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Branche kompakt | Ungarn | Bauwirtschaft

Ungarns Baubranche hofft auf Erholung

Infrastrukturprojekte und staatliche Förderprogramme könnten die ungarische Bauwirtschaft aus der Krise führen. Unsicher bleibt, ob dafür EU-Gelder bereitstehen.

Von Kirsten Grieß | Budapest

Ausblick der Bauwirtschaft in Ungarn

Bewertung:

  • Die Wachstumsprognosen stützen sich auf staatliche Investitionen und öffentliche Förderprogramme, private Impulse fehlen.
  • Die Baustoffpreise sind nach wie vor hoch, ein spürbarer Arbeits- und Fachkräftemangel treibt die Lohnkosten nach oben.
  • Der Wohnungsbestand ist stark sanierungsbedürftig, staatliche Sanierungsprogramme zielen auf mehr Energieeffizienz.
  • Die Baubranche erlebt eine Phase der Konsolidierung, viele Klein- und Kleinstbetriebe müssen ihr Geschäft aufgeben.

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: April 2025

  • Markttrends

    Der Infrastruktur- und Wohnungsbau soll 2025 wieder Fahrt aufnehmen. Mit einem deutlichen Aufschwung rechnet die Bauwirtschaft vorerst aber nicht.

    Die Baubranche bleibt eines der Sorgenkinder der ungarischen Wirtschaft. Mit der kurzen Erholungsphase nach der Coronapandemie ist seit 2023 Schluss: Die Bauleistung schrumpfte um 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, 2024 ging der Produktionswert nach ersten Daten des ungarischen Statistikamtes (KSH) erneut um 0,4 Prozent zurück. Verantwortlich dafür sind deutlich gestiegene Erzeugerpreise und ein staatlicher Investitionsstopp, der 2022 so gut wie alle geplanten Infrastrukturprojekte auf Eis legte.

    Die Stimmung im Baugewerbe bleibt gedämpft

    Für 2025 sind die Erwartungen durchwachsen. Analysten des Forschungsnetzwerks EUROCONSTRUCT rechnen aber mit einer ersten Trendwende. Nach Zuwächsen von 2,8 Prozent in diesem Jahr, soll 2026 bereits ein Plus von 4,3 Prozent erreicht werden. Branchenvertreter geben sich indes verhaltener: Der Geschäftsführer der DVM-Immobiliengruppe, Tibor Massány, zweifelt etwa an einer schnellen Verbesserung der Lage. In einem Interview vom Dezember 2024 geht er davon aus, dass die Bauleistung 2025 kaum wachsen werde. Nichtsdestotrotz setzt die Branche große Hoffnungen auf die Effekte öffentlicher Investitionen und den Start mehrerer Förderprogramme. 

    Marktvolumen der Bauwirtschaft in Ungarn In Milliarden Euro, Veränderung in Prozent

    Kennziffer

    2024 *)

    Veränderung 2024/2023

    Wert der erbrachten Bauleistungen insgesamt, davon

    19,6

    -0,4

      Hochbau

    12,1

    -0,5

      Tiefbau / Infrastrukturbau

    7,5

    -1,0

    * durchschnittlicher Umrechnungskurs 2024: 1 Euro = 395,30 Forint.Quelle: Ungarisches Statistikamt (KSH) 2025

    Nach zwei Jahren Stillstand könnte 2025 wieder Bewegung in den staatlichen Infrastrukturbau kommen. Seit dem Investitionsstopp wurden lediglich größere Straßenprojekte fortgeführt, neue Investitionen waren selten. Das soll sich jetzt ändern. Der Haushalt für 2025 sieht die Aufnahme von 500 eingestellten und 300 neuen Baumaßnahmen vor. Der Gesamtwert soll an 30 Milliarden Euro heranreichen, für 2025 sind Ausgaben von rund drei Milliarden Euro geplant. 

    -7,6 %

    Prognose für die Veränderung der Bauleistung 2023. 

    Ehrgeizige Investitionspläne der öffentlichen Hand

    Details zu den Projekten sind noch nicht bekannt. Klar ist nur, dass der Bau einer neuen Donaubrücke bei Mohács und der damit verbundenen Straßenanschlüsse einen erheblichen Teil der Gelder binden werden. Darüber hinaus sind nur kleinere Straßen- und Schienenprojekte, Investitionen in lokale Wasser- und Klärwerke sowie kommunale Infrastrukturen bestätigt. Außerdem will der Konzessionshalter MKIF, Betreiber von knapp zwei Dritteln des ungarischen Autobahnnetzes, 2025 einen zehnjährigen Investitionszyklus starten. Auf dem Programm stehen umfassende Autobahnsanierungen, allein 600 Straßenkilometer sollen neu- oder ausgebaut werden.

    Die staatlichen Investitionspläne sind ehrgeizig. Mit Verzögerungen bei der Umsetzung ist zu rechnen. Aus budgetärer Sicht haben sich die Voraussetzungen für öffentliche Investitionen aber etwas verbessert. Budapest kann inzwischen auf Teilsummen an freigegebenen EU-Mitteln zurückgreifen. Gezielt für Infrastrukturprojekte soll ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro der Europäischen Investitionsbank (EIB) eingesetzt werden, ein Kredit chinesischer Banken in gleicher Höhe steht ebenfalls bereit. 

    Wohnungsbau ist neues Kernthema der Regierung 

    Die Wiederbelebung des schwächelnden Wohnungsbaus ist Kernthematik des neuen wirtschaftlichen Aktionsplans der Regierung. Mit nur 13.295 übergebenen Wohnungseinheiten war 2024 das schwächste Jahr seit 2016. Neue Fördermaßnahmen sollen Privathaushalte zu Wohnungsinvestitionen bewegen. Dabei handelt es sich vorwiegend um zinsvergünstigte Darlehen und Zuschüsse. Hinzu kommt ein staatliches Förderprogramm für Immobilienfonds in Höhe von umgerechnet rund 740 Millionen Euro. Idealerweise ließen sich damit gleich zwei Ziele erreichen: Der kriselnden Bauwirtschaft auf die Beine zu helfen und vor den Parlamentswahlen 2026 erschwinglichen Wohnraum zu schaffen. 

    Analysten und Branchenvertreter räumen ein, dass die Programme die Nachfrage im Wohnungsbau tatsächlich ankurbeln könnten. Der Impuls beschränke sich aber auf Eigentumswohnungen. Die größten Effekte erwarten sie von der auf 2025 begrenzten Option einer steuerfreien Verwendung freiwilliger Pensionseinlagen. Die Ersparnisse können in den Kauf oder Bau einer Wohnung, eines Grundstückes, Renovierungsarbeiten oder die Tilgung von Wohnungsbaukrediten investiert werden. Nach Einschätzungen von EUROCONSTRUCT werden private Mittel dabei primär in den Kauf von Sekundärbestand und Sanierungsarbeiten fließen, weniger in Neubauprojekte. 

    Ein Großprojekt im Zentrum der Hauptstadt könnte indes zum Game-Changer für die Bauwirtschaft werden: Nachdem ein Areal von 85 Hektar um den Rangierbahnhof Rákosrendező von der ungarischen Regierung an einen Investor aus Abu Dhabi verkauft werden sollte, schaltete sich Ende 2024 die Budapester Stadtverwaltung ein und machte ihr Vorkaufsrecht geltend. Auf dem Gelände soll jetzt ein neuer Stadtteil mit erschwinglichem Wohnraum entstehen. Der Entwicklungsplan liegt seit 2013 vor. Die Revitalisierung der Flächen, der Bau neuer Infrastruktur und der Wohnungsbau wird Milliarden verschlingen, die Stadt Budapest setzt dafür auch auf private Investoren. 

    Industriebau könnte Scheitelpunkt erreicht haben

    Vergleichsweise gut lief es bislang im Industriebau. Ungarns Regierung warb in den vergangenen Jahren mit Erfolg ausländische Großinvestitionen an, darunter auch neue Giga-Fabriken etwa von BMW, CATL oder BYD. Das hat die Bauaktivitäten in diesem Segment zuletzt spürbar nach oben getrieben. Und für die ungarische Regierung könnte es mit dem Investitionsboom auch gerne weitergehen: Zielmarke seien 100 neue Fabriken im Jahr 2025, wie Ministerpräsident Viktor Orbán in seiner Rede zur Lage der Nation verkündete.

    Ob sich diese Zahl verwirklichen lässt, ist angesichts der globalen Handelskonflikte aber mehr als ungewiss. Aus Investitionsankündigungen des Vorjahres lässt sich zwar ablesen, dass weitere Industrieprojekte anstehen. Sie fallen aber deutlich kleiner aus und umfassen oft nur Werkserweiterungen, keine Neubauten. EUROCONSTRUCT blickt auch eher pessimistisch auf das Jahr 2025 und rechnet mit einem Einbruch der Bauleistung um 10 Prozent. Vielleicht fällt der Rückgang schwächer aus, mit satten Zuwächsen an Industriebauten wird es aber wohl nicht weitergehen.

    Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Ungarn
    Akteur/ProjektInvestitionssumme (in Mio. Euro)ProjektstandAnmerkungen
    Ausbau des Kernkraftwerks PAKS (zwei Reaktorblöcke von je 1.200 MW brutto)12.500; russischer Kredit von 10.000Fertigstellung für 2030 vorgesehen

    PAKS II. Zrt.

    Generalunternehmen: JSC ASE EC - Tochter des russischen Rosatom-Konzerns

    Modernisierung und Ausbau Bahnstrecke Budapest - Belgradüber 2.000; Kreditvertrag mit Chinas Eximbank über 1.855 Millionen Euro wurde Ende April 2020 unterzeichnetgeplante Fertigstellung 2025Joint Venture Kínai-Magyar Vasúti Nonprofit Zrt.
    Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahnverbindung Budapest - Bratislava - Warschau (250 bis 350 km/h; ungarischer Abschnitt: 170 km)k.A.; Finanzierung aus der Connecting Europe Facility (CEF) angestrebtMachbarkeitsstudie erstelltMinisterium für Bau und Verkehr
    Bau eines Automobilwerks durch Mercedes-Benz in Kecskemét1.000Grundsteinlegung 2018Mercedes-Benz Manufacturing Hungary
    Verlängerung M3 Autobahn von Nyíregyháza zur Rumänischen Grenze 28,0 + 17,5 km450 + 400Erste Phase wird von Duna Aszfalt gebaut, zweite ist in Vorbereitung, Fertigstellung bis Ende 2026Ministerium für Bau und Verkehr

    Duna Terasz Vista

    Wohnungsbauprojekt Budapest, 2 Wohngebäude mit 632 Wohneinheiten und Umgestaltung der ehemaligen Industriefläche für Freizeit/Sport

    k.A.Fertigstellung bis 2026D&B Real-Estate Gruppe

    Neues Stadtquartier Zugló in Budapest

    7 AA+ Bürogebäude, 1 Wohnungskomplex (168 WE), 1 Einkaufszentrum (10.000 m2), Fußgängerzone und Freizeitparks (42.000 m2

    k.A.Fertigstellung Q2 2026, Bauarbeiten bei 6 Gebäuden schon begonnenBayer Construct, Nationaler Vermögensverwalter Ankauf Mitte 2023 für 625 Mio. Euro 

    Waberer's Logistikzentrale in Ecser

    47.000 m2

    37Fertigstellung Q1 2024Waberer's International Nyrt.
    Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest

    Von Kirsten Grieß | Budapest

  • Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

    Der energetische Fußabdruck des Gebäudebestands ist hoch. Neue Förderprogramme zur Wohnungssanierung laufen 2025 an. Bei Gewerbeimmobilien steigt die Energieeffizienz.

    Unter energetischen Gesichtspunkten verdienen Ungarns Gebäude die Note mangelhaft. Besonders schlecht schneiden Wohngebäude ab. Von rund 4 Millionen bewohnten Wohnimmobilien sind rund 3 Millionen vor 1990 errichtet und seither nur notdürftig renoviert worden. Erhebungen der staatlichen Energieagentur MEHI weisen mehr als ein Viertel aller Wohnungen mit dem schlechtesten Energieausweis HH aus. Ungarische Privathaushalte setzen nach MEHI-Daten 72 Prozent des Energieverbrauchs für Heizzwecke ein. Der EU-Durchschnitt liegt bei 64 Prozent.

    Trotz hohem Sanierungsbedarf wird laut MEHI-Chef Áron Horváth pro Jahr nur etwa 1 Prozent des Wohnungsbestands modernisiert. Zuletzt kam der Sanierungsmarkt sogar mehr oder weniger zum Stillstand, nachdem die ungarische Regierung Anfang 2023 entsprechende Förderprogramme einstellte. Der Förderstopp hatte deutliche Auftrags- und Umsatzeinbrüche bei Bauunternehmen und Baustoffhändlern zur Folge. Nach massiver Lobbyarbeit der Bauverbände wurde Mitte 2024 ein neues Wohnungssanierungsprogramm aufgelegt. 

    Bei Förderprogrammen wird nachgelegt

    In der Praxis gestaltete sich die Umsetzung des Programms zunächst jedoch als schwierig. Die Zahl der Förderanträge blieb deutlich unter den Erwartungen der Regierung, weshalb sie im Januar 2025 Nachbesserungen vornahm. Förderfähig sind seitdem Sanierungsprojekte von Eigenheimen, die bis Ende 2006 errichtet wurden und nicht wie in der ursprünglichen Variante vor 1990. In diesem Zeitraum sind geschätzt 300.000 neue Eigenheime entstanden, was den Kreis berechtigter Antragsteller deutlich erweitert. Außerdem wurde der Antragsprozess gestrafft. 

    Der neue Programmrahmen betrug im Januar 2025 zunächst umgerechnet rund 182 Millionen Euro mit einer Laufzeit bis März 2027. Die maximale Fördersumme pro Antrag liegt bei rund 15.000 Euro und besteht zu gleichen Teilen aus zinslosen Darlehen und nichtrückzahlbaren Zuschüssen. Förderfähig sind vier Sanierungsmaßnahmen: die Gebäudeisolierung, der Austausch von Türen und Fenstern, die Modernisierung der Warmwasseraufbereitung und die Erneuerung der Heizungssysteme. Hinzu kommt im neuen Programm, dass die Installation von Wärmepumpen, Solarmodulen und Energiespeichern zusätzlich bezuschusst wird. Auf diese Weise kann die maximale Fördersumme um bis zu 10.000 Euro aufgestockt werden. 

    Bauunternehmen hoffen auf gute Geschäfte

    Im Rahmen ihres wirtschaftlichen Aktionsplans schob die ungarische Regierung im Januar ein zweites Förderprogramm für private Wohnungssanierungen nach. Es ist explizit für Projekte in ländlichen Gegenden vorgesehen. Adressaten sind in erster Linie Haushalte mit geringem Einkommen in Siedlungen mit weniger als 5.000 Einwohnern. Auch hier beträgt die maximale Förderhöhe um die 15.000 Euro, allerdings fließen 80 Prozent davon als Zuschüsse und nur 20 Prozent als zinslose Kredite. Die förderfähigen Sanierungsarbeiten decken sich in beiden Programmen. Ebenso deckungsgleich ist die Vorgabe, dass mit den Sanierungsmaßnahmen Energieeinsparungen von mindestens 30 Prozent erreicht werden müssen. 

    Branchenvertreter sind sich einig, dass die Kombination beider Programme den Sanierungsmarkt wiederbeleben könnte. Das bemerken Händler von Baustoffen oft zuerst: Für Attila Juhász, Chef der Baustoffkette Újház, sei der Aufschwung bei Wohnungsmodernisierungen bereits durch eine deutlich höhere Nachfrage an Baustoffen zu beobachten. Bei Bauunternehmen ist das derweil noch nicht angekommen. Vertreter des Fachverbands ÉVOSZ erwarten Marktbewegungen erst für die zweite Jahreshälfte. Deutschen Herstellern von Baustoffen mit energetischen Eigenschaften, aber auch Lieferanten von Fenstern und Türen oder Wärmesystemen, bieten sich hier neue Geschäftschancen. Das gilt genauso für Baudienstleister, die auf energetische Sanierungen spezialisiert sind. 

    Neues Energieeffizienzgesetz in Vorbereitung

    Mit Blick auf den Zustand des ungarischen Wohnungsbestands sind die Programme auch angesichts neuer EU-Direktiven erforderlich. Mit der Novellierung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und der Energieeffizienzrichtlinie (EED) verabschiedete die EU Mitte 2024 neue Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden, die binnen 24 Monaten in nationale Gesetze gegossen werden müssen. Ungarn hat mit der Umsetzung der neuen Vorgaben begonnen, die Novellierung des Energieeffizienzgesetzes liegt seit Februar zur öffentlichen Konsultation vor und könnte im Mai 2025 in Kraft treten.

    Kern der Änderungen ist eine deutliche Erhöhung der Energieeinsparverpflichtungen für Energieversorger und -händler. Dem Energieminister obliegt es, entsprechende Energieeffizienzmaßnahmen festzulegen. Oberste Priorität hat laut ungarischem Energieministerium dabei die Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden und öffentlichen Bauten. Die ungarische Baubranche begrüßt die Initiative. Denn sie verspricht zusätzliches Tempo für die energetische Gebäudesanierung. Branchenvertreter erwarten, dass insbesondere die Nachfrage nach Wärmedämmung und Heizungssystemen anzieht. 

    Mineralölkonzern baut grünes Leuchtturmprojekt

    Kommerzielle Bauten schneiden aus energetischer Sicht schon heute deutlich besser ab. Gerade am Markt für Büroimmobilien sind die Standards zuletzt merklich gestiegen, was auch eine Folge der zunehmenden Bedeutung von ESG (Environmental, Social and Corporate Governance)-Anforderungen. Ungarn hat seit 1. Januar 2024 ein eigenes und vergleichsweise strenges ESG-Gesetz. Das verpflichtende Reporting wird seither stufenweise eingeführt, die entsprechende Aufsichtsbehörde soll Anfang 2026 ihre Tätigkeit aufnehmen. 

    Immobilienentwickler bereiten sich darauf bereits vor: Wie Daten des ungarischen Verbands für umweltbewusstes Bauen (HuGBC) zeigen, nimmt die Zahl der Büroneubauten mit einer Bewertung nach den Nachhaltigkeitskriterien des BREEAM Excellent Zertifikats sukzessive zu. Ein Leuchtturmprojekt ist der 2022 fertiggestellte MOL-Campus. Der neue Hauptsitz des ungarischen Mineralölkonzerns MOL gilt als modernstes Bürogebäude in Budapest. Nach eigenen Angaben trägt der Gebäudekomplex als erster des Landes zusätzlich zu einer BREEAM Excellent-Bewertung auch eine LEED-Platin-Zertifizierung.

    Von Kirsten Grieß | Budapest

  • Branchenstruktur

    Zwei Krisenjahre haben der Baubranche zugesetzt, die Zahl der Bauunternehmen ist stark geschrumpft. Fehlende Arbeits- und Fachkräfte sind dennoch ein Problem.

    Der Anteil der Bauwirtschaft an der Bruttowertschöpfung der ungarischen Wirtschaft lag 2024 bei 6 Prozent – ein Wert, der über die Jahre relativ stabil geblieben ist. Weniger stabil zeigt sich das Produktionsvolumen der Bauindustrie. Seit 2023 ist die Bauleistung rückläufig, was eng mit dem 2022 verhängten staatlichen Investitionsstopp zusammenhängt. Die öffentliche Hand war bis dahin mit Abstand größter Investor am Baumarkt. Entsprechende Auftragsverluste bei gleichzeitig massiv gestiegenen Erzeugerpreisen machen ungarischen Bauunternehmen und Baustoffherstellern seither zu schaffen. 

    Rasante Konsolidierung in der Baubranche

    Das zweite Krisenjahr in Folge brachte die ungarische Baubranche sichtlich in Bedrängnis. Laut nationalem Statistikamt KSH waren zum Jahresende 2024 noch 149.529 Bauunternehmen offiziell registriert, 1.290 Betriebe weniger als im Juli des Vorjahres. Dabei sind es eher die Klein- und Kleinstbetriebe, die ihr Geschäft aufgeben mussten. Während größere Baufirmen mit mehr als 250 Mitarbeitern ihre Marktanteile zuletzt deutlich ausweiteten. Ihr Beitrag zum gesamten Produktionsvolumen schnellte zwischen 2022 und 2023 von 8 auf 19 Prozent nach oben. 

    Grundsätzlich sind die Baubetriebe mehrheitlich in ungarischer Hand. Duna Aszfalt, im Besitz des Gründers der Duna Gruppe, Lászlo Szíjj, führt als Generalunternehmen zahlreiche staatliche Straßen- und Tiefbauprojekte durch. Eine der größten Tiefbaugesellschaften, Mészáros és Mészáros, ist im Besitz des Orbán-Vertrauten Lőrinc Mészáros. Szíjj und Mészáros sind wiederum Anteilseigner von MKIF, dem Konzessionshalter für weite Teile des ungarischen Autobahnnetzes. Mit Strabag und Metal Hungaria Holding mischen auch zwei österreichisch geführte Bauunternehmen im Baugeschäft mit.

    Wichtige Branchenunternehmen in Ungarn (Umsatz in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Sparte      

    Umsatz 2022

    Veränderung

    2022/2021

    Mitarbeitende *)
    Market Epito Zrt.

    Hochbau und 

    Tiefbau

    796- 2,2588
    Duna Aszfalt Zrt.Tiefbau592- 24,2k.A.
    Kesz Epito Zrt.Hochbau und Tiefbau255- 2,9263
    STRABAG Altalanos Epito Kft.Hochbau und Tiefbau2143,8k.A.
    ZAEV Epitoipari Zrt.Hochbau205- 9,3321
    WEST HUNGARIA BAU Kft.Hochbau und Tiefbau204- 12,1261
    Mészáros és Mészáros Zrt.Tiefbau196k.A.138
    Colas Ut Zrt.Tiefbau191- 2,8367
    METAL HUNGARIA HOLDING Zrt.Hochbau18231,9242
    FEJER-B.A.L. Zrt.Hochbau16720,0241
    * Angaben vom August 2023.Quelle: EMIS 2023

    Gestiegene Baupreise bleiben ein Problem

    Der Anstieg der Erzeugerpreise im Baugewerbe verlangsamte sich 2024 laut offiziellen Zahlen auf 5,9 Prozent. Doch nach den massiven Preissteigerungen der Vorjahre ist das Preisniveau weiterhin ein großes Problem für Baubetriebe, vor allem für die Kleineren. Nach Daten des Fachverbands der Bauunternehmer liegen die Preiszuwächse für bestimmte Posten noch immer im zweistelligen Bereich, etwa für die Beseitigung von Bauschutt, für elektrische Kabel und Leitungen, aber auch für Personal. 

    Mit einer Arbeitslosenquote von 4,5 Prozent (im Februar 2025) herrscht in Ungarn quasi Vollbeschäftigung. In der Wirtschaft fehlen seit Jahren Fachkräfte. Das spürt auch die Baubranche. Zwar sorgten Auftragsrückgänge und Insolvenzen in der Bauwirtschaft zuletzt für eine gewisse Entspannung, in bestimmten Bereichen fehlt aber weiter Personal. Die Betriebe suchen vor allem Maurer, Elektriker oder Schlosser. Es gibt auch einen Mangel an Architekten, Bauingenieuren und Elektroingenieuren. Das ergab Mitte 2024 eine Mitgliederbefragung des Verbands der ungarischen Bauunternehmer (ÈVOSZ).

    Großhändler dominieren den Baustoffmarkt 

    Der Präsident des ungarischen Verbands für Baustoffe und Bauprodukte (MÈASZ), László Szarka, schätzt, dass auf seinem Heimatmarkt rund 500 Baustoffproduzenten und Installateure aktiv sind. Darunter fallen etwa 35 größere Hersteller von Produkten, Ausrüstung und Zubehör, 400 Unternehmen operieren im Bereich Gebäudetechnik und -installation. Szarka geht außerdem davon aus, dass in Ungarn rund 1.000 Baustoffhändler und Lieferanten Produkte anbieten.

    Zwei inländische Großhändler dominieren den B2B-Markt: Der Platzhirsch Újház betreibt landesweit rund 80 Baustoffmärkte und zur Nummer 2, Lamda, gehören etwa 25 Märkte. Darüber hinaus gibt es in Ungarn drei größere Partnernetzwerke: Unter dem Dach der Hufbau Gruppe, der Pannon Gruppe und der Alföldi Tüzép Kft. kooperieren zwischen 45 und 125 unabhängige Betriebe. Die ungarischen Niederlassungen der deutschen Baumarktketten Obi, Praktiker und Bauhaus sind vorrangig im B2C-Geschäft aktiv.

    Produktion ausgewählter Bauprodukte in Ungarn (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

    Sparte 1)

    2022

    Veränderung 2022/2021

    16.23 Bauteile aus Holz42322,8
    22.23 Baubedarfsartikel aus Kunststoff53518,7
    23.1 Glas und Glaswaren53924,6
    23.3 Keramische Baumaterialien22046,5
    23.4 Sonstige Porzellan und Keramikprodukte368-0,5
    23.5 Zement, Kalk und gebrannter Gips272-5,1
    23.6 Erzeugnisse aus Beton, Zement, Gips1.24820,8
    * NACE Rev.2.Quelle: Quelle: Staatliches Statistikamt KSH 2023

    Von Kirsten Grieß | Budapest

  • Rahmenbedingungen

    Die Aufnahme von Bautätigkeiten in Ungarn ist auch für ausländische Unternehmen unkompliziert. Sonder- und Neuregelungen sind zu beachten, oft auch kurzfristig.

    Bauunternehmen müssen ihre Tätigkeiten in Ungarn spätestens fünf Tage nach Baubeginn bei der ungarischen Kammer für Handel und Industrie registrieren. Die Registrierung bleibt bis auf Widerruf gültig und kann online durchgeführt werden. Für EU-Bürger gibt es aus arbeitsrechtlicher Sicht aufgrund der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit keine Beschränkungen. Eine A-1 Bescheinigung ist jedoch erforderlich.

    Rasche Genehmigungsverfahren im One-Stop-Shop

    Der administrative Prozess für den Bau von Wohn- und Geschäftsgebäuden ist in Ungarn unkompliziert und transparent geregelt. Allerdings können sich Zuständigkeiten kurzfristig ändern. Grundsätzlich bedarf es einer Baugenehmigung durch die örtliche Baubehörde. Die holt in der Regel ein lokal ansässiger Notar ein. Die Frist für die Erteilung der Baugenehmigung beträgt 15 Tage. Bauvorhaben mit absehbaren Umweltauswirkungen müssen vorab durch die zuständige Umweltschutzbehörde auf Basis einer Umweltverträglichkeitsprüfung genehmigt werden. Auch solche mehrstufigen Genehmigungsverfahren wickelt die lokale Baubehörde als One-Stop-Shop ab und übernimmt die Abstimmung mit den beteiligten Fachbehörden.

    Ein Sonderfall in der ungarischen Bauwirtschaft sind Bau-, Umbau- und Erweiterungsvorhaben in Einzelhandelsgebäuden mit einer Gesamtfläche von über 400 Quadratmetern. Für Einkaufszentren dieser Größe wurde ein grundsätzliches Bauverbot verhängt. Ausnahmen sind per Sondergenehmigung und über mehrstufige Verträglichkeitsprüfungen möglich und werden angesichts neuer Shopping-Malls im Land offenbar regelmäßig gewährt. Seit 2012 versucht die Fidesz-Regierung mit dem "Plaza-Stop"-Gesetz die Konzentration auf dem Einzelhandelsmarkt einzudämmen und lokale Händler zu stärken. Die EU leitete dazu 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

    Regulatorisches Umfeld verunsichert Unternehmen

    Die Unberechenbarkeit und hohe Frequenz staatlicher Regulierungen im Bausektor wird von internationalen und einheimischen Marktakteuren beklagt. Bei der letzten Mitgliedsbefragung des Bauunternehmerverbands ÉVOSZ empfanden 44 Prozent der Teilnehmenden das regulatorische Umfeld als hinderlich für ihre Geschäfte. Ein Problem für die Unternehmen ist nicht nur die Regulierungsfülle, sondern auch der kurze Vorlauf von neuen Vorschriften. Eine Konsultation der Interessenvertretungen findet häufig nicht statt.

    Baustoffproduzenten und -händler wurden zuletzt mit einigen nennenswerten Änderungen konfrontiert. Für strategisch wichtige Rohstoffe und Produkte übt die ungarische Regierung seit 2021 eine Ausfuhrkontrolle aus. Exporte müssen vorab beim Ministerium für Technologie und Industrie beantragt werden. Für die Dauer der Prüfung des Antrags verfügt der ungarische Staat über ein Vorkaufsrecht. Zu den betroffenen Rohstoffen und Produkten zählen beispielsweise Kieselsteine, Schotter und Steine. Für zahlreiche weitere Bauprodukte gilt eine elektronische Meldepflicht im Warenkontrollsystem EKEAR.

    Darüber hinaus führte die ungarische Regierung Mitte 2022 Sonderertragssteuern für einzelne Branchen ein. Betroffen sind auch Hersteller von Zement, Ziegeln, Baukeramik und Fliesen. Der Steuersatz beträgt 90 Prozent auf alle Verkaufserlöse, die über einem staatlich festgelegten Höchstpreis liegen. Seit Juli 2023 müssen große CO2-Emittenten wie Zementhersteller zudem eine CO2-Abgabe von 40 Euro pro Tonne entrichten. 

    Brüssel blockiert weiterhin EU-Fördergelder

    Seit dem EU-Beitritt Ungarns profitierte die inländische Bauindustrie stark vom Zufluss europäischer Fördergelder. In der aktuellen EU-Förderperiode bis 2027 stehen Ungarn rund 22 Milliarden Euro kohäsionspolitischer Mittel zur Verfügung. Davon sind 6,7 Milliarden Euro für Maßnahmen im Bereich Umwelt und Energieeffizienz sowie nachhaltige Verkehrsentwicklung vorgesehen, weitere 1,7 Milliarden Euro sind für die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur eingeplant. Bis Ende 2026 könnte Ungarn zudem 5,8 Milliarden Euro an Zuschüssen und 3,9 Milliarden Euro an Krediten aus dem EU-Wiederaufbaufond abrufen. Der ungarische Maßnahmenplan sieht hohe Summen für den Ausbau der Transportinfrastruktur und für Projekte in den Bereichen Energieinfrastruktur und Energieeffizienz vor.

    Allerdings wird die Zahlung der Gelder seit Ende 2022 von Brüssel zurückgehalten. Die EU-Kommission sieht Defizite bei der Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, dem Schutz von Menschenrechten und Minderheiten sowie der Korruptionsbekämpfung in Ungarn. Die Blockade der Mittel ist auch ein Grund, warum Bauminister János Lázár fast alle staatlichen Investitionsprojekte stoppte. Ende 2023 kam es zu einer Vorauszahlung von knapp einer Milliarde Euro aus dem Wiederaufbaufonds. Darüber hinaus gab die EU-Kommission unter großer öffentlicher Kritik zehn Milliarden Euro aus dem Kohäsionsfond frei. Eine Klage des EU-Parlaments gegen die Freigabe ist noch anhängig. 

    Über den Einsatz der freigegebenen Gelder herrscht wenig Transparenz. Außerdem muss Budapest davon zunächst auch bereits getätigte Auslagen begleichen. Einige Gelder könnten sicherlich in die zuletzt angekündigten staatlichen Bauprojekte fließen. Die Reformbemühungen der ungarischen Regierung sind indes wenig überzeugend, während sich Ministerpräsident Viktor Orbán weiter unter seinen europäischen Amtskollegen isoliert. Vor dem Hintergrund bleibt es fraglich, ob weiteres Geld aus Brüssel kommen wird. 

    Tipps für den Markteinstieg

    • Eine inländische Tochtergesellschaft oder lokale Partnerschaften eröffnen den Zugang zu Fördergeldern und öffentlichen Ausschreibungen.
    • Auf Compliance sollte in Ungarn geachtet werden. Das Land belegte im Jahr 2024 lediglich Platz 82 im "Corruption Perception Index".
    • Bei längerfristigen Vertragsabschlüssen entstehen Wechselkursrisiken.
    • Für Investoren empfiehlt es sich, mit bilingualem Personal oder Partnern zu arbeiten.

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung. Unsere Reihe Arbeitsmarkt liefert ausführliche Informationen zur aktuellen Lage auf dem ungarischen Arbeitsmarkt und zu den rechtlichen Rahmenbedingungen.

    Von Kirsten Grieß | Budapest

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Ungarn

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Portal 21Informationsangebot zu Dienstleistungen in Europa
    Építési és Közlekedési Minisztérium (ÉKM)Ministerium für Bau und Verkehr
    Építési Vállalkozók Országos Szakövetsége (ÉVOSZ)Ungarischer Fachverband der Bauunternehmer
    Magyar Építőanyag és Építési Termék Szövetség (MÉASZ)Ungarischer Fachverband der Baustoff- und Bauprodukthersteller
    Magyar Épületgépészek Szövetsége (MÉGSZ)Verband ungarischer Gebäudetechniker 
    Magyar ÉpítéstechnikaUngarische Fachzeitschrift für Gebäudetechnik 
    ConstrumaInternationale Baumesse, jährlich im Frühjahr
    Központi Statisztikai Hivatal (KSH)Staatliches Statistikamt Ungarn

     

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