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Branche kompakt | USA | Medizintechnik

Ambulante Behandlungen in den USA auf dem Vormarsch

Das Gesundheitswesen in den USA sucht Lösungen für eine alternde Gesellschaft und hohe Kosten. Insbesondere die ambulante Versorgung wird ausgebaut. Telemedizin wird ein Kernthema.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Marktentwicklungen und -trends

    Der Medizintechnikmarkt entwickelt sich positiv. Erhöhter Behandlungsbedarf erfordert einen Kapazitätsausbau im Gesundheitswesen. Dabei entstehen vor allem ambulante Einrichtungen.

    Mit einem Absatzvolumen von rund 222 Milliarden US-Dollar (US$) im Jahr 2022 haben die Vereinigten Staaten den größten Markt für Medizintechnik weltweit. Zur Bewältigung des steigenden Behandlungsbedarfs müssen die Gesundheitseinrichtungen ihre Investitionen in den kommenden Jahren erhöhen. 

    40 %

    des weltweiten Branchenumsatzes vereint der US-Medizintechnikmarkt auf sich.

    Für Medizinprodukte prognostiziert das Analyseunternehmen Fitch Solutions zwischen 2022 und 2027 eine durchschnittliche Wachstumsrate von 5,7 Prozent pro Jahr. Dadurch soll der Branchenumsatz bis zum Jahr 2027 auf rund 293 Milliarden US$ ansteigen. Die USA sind dabei auch der weltweit größte Importeur von medizinischen Geräten. Die Importe machen etwa 30 Prozent des Marktes aus.

    Ausgaben im Gesundheitssektor steigen deutlich

    Die Vereinigten Staaten haben einen sehr guten Standard bei der Gesundheitsversorgung, innovative Medizintechnik und Arzneimittel sind allerdings sehr kostspielig. Für das Gesundheitssystem geben die USA deutlich mehr aus als andere Länder. Nach Schätzungen des Centers for Medicare & Medicaid Services (CMS) machte der Gesundheitssektor 2022 rund 17,4 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) aus. Das sind 13.413 US$ pro Kopf. Im Vergleich waren es in Deutschland 2022 laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nur etwa 12,7 Prozent des BIP und umgerechnet 6.190 US$ pro Kopf.

    Aufgrund der demografischen Entwicklung droht dem Gesundheitssystem eine weitere Kostenexplosion. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer erreichen bis Ende des laufenden Jahrzehnts allesamt das Rentenalter. Dadurch wächst die Zahl der Menschen im Alter ab 65 Jahren von zurzeit rund 57 Millionen auf etwa 70 Millionen im Jahr 2031 an. Laut dem National Council of Ageing leiden bereits rund 80 Prozent der Älteren an mindestens zwei chronischen Krankheiten. So wurden im Jahr 2022 beispielsweise rund 1,9 Millionen neue Krebserkrankungen entdeckt, das sind 18 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Bis 2030 wird ein weiterer Zuwachs um etwa 0,8 Prozent pro Jahr befürchtet.

    Der damit verbundene zusätzliche Behandlungsaufwand stellt das US-Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Nach Prognosen des CMS sollen die jährlichen Gesundheitsausgaben bis zum Jahr 2031 um durchschnittlich 5,6 Prozent pro Jahr ansteigen. Für die Pro-Kopf-Ausgaben bedeutet dies ein massiver Zuwachs auf 20.425 US$.

    Krankenhauskapazitäten werden ausgebaut

    Die wachsenden Patientenzahlen sorgen dafür, dass insbesondere private Klinikbetreiber in zusätzliche Betten investieren. "Insgesamt 601 Krankenhausprojekte mit einer Nutzfläche von 13,6 Millionen Quadratmetern befinden sich in Bau oder Planung", sagt Mike Hargreaves von Revistamed. Insbesondere für komplexe Behandlungen im Tertiärbereich könnte der Bedarf in den kommenden zehn Jahren um etwa ein Viertel ansteigen. Die Gesamtanzahl der Krankenhausbetten bewegt sich deshalb langsam auf 1 Million zu. Das Datenportal Statista rechnet bis zum Jahr 2028 mit rund 964.000 Betten in den US-Kliniken (2021: 944.000).

    Ausgewählte Investitionsvorhaben im US-Gesundheitssektor

    Projekt

    Investitionssumme (in Mio. US$)Anmerkung
    Rady Children's Hospital (San Diego, Kaliforrnien)

    1.400

    Neubau einer Intensivstation mit 140 Betten sowie 4 Operationssälen. In Bau bis 2027
    The University of Texas at Austin Medical Center (Austin, Texas)

    2.500

    Neubau zweier Krankenhäuser: MD Anderson Cancer Center mit 156 Betten sowie UT Austin Hospital mit 250 Betten. Baubeginn voraussichtlich 2026.
    Hospital Campus von Mayo Clinic (Rochester, Minnesota)

    3.500

    Neubau von mehreren Klinikgebäuden mit rund 160.000 Quadratmetern Nutzfläche. Geplanter Baustart 2024 mit Fertigstellung bis 2030.
    Henry Ford Health Medical Campus (Detroit, Michigan)

    2.500

    Klinikneubau mit 877 Betten. Geplanter Baustart 2024 mit Fertigstellung bis 2030.
    Helen Diller Medical Center der University of California (San Francisco, Kalifornien)

    4.300

    Klinikneubau mit 336 Betten. Geplante Fertigstellung bis 2030.
    Indiana University New Downtown Hospital (Indianapolis, Indiana)

    2.300

    Klinikneubau mit 864 Betten. Geplante Fertigstellung bis 2027.
    Massachusetts General Hospital Expansion (Boston, Massachusetts)

    1.900

    Klinikerweiterung mit zwei Neubauten für 482 Betten. Geplante Fertigstellung bis 2030.
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Strukturelle Probleme machen sich allerdings auch um Krankenhaussektor bemerkbar. Neben steigenden Behandlungskosten und teuren Medikamenten zählen dazu insbesondere Personalengpässe. Die Covid-19 Pandemie hat stark am Gesundheitspersonal der USA gezerrt. Nach Angaben von Definitive Health haben im Jahr 2022 rund 145.000 Beschäftigte den Gesundheitssektor verlassen, darunter 71.000 Ärzte und 34.000 Pflegekräfte. Der Kampf um dringend benötigtes Personal führt zu stark steigenden Lohnkosten. Bei der Beschaffung von Medizintechnik stehen für Einkaufsmanager in den Kliniken deshalb vor allem Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen im Vordergrund.

    Die Anzahl ambulanter Eingriffe nimmt zu

    Hohe Kosten für stationäre Behandlungen sorgen dafür, dass bestimmte Eingriffe verstärkt in den ambulanten Bereich verlagert werden. Dort können Eingriffe wie Gelenkersatzoperationen um 30 Prozent bis 40 Prozent günstiger sein. Das Orthopädieunternehmen Stryker schätzt, dass bereits 10 Prozent dieser Operationen in ambulanten Zentren durchgeführt werden. In den kommenden fünf Jahren könnte sich der Wert verdoppeln.

    Auch das Beratungsunternehmen Sg2 sieht in ambulanten Eingriffen das am schnellsten wachsende Segment im US-Gesundheitsmarkt. Laut dem Sg2 Impact of Change Forecast soll die Anzahl der ambulant durchgeführten Operationen bis 2033 um insgesamt 18 Prozent auf 109,5 Millionen Eingriffe ansteigen (im Vergleich zu 2023). Bei chirurgischen Eingriffen in Krankenhäusern soll es im gleichen Zeitraum hingegen nur ein Plus von 2 Prozent geben.

    Mitte 2023 gab es bereits rund 6.223 Ambulatory Surgical Centers (ASC) in den USA (2022: 6.109). Auch in Zukunft dürften jedes Jahr mehr als 100 ASC neu hinzukommen. Mit etwa 70 Prozent wird der Großteil der Einrichtungen von unabhängigen Betreibern geführt. Medizintechnikunternehmen wie Johnson & Johnson oder Smith & Nephew passen ihre Vertriebsstruktur bereits an und bilden speziell auf ambulante Zentren ausgerichtete Teams, beispielsweise um flexible Finanzierungsmodelle anzubieten. Aber auch große Krankenhausbetreiber werden verstärkt aktiv. Teneth Healthcare betreibt über die Tochter United Surgical Partners International bereits mehr als 465 ambulante Zentren.

    Im Hinblick auf die technische Ausstattung stehen die ambulanten Einrichtungen Kliniken in nichts nach und beschaffen beispielsweise auch hochmoderne Chirugieroboter. Laut Umfragen unter Chirugen werden bereits rund 11 Prozent aller Eingriffe an der Wirbelsäule mit Hilfe von Robotern durchgeführt. Bis 2028 könnte der Anteil auf 20 Prozent steigen.

    Arztpraxen vermehrt in der Hand von Ketten

    Verschiebungen gibt es auch in der Primärversorgung. Eigenständige Arztpraxen gibt es immer weniger. Dafür entstanden bereits mehr als 11.000 Urgent Care Center mit einem Wachstum von zuletzt rund 7 Prozent pro Jahr. Dahinter stehen meist Ketten wie Concentra oder MedExpress. Auch Retail Health Clinics von Anbietern wie Walmart Health sind auf Expansionskurs.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Digital Health

    Während der Pandemie wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für Digital Health erleichtert. Die Unternehmen hoffen, auch dauerhaft profitieren zu können.

    Die USA sind Vorreiter bei digitalen Gesundheitslösungen. Dazu trägt insbesondere die innovative Start-up-Szene bei. Laut dem Portal HealthTech Alpha sind rund 3.200 Digital Health Start-ups im US-Markt aktiv. Während der Hochphase der Coronapandemie wurden die Jungunternehmen mit Risikokapital geradezu überschüttet. Im Jahr 2021 konnte ein Rekordwert von 29,2 Milliarden US-Dollar (US$) eingesammelt werden. Mit einem Einbruch von knapp 46 Prozent gab es im Folgejahr einen deutlichen Dämpfer für die Start-up-Finanzierung. Zwar setzt sich der Abwärtstrend auch 2023 fort, Beobachter sind jedoch optimistisch, dass sich der Markt bereits stabilisiert und sich auf einem neuen Normalniveau einpendelt.

    Bei den bislang im Jahr 2023 abgeschlossenen Finanzierungsrunden stehen insbesondere Anwendungen für die Behandlung von komplexen Krankheiten und nicht klinische Arbeitsabläufe im Fokus. Das meiste Geld fließt dabei in Start-ups, die sich mit psychischen Erkrankungen befassen.

    Erleichterungen für Telemedizin könnten dauerhaft werden

    Gute Geschäftschancen bietet der Bereich Telemedizin. Durch Covid-19 bekam die Nutzung digitaler Gesundheitsdienstleistungen einen anhaltenden Schub. In Zahlen belegen lässt sich dies für das staatliche Medicare-System, in dem rund 65 Millionen Menschen im Rentenalter versichert sind. Im Vorcoronajahr 2019 nahmen nur rund 1 Prozent der versicherten Personen Telemedizin in Anspruch. Pandemiebedingt stieg der Wert 2020 sprunghaft auf 48 Prozent an. Trotz Abflauen des Pandemiegeschehens hat sich der Trend zur verstärkten Telehealth-Nutzung verfestigt und konnte 2022 ein stabiles Niveau von 29 Prozent erreichen.

    Dabei helfen gesetzliche Erleichterungen für Telemedizinanbieter, die im Zuge der Coronamaßnahmen für Medicare erlassen wurden. Dadurch entfallen beispielsweise Vorgaben, dass Anbieter nur innerhalb bestimmter geografischer Grenzen tätig sein dürften. Im Rahmen des CONNECT for Health Act, das parteiübergreifend Unterstützung erfährt, sollen die eigentlich bis Ende 2024 befristeten Regelungen eine dauerhafte Geltung erhalten. Seitens der Drug Enforcement Agency gibt es zudem Überlegungen, dauerhaft die telemedizinische Verschreibung von rezeptpflichtigen Medikamenten zu erlauben. Die zurzeit geltende Ausnahmeregelung läuft ebenfalls Ende 2024 aus. Dann wäre grundsätzlich wieder zumindest eine persönliche Anfangsuntersuchung bei der verschreibenden Stelle erforderlich.

    Virtuelle Angebote wie Hospital-at-Home werden ausgebaut

    Einige Unternehmen kündigen bereits neue Investitionen im Bereich Telehealth an. So will der Tech-Gigant Amazon seinen virtuellen Gesundheitsdienst Amazon Clinic auf alle 50 US-Bundesstaaten ausweiten. Die Plattform bietet telemedizinische Konsultationen für über 30 Erkrankungen an. Gleichzeitig wird das Angebot von Amazon Pharmacy ausgebaut. In Texas können Medikamente seit Oktober 2023 per Drohne an Privathaushalte geliefert werden. Auch die Drogeriekette Walgreens plant mit Walgreens Virtual Healthcare den Aufbau eines großflächigen Telehealth-Angebots.

    Bei den Betreibern von Krankenhäusern wiederum stößt das Konzept Hospital-at-Home auf großes Interesse. Statt in der Klinik können Patienten in den eigenen vier Wänden behandelt werden, zum Beispiel bei bestimmten chronischen Erkrankungen oder zur Überwachung nach chirurgischen Eingriffen. Dazu werden die Haushalte mit telemedizinischen Geräten zur Patientenfernüberwachung ausgestattet, typische Beispiele sind Herzfrequenz- und Blutdruckmessgeräte

    Mit dem Acute Hospital Care at Home Program ermöglicht es die US-Regierung, dass entsprechende Behandlungen im Rahmen von Medicare genau wie stationäre Aufenthalte abgerechnet werden können. Wie viele während der Coronapandemie eingeführten Erleichterungen sind die Regelungen bis Ende 2024 befristet, haben aber gute Chancen dauerhaft übernommen zu werden. 

    Mitte 2023 nahmen bereits rund 300 Krankenhäuser an dem Programm teil. Eine Verlängerung hätte Signalwirkung für eine verstärkte Anwendung bei privaten Krankenversicherungen. Nach Angaben der American Hospital Association (AHA) sind Hospital-at-Home Behandlungen im Schnitt um 25 Prozent günstiger als stationäre Behandlungen. Dies weckt Interesse bei den privaten Krankenhäusern. Laut einer 2022 von Chartis durchgeführten Umfrage wollen rund 78 Prozent der befragten Klinikbetreiber in den kommenden fünf Jahren eigene Hospital-at-Home Anwendungen einführen.

    Künstliche Intelligenz hält im Gesundheitssektor Einzug

    Verstärkt kommen auch Anwendungen mit künstlicher Intelligenz in den US-Gesundheitsmarkt. Bis Anfang 2023 hatte die Regulierungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) bereits mehr als 520 KI-basierte Produkte zugelassen. Mit rund 400 fällt der Großteil in den Bereich der Auswertung bei bildgebender Diagnostik. Dem Einsatz von KI im Gesundheitswesen wird großes Potenzial bescheinigt. Nach Studien der Unternehmensberatung McKinsey und der Harvard University könnte die großflächige Anwendung zu jährlichen Einsparungen von bis zu 360 Milliarden US$ führen, dies entspräche rund 10 Prozent der US-Gesundheitsausgaben.

    Als Nächstes blasen Technologieriesen wie Microsoft und Google mit ihren KI-Sprachmodellen zum Angriff. ChatGPT von der Microsoft-Tochter OpenAI bestand Anfang 2023 bereits das United States Medical Licensing Exam (USMLE). Zusammen mit dem Softwareunternehmen Epic System arbeitet Microsoft bereits daran, ChatGPT in Programme für elektronische Patientenakten zu integrieren. Dies soll die Zusammenfassung klinischer Notizen oder Vorschläge für die medizinische Kodierung ermöglichen. Erste Tests laufen beispielsweise an der Stanford University.

    Google wiederum entwickelt das speziell auf den Medizinsektor zugeschnittene Sprachmodell Med-PaLM 2. Die Integration in klassische Krankenhaussoftware soll zusammen mit dem Anbieter Meditech erfolgen. Auch Betreiber von Gesundheitseinrichtungen wie HCA Healthcare oder Mayo Clinic experimentieren bereits mit der KI von Google.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Branchenstruktur

    Das Gesundheitssystem ist komplex. Eigenverantwortung wird in den USA großgeschrieben. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferländern für Medizintechnik.

    Die USA sind das einzige große Industrieland, in dem die Bereitstellung von medizinischen Dienstleistungen und Versicherungen nicht durch eine zentrale nationale Strategie vereinheitlicht ist. Eine gesetzliche Krankenversicherung wie in Deutschland gibt es nicht. Der Bevölkerungsanteil mit Krankenversicherungsschutz ist mit 92 Prozent dennoch hoch (Stand März 2023). 

    Vielfältiger Markt für private Krankenversicherungen

    Die meisten Menschen sind über Gruppenversicherungen, die von ihren Arbeitgebern unterstützt werden, krankenversichert. Dabei gibt es eine unüberschaubare Zahl an Tarifen und Modellen. Die durchschnittliche jährliche Versicherungsprämie für Einzelpersonen lag im Jahr 2023 bei 8.435 US-Dollar (US$), für Familien lag der Wert bei 23.968 US$. Davon wurden jeweils im Schnitt 17 Prozent beziehungsweise 29 Prozent durch die Beschäftigen getragen (plus Eigenanteilen und Zuzahlungen). Bei den Versicherungstarifen wird zwischen zwei Gruppen unterschieden: Verträge mit einer Preferred Provider Organization (PPO) ermöglichen eine freie Arztwahl (mit Einschränkungen in Form von Eigenanteilen und Zuzahlungen), im Rahmen einer Health Maintenance Organization (HMO) können grundsätzlich nur bestimmte Gesundheitseinrichtungen genutzt werden, beispielsweise eines privat betriebenen Health Systems wie Kaiser Permanente.

    Rund 86 Millionen Personen mit geringem Einkommen kommen über das staatliche Medicaid-Programm in den Genuss einer Krankenversicherung. Bei Einkommensgrenzen, Versicherungsbeiträgen und Leistungen gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen US-Bundesstaaten. Die fast 65 Millionen Menschen im Rentenalter sind über das staatliche Krankenversicherungsprogramm Medicare versichert. Eine erhebliche Anzahl von rund 25 Millionen Menschen muss aktuell ohne Krankenversicherung leben.

    Rahmendaten zum US-Gesundheitssystem

    Indikator

    Wert

    Einwohnerzahl (2022 in Mio.)

    334,1

    Bevölkerungswachstum (2022 in %)

    0,5

    Altersstruktur der Bevölkerung (2022)

     

      Anteil der bis 14-Jährigen (in %)

    17,8

      Anteil der mindestens 65-Jährigen (in %)

    17,3

    Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2021 in Jahren)

    76,1

    BIP pro Kopf (2022 in US$)

    70.160

    Gesundheitsausgaben pro Kopf (2021 in US$)

    12.914

    Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2021 in %)

    18,3

    Ärzte/100.000 Einwohner (2022)

    244,5

    Zahnärzte/100.000 Einwohner (2022)

    46,4

    Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2021) 

    277

      davon in öffentlich zugänglichen Krankenhäusern*

    234

    * ohne Spezialkliniken wie Rehabilitation oder Kliniken für bestimmten Personenkreis wie Veterans Hospitals.Quelle: United States Cenus Bureau, Centers for Medicare & Medicaid Services, U.S. Bureau of Labor Statistics, Internationaler Währingsfonds (IWF) 2023

    Weitergehende Informationen über das US-amerikanische Gesundheitssystem bieten beispielsweise die US-Botschaft in Deutschland, das MIT Medical und der Commonwealth Fund.

    Krankenhäuser unterscheiden sich im Nachfrageverhalten

    Insgesamt verfügen die Vereinigten Staaten über mehr als 6.000 Krankenhäuser, darunter rund 5.400 Akutkliniken. Der Rest entfällt beispielsweise auf mehr als 600 psychiatrische Kliniken oder Rehabilitationseinrichtungen. Die Akutkrankenhäuser befinden sich zu etwa 85 Prozent in der Hand von privaten Betreibern. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede. 

    Mit rund 70 Prozent fällt der Großteil der privaten Krankenhäuser in die Kategorie der Not-for-Profit Hospitals. Hinter den Einrichtungen stehen häufig kirchliche Träger oder Stiftungen. Erzielte Gewinne sind steuerfrei, müssen jedoch in den Betrieb reinvestiert werden. Non-for-Profit Hospitals sind häufig Teil vertikal integrierter Health Systems wie Ascension, CommonSpirit Health, Intermountain Health oder Kaiser Permanente, welche aus mehreren hundert einzelnen Gesundheitseinrichtungen bestehen können. Die verbleibenden 30 Prozent im Privatsektor entfallen auf die rund 1.300 For-Profit Hospitals. Beispiele für große Anbieter sind HCA Healthcare, Universal Health Services und Tenet Health. 

    Nach Einschätzung von Branchenkennern richten sich Non-For-Profit Hospitals bei der Beschaffung von Medizintechnik eher am bestehenden Versorgungsbedarf im eigenen Einzugsgebiet aus. Für gewinnorientierte Kliniken spielt hingegen auch die Abgrenzung zur Konkurrenz eine Rolle. Bei der Anschaffung modernster Medizintechnik kann es darum gehen, mit den Wettbewerbern gleich zuziehen oder diese bestenfalls zu übertrumpfen.

    Medizintechnikhersteller wie Stryker richten sich bei der Bewerbung ihrer Produkte mittlerweile auch direkt an die Patienten. So bewirbt Stryker seinen hochmodernen Chirugieroboter Mako Smartrobotcis in Fernsehspots und auf Social-Media-Kanälen. Die Kernkundschaft von For-Profit Hospitals, nämlich wohlhabende Krankenversicherte mit freier Arztwahl, sucht sich die Kliniken auch unter dem Kriterium aus, ob die neuesten Technologien angeboten werden.

    Heimat der weltweit größten Hersteller medizinischer Geräte

    Die US-Medizintechnikbranche ist weltweit führend und besteht aus mehr als 7.000 Unternehmen. Bei den meisten Firmen handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen, etwa 80 Prozent haben weniger als 50 Beschäftigte. Gleichzeitig haben die USA viele globale Aushängeschilder hervorgebracht. Von den zehn weltweit führenden Medizinprodukteherstellern sind sechs in den USA ansässig.

     

    Führende US-Medizintechnikunternehmen nach weltweitem Umsatz (in Milliarden US-Dollar; Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Umsatz 2022 1)

    Veränderung 2022/21 2)

    Abbott Laboratories

    31,27

    4,20

    Medtronic

    31,23

    -1,45

    Johnson & Johnson

    27,43

    1,37

    Siemens Healthineers

    21,13

    0,86

    BD (Becton, Dickinson and Company)

    18,87

    -6,81

    GE Healthcare

    18,46

    4,18

    Stryker

    18,45

    7,89

    Philips

    16,5

    -1,02

    Cardinal Healthcare

    15,89

    -4,74

    1 Fiskaljahr; 2 jeweils Fiskaljahr.Quelle: Medical Product Outsourcing Magazine

    Obwohl die Unternehmen der Branche über die gesamten USA verteilt sind, gibt es Schwerpunktregionen, die für ihre Hochtechnologiebranche bekannt sind. Zu den Bundesstaaten mit der höchsten Anzahl von Medizintechnikunternehmen gehören Kalifornien, Florida, New York, Pennsylvania, Michigan, Massachusetts, Illinois, Minnesota und Georgia. 

    Deutschland ist wichtigstes Lieferland 

    Die Stärke der amerikanischen Medizintechnikhersteller sorgt dafür, dass der Importbedarf mit etwa 30 Prozent recht gering ist. Die schiere Größe des Marktes sorgt dennoch für gute Absatzchancen. Laut Fitch Solutions war Deutschland im Jahr 2022 mit einem Anteil von 10,3 Prozent das viertwichtigste Lieferland von Medizinprodukten, hinter Mexiko (18,2 Prozent), Irland (12,4 Prozent) und China (12,3 Prozent). Mexiko ist insbesondere bei den medizinischen Verbrauchsgütern stark, während Irland über 40 Prozent der orthopädischen Produkte beisteuert.

    Besonders gut behauptet sich Deutschland im Bereich der bildgebenden Diagnostik und ist mit Unternehmen wie Siemens Healthineers sogar größter Importeur vor Japan und China. Pro Jahr werden in den USA über 700 Millionen bildgebende Untersuchungsverfahren durchgeführt. Etwa 40 Prozent bis 50 Prozent der Untersuchungen erfolgt außerhalb von Krankenhäusern. Beispielsweise gibt es spezialisierte Anbieter wie RadNet mit rund 360 radiologischen Praxen. Zudem hält Deutschland die Spitzenposition für den Import von Dentalprodukten.

    Importe ausgewählter Medizinprodukte in die USA und Anteil aus Deutschland 2022 (in Milliarden US-Dollar, Anteil in Prozent)
    SITC ImportAnteil Import aus Deutschland
    774.1Elektrodiagnoseapparate und -geräte

    6,7

    20,5

    774.2Röntgenapparate etc.

    4,7

    33,5

    741.83 Sterilisierapparate

    0,2

    1,4

    872.1Zahnmedizinische Instrumente; a.n.g.

    1,3

    26,9

    872.21Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc.

    9,3

    2,5

    872.25Ophthalmologische Instrumente

    0,6

    18,4

    872.29Andere Instrumente, Apparate und Geräte

    16,7

    10,2

    872.3Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc.

    6,3

    2,1

    872.4Medizinmöbel etc.

    1,3

    8,5

    899.6Orthopädietechnik, Prothesen etc.

    16,7

    6,0

    Quelle: USITC DataWeb Datenbank 2023

     

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Rahmenbedingungen

    Der Markt für Medizintechnik in den Vereinigten Staaten gehört zwar zu den lukrativsten, aber auch zu den am stärksten regulierten und wettbewerbsintensivsten.

    Um Medizinprodukte in den USA zu vertreiben, müssen diese durch die Food and Drug Administration (FDA) zugelassen sein. Der Marktzugang medizinischer Produkte ist in den USA im Regelfall abhängig von der Gefahrenklasse. Hersteller von Produkte mit niedrigem bis moderatem Sicherheitsrisiko (Klasse I und II) können meist eine Notifizierung (premarket notification) bei der FDA einreichen. 

    Produkte mit hohem Sicherheitsrisiko (Klasse III - zum Beispiel mechanische Herzklappen) benötigen eine Marktzulassung (premarket approval). Dieses Verfahren dauert im Allgemeinen sechs Monate oder länger und ist kostenaufwendig. Unternehmen, die für ein Produkt eine Notifizierung oder Marktzulassung beantragen, müssen sich bei der FDA kostenpflichtig registrieren. Ausländische Hersteller müssen der FDA im Rahmen der Registrierung einen Agenten benennen. Außerdem unterliegen medizinische Produkte komplexen Kennzeichnungsvorschriften. 

    FDA legt Übergangsplan für Marktzugang medizinischer Produkte vor

    Die FDA hatte während der Coronapandemie wiederholt medizinische Produkte mit besonderen Notfallgenehmigungen in einem beschleunigten Zulassungsverfahren (Emergency Use Authorizations - EUA) den Marktzugang gewährt. Nun will sie einen reibungslosen Übergang zu den regulären Marktzugangsverfahren der Vor-Corona-Zeit sicherstellen. Dazu hat sie Ende März 2023 einen unverbindlichen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Hersteller, Mitarbeiter der FDA und weitere Interessenvertreter veröffentlicht.    

    Weitere Informationen, wie sich die Coronakrise auf den Warenverkehr für Medizinprodukte auswirkt, gibt es bei der GTAI.

    In den USA werden sämtliche öffentlichen Aufträge aller Einrichtungen des Bundes in der Onlinedatenbank der US-Regierung veröffentlicht. Die einzelnen Bundesstaaten haben ihre eigenen zu vergebenden öffentlichen Aufträge, die in den jeweiligen Online-Datenbanken der zuständigen Behörden veröffentlicht werden. Weitere Informationen über das US-amerikanische öffentliche Auftragswesen gibt es bei GTAI und auf dem Webportal der U.S. General Services Administration.

    Für deutsche kleine und mittlere Unternehmen könnte das "Breakthrough Devices Progamm" interessant sein. Hierbei handelt es sich um ein Programm für besonders innovative Produkte, die eine wirksamere Behandlung oder Diagnose von lebensbedrohlichen oder irreversibel behindernden Krankheiten ermöglichen.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung. In Bezug auf die Vereinigten Staaten stehen beispielsweise die Publikationen Recht kompakt sowie Zoll und Einfuhr kompakt zur Verfügung.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade and Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Deutsch-Amerikanische Handelskammer (AHK USA)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft/Representative of German Industry and Trade - RGIT

    Verbindungsbüro des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Washington, D.C.

    Exportinitiative Gesundheitswirtschaft

    Die Exportinitiative bündelt Unterstützungsangebote für die Internationalisierung der Gesundheitswirtschaft.

    Centers for Medicare & Medical Services

    Verwaltungsbehörde für die öffentlichen Krankenkassen Medicare and Medicaid

    US Food and Drug Administration (FDA)

    Behörde, die für die Zulassung und Marktüberwachung von Lebensmitteln, Medikamenten und Medizinprodukten verantwortlich ist

    National Center for Health Statistics

    Behörde für Gesundheitsstatistik

    Department of Health & Human Services

    Gesundheitsministerium

    Medical Device Manufacturers Association

    Verband der Medizintechnikhersteller

    AdvaMed

    Medizintechnik-Verband

    FIME

    Fachmesse für Medizintechnik, nächster Termin 19.-21.06.24 in Miami
    HIMSSFachmesse für Digital Health, nächster Termin 11.-15.03.24 in Orlando

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

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