die Nachfrage. Das schlägt sich in der Zahl der genehmigten Bauanträge nieder. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern lagen diese 2022 um 17 Prozent niedriger als im Jahr zuvor. Im Gesamtjahr 2023 soll sich die Zahl noch einmal fast halbieren. Bei Mehrfamilienhäusern erwartet das Baumarktforschungsnetzwerk EUROCONSTRUCT für neue Projekte ein Minus von rund einem Drittel im laufenden Jahr. Die wertmäßige Bauleistung im Wohnungssegment soll 2023 von 5,6 Milliarden Euro um 13,5 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro schrumpfen.

Gleichzeitig brechen die Aktivitäten im Bereich Sanierung ein, nachdem Anfang 2023 die staatliche Förderung von Gebäudesanierungen gestoppt wurde. Das Förderprogramm startete 2021, Hauptadressaten waren Privathaushalte, denen der Staat bis zu 50 Prozent der Renovierungskosten von maximal rund 8.000 Euro erstattete. Ungarns Wohngebäude sind für 27 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Landes verantwortlich. Der Gebäudebestand ist vor allem aus energetischer Sicht in schlechtem Zustand, und es besteht dringender Sanierungsbedarf. Das Programm wurde angesichts der Energiepreiskrise sehr gut angenommen. Laut Finanzministerium beantragten rund 250.000 Haushalte staatliche Zuschüsse.

Ohne Fördermittel keine Sanierung

Die Bauleistung im Sanierungssegment soll 2023 um 12 Prozent zurückgehen. Das trifft vor allem Hersteller von Baumaterialien. Die Menge der verkauften Baumaterialien ging in den ersten fünf Monaten 2023 bereits um 35 Prozent zurück, so der nationale Verband der Bauunternehmen ÉVOSZ. Einer Ende Juli durchgeführten Umfrage der ungarischen Baustoffkette Újház zufolge sind aktuell 47 Prozent der geplanten energetischen Modernisierungsmaßnahmen von neuen Fördermaßnahmen abhängig. Das alarmiert Bauunternehmer und Baustoffhersteller gleichermaßen. Fachverbände werben deshalb für eine Wiederauflage der Sanierungsförderung.

Im Nicht-Wohnungsbau ist der staatliche Investitionsstopp ebenfalls spürbar. Öffentliche Neubau- und Renovierungsprojekte im Bildungs- und Gesundheitswesen, in Kultur und Tourismus werden aktuell aufgeschoben oder mit stark gekürztem Budget umgesetzt. Ähnlich sieht es im Infrastrukturbau aus. Betroffen ist vor allem der Transportbereich, viele Straßen- und Bahnbauprojekte sind auf Eis gelegt. Vereinzelt werden dennoch neue Bauprojekte angeschoben. Der Investitionsbedarf in der Verkehrsinfrastruktur ist hoch, und die Regierung rechnet letztlich doch mit einer baldigen Freigabe von EU-Mitteln. Von Kürzungen nicht betroffen ist der Ausbau der Bahnstrecke Budapest-Belgrad, der fast vollständig über einen chinesischen Kredit finanziert wird.

Internationale Ansiedlungen als Lichtblick

Drei Segmente brechen den Abwärtstrend. Die Bauleistung im Industrieneubau wuchs im vergangenen Jahr um 25 Prozent auf einen Wert von 2,2 Milliarden Euro. Treiber sind hier insbesondere ausländische Investitionsprojekte im Bereich Elektromobilität. Die ungarische Regierung verfolgt das industriepolitische Ziel, weltweit zum zweitgrößten Batterieproduzenten aufzusteigen. Die Ansiedlungen werden großzügig gefördert, Unternehmen erhalten Steuernachlässe und Zusagen zu öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur. Vergleichsweise positiv entwickelt sich auch die Tiefbauleistung für die Segmente Energie- und Wasserversorgung: Für 2023 werden Zuwächse von 10 beziehungsweise 8 Prozent prognostiziert. Der Lagerbau profitiert von Investitionen im Industriebau und dem Trend zum Online-Shopping. Seit 2019 wächst das Bauvolumen in diesem Bereich jährlich um durchschnittlich 20 Prozent und lag 2022 bei 551 Milliarden Euro.

Mit Blick auf das laufende Jahr wird sich die Situation der Baubranche nicht wesentlich verändern. Im Jahr 2024 könnten einige Branchensegmente aber wieder anziehen. Erste Signale deuten darauf hin. Anfang August verkündete der Minister für Bau und Verkehr, János Lázár, dass in den kommenden zehn Jahren 14,6 Milliarden Euro in die Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur fließen werden. Außerdem sind größere Straßenbauprojekte in Planung. Hinsichtlich der Finanzierung verwies der Minister auf ausstehende EU-Gelder beziehungsweise neue Kredite, eine Ausweitung der Mautpflicht ist ebenfalls geplant. Der energetischen Gebäudesanierung können die EU-Mittel wichtige Impulse geben. Die Nachfrage nach Bauleistungen würde deutlich stimuliert, vor allem aber auch die Nachfrage nach Baustoffen und Bauelementen. Besonders bei Außentüren und Fenstern oder modernen Heizungs- und Kühlungsanlagen könnten deutsche Hersteller zum Zuge kommen.

Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Ungarn
Akteur/ProjektInvestitionssumme (in Mio. Euro)ProjektstandAnmerkungen
Ausbau des Kernkraftwerks PAKS (zwei Reaktorblöcke von je 1.200 MW brutto)12.500; russischer Kredit von 10.000Fertigstellung für 2030 vorgesehen

PAKS II. Zrt.

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Waberer's Logistikzentrale in Ecser

47.000 m2

37Fertigstellung Q1 2024Waberer's International Nyrt.
Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest

 

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