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Der Kfz-Markt in den USA schaltet einen Gang herunter
Der Autoabsatz wächst insgesamt langsamer, besonders E-Autos legen nicht mehr so rasant zu. Wie es weitergeht mit der E-Mobilität, wird sich erst nach der US-Wahl klar zeigen.
02.10.2024
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Verunsicherte US-Verbraucher, die auf bessere Zeiten warten, sorgen bei den Autohändlern für leichtes Stirnrunzeln. Dabei startete das Jahr 2024 vielversprechend: In den ersten sechs Monaten wurden knapp 7,9 Millionen Pkw in den Vereinigten Staaten verkauft, was einem Plus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht.
"Für die kommenden Monate erwarten wir eine gewisse Schwäche im Markt, weshalb die Wachstumsdynamik der 1. Jahreshälfte nicht beibehalten werden kann", prognostiziert Jonathan Smoke, Chief Economist bei Cox Automotive. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet sein Haus mit einen Gesamtabsatz von 15,7 Millionen Pkw. Gegenüber dem Vorjahr wäre dies ein Zuwachs von nur etwa 1,3 Prozent.
Verbraucher zögern beim Autokauf
Der jüngste Anstieg beim Kfz-Absatz ist in erster Linie Abnehmern wie Autovermietungen und Flottenkunden beziehungsweise dem Leasinggeschäft zu verdanken. Für die privaten Haushalte stellen hohe Preise und Finanzierungskosten jedoch weiterhin finanzielle Hürden dar.
Obwohl die durchschnittlichen Pkw-Neuwagenpreise im 1. Halbjahr 2024 leicht um 1 Prozent gesunken sind, liegen sie immer noch 21 Prozent über dem Niveau von Anfang 2020, also der Zeit vor der Coronapandemie. Zusammen mit einem durchschnittlichen Zinssatz von knapp 10 Prozent für neue Autokredite schreckt dies viele potenzielle Neuwagenkäufer ab.
"Die Konsumenten warten auf ein besseres Umfeld mit niedrigeren Zinsen", erklärt Jonathan Smoke. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) hatte die für 2024 erwarteten Zinssenkungen zuletzt jedoch immer wieder aufgeschoben. Seit Juli 2023 liegt der Leitzins deshalb bei 5,25 bis 5,5 Prozent – das ist der höchste Stand seit fast einem Vierteljahrhundert.
Analysten rechnen fest damit, dass die Fed noch im September 2024 mit den lange erhofften Zinssenkungen beginnt. Die bevorstehende Präsidentschaftswahl sorgt jedoch für erhebliche Unsicherheiten über die weitere Entwicklung der Marktbedingungen.
Absatz von E-Autos verliert an Schwung
Auch im Markt für Elektrofahrzeuge sind vorerst keine großen Sprünge zu erwarten. Im 1. Halbjahr 2024 stieg der Verkauf von batterieelektrischen Fahrzeugen um 7,3 Prozent auf 599.372 Einheiten. "Nachfrage ist nach wie vor vorhanden, wir sehen nur nicht mehr die hohen Wachstumszahlen, die wir noch vor Kurzem hatten", beschreibt Stephanie Valdez-Treaty von Cox Automotive die Situation.
Für das Gesamtjahr 2024 wird ein Absatz von rund 1,3 Millionen Batterieautos prognostiziert, was einem Plus von etwa 8,3 Prozent entspräche. Die Hersteller stehen dabei auch vor der Herausforderung, nach den Early Adopters nun Otto Normalverbraucher in den USA – "the average Joe" – zu erreichen.
Dabei sollen günstigere Angebote helfen. Im Juni 2024 lag der Durchschnittspreis für einen neuen vollelektrischen Pkw bei 56.648 US-Dollar (US$). In den kommenden zwei Jahren will jedoch eine Reihe von Herstellern Modelle auf den Markt bringen, die weniger als 35.000 US$ kosten, darunter Ford, General Motors (GM), Tesla, Kia und Volvo.
Hersteller müssen zunächst kleinere Brötchen backen
Umfragen wie die "2024 Path to EV Adoption Study" von Cox Automotive stimmen optimistisch: Danach könnte in drei bis fünf Jahren eine zweite Wachstumswelle für Elektroautos in Gang kommen. Fürs Erste müssen sich die Konzerne jedoch eingestehen, dass sie mit ihren Plänen der tatsächlichen Nachfrage etwas vorausgeeilt sind.
GM ist ein Paradebeispiel: Das ursprünglich formulierte Ziel, im Jahr 2024 rund 400.000 Elektrofahrzeuge vom Band laufen zu lassen, muss deutlich nach unten korrigiert werden. Stattdessen wird nur noch eine Stückzahl von 200.000 bis 250.000 erwartet. In den Werken werden weniger Schichten gefahren und die Einführung neuer Elektromodelle verzögert sich um mehrere Monate.
Das wirbelt auch den Zeitplan bei Investitionen durcheinander: Die etwa 4 Milliarden US$ teure Umrüstung des GM-Werks Orion bei Detroit auf die Herstellung von Elektrofahrzeugen verschiebt sich auf Mitte 2026. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Ford: Das Projekt Blue Oval City in Tennessee wird erst Ende 2026 und damit ein Jahr später fertig als geplant. In dem Werk sollen pro Jahr rund 500.000 E-Autos gebaut werden.
Rivian hat die Pläne für eine 5 Milliarden US$ teure Produktionsstätte in Georgia vorläufig auf Eis gelegt. Stattdessen werden zunächst die Kapazitäten am bestehenden Standort in Normal, Illinois erweitert. Ein geplantes Werk von Vinfast in North Carolina soll statt 2025 erst drei Jahre später die Produktion aufnehmen.
Trotz der Verzögerungen bei einzelnen Projekten dürften die USA bis 2027 über Kapazitäten für den Bau von 5,5 Millionen Elektrofahrzeugen verfügen. Der Wert von 2023 würde sich damit verfünffachen.
Emissionsvorgaben lassen mehr Spielraum
Von Vorteil ist aus Sicht der Autobauer, dass neue Regelungen deutlich mehr Flexibilität bei der Antriebswende gewähren. Die im März 2024 veröffentlichten Emissionsrichtlinien der Environmental Protection Authority (EPA) geben vor, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß für leichte Neufahrzeuge bis 2032 um die Hälfte sinken muss - auf 85 Gramm pro Meile (53 Gramm pro Kilometer).
Die Standards sind jedoch technologieoffen ausgestaltet. Dies bedeutet, dass die Hersteller die Emissionsziele auch mit fortschrittlichen Verbrennungsmotoren, Hybriden oder Plug-in-Hybriden erreichen können. Ein zentrales Szenario der EPA geht davon aus, dass batterieelektrische Antriebe im Jahr 2032 einen Anteil von 56 Prozent an den Neuverkäufen ausmachen könnten.
Richtungsweisende Präsidentschaftswahl
Trotz der Vorgaben der Umweltschutzbehörde ist keineswegs sicher, ob der Pfad der Elektromobilität in den USA auch so beschritten wird. Denn die Elektroautos haben sich zu einem polarisierenden Thema im Wahlkampf gemausert. Der künftige Kurs der amerikanischen Automobilindustrie wird deshalb entscheidend davon abhängen, wer im November 2024 das Rennen um den Einzug ins Weiße Hause für sich entscheidet.