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Deutsche Lebensmittelhändler sind in den USA auf der Erfolgsspur
Von hohen Preisen gebeutelte Verbraucher bringen den Lebensmitteleinzelhandel in Bewegung. Angeführt von einem deutschen Trio erleben Discounter einen Höhenflug.
30.12.2024
Von Heiko Stumpf | San Francisco
Die amerikanischen Verbraucher stehen unter Druck, denn beim Einkauf von Waren des täglichen Bedarfs ist alles um 25 bis 30 Prozent teurer als vor der Pandemie. Diese Entwicklung belastet nicht nur die Stimmung in den Supermärkten, sondern hat auch die jüngste US-Wahl beeinflusst. Auf seinen deutlichen Wahlerfolg angesprochen erklärte Donald Trump beim Fernsehsender NBC: "Ich habe bei der Grenzpolitik gewonnen – und bei den Lebensmitteln."
werden 2024 im US-Lebensmitteleinzelhandel umgesetzt.
Prognose von Coresight Research
Am Frust der Konsumenten dürfte sich so schnell aber wenig ändern. Trump selbst gesteht mittlerweile ein, dass es schwer wird, einmal gestiegene Preise zu senken. Die Aussichten bleiben daher gedämpft. Während die Umsätze im US-Lebensmittelhandel laut Circana im Jahr 2025 um 2 bis 4 Prozent steigen sollen, stagniert der mengenmäßige Absatz bei höchstens 1 Prozent.
Aldi nutzt die Gunst der Stunde
Das schwierige Umfeld sorgt für einen Wandel im Markt – mit klaren Verlierern und Gewinnern. Während klassische Vollsortimenter Anteile einbüßen, treffen Discounter mit ihren günstigen Preisen den Nerv der Zeit. Deutsche Lebensmittelhändler nutzen die Situation gezielt zur Expansion und stärken damit ihre Präsenz auf dem US-Markt.
"Aldi wächst schneller denn je", betonte Dave Rinaldo, Präsident von Aldi Süd USA auf der Jahreskonferenz der Private Label Manufacturers Association im November 2024 in Chicago. Nachdem zuletzt jährlich rund 100 Geschäfte eröffnet wurden, zieht Aldi das Tempo spürbar an.
Über die kommenden fünf Jahre will die Unternehmensgruppe aus Mülheim an der Ruhr rund 9 Milliarden US-Dollar (US$) in den USA investieren, um bis 2028 insgesamt 800 Filialen zu eröffnen. Dadurch würde sich die heutige Anzahl von rund 2.460 Geschäften um 30 Prozent auf über 3.200 Standorte erhöhen.
Expansion mit bewährtem Konzept
Rund 330 Aldi-Filialen sollen im Nordosten und Mittleren Westen der Vereinigten Staaten entstehen. Auch Südkalifornien sowie Las Vegas und Phoenix zählen zu den Wachstumsregionen. Im Südosten der USA entstehen Filialen hingegen vor allem durch Umbauten. Denn durch die erfolgreich abgeschlossene Übernahme der Ketten Winn-Dixie und Harvey's Supermarket hat Aldi rund 400 Geschäfte in den Bundesstaaten Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi und Florida hinzugewonnen.
Ein beträchtlicher Teil dieser Märkte wird schrittweise in Aldi-Geschäfte umgewandelt. Den Anfang machen rund 50 Standorte, die bereits 2025 im Aldi-Format ihre Türen öffnen sollen. Dabei klärt sich eine viel diskutierte Frage: Da Aldi-Filialen mit durchschnittlich 2.000 Quadratmetern nur etwa halb so groß sind wie Märkte von Winn-Dixie, wurde spekuliert, ob es künftig großformatige Geschäfte unter dem Aldi-Logo geben könnte. Bislang für den Umbau eingereichte Bauanträge bleiben allerdings dem bekannten Aldi-Konzept mit kleinen Ladenflächen treu.
Mit der Kette Trader Joe's ist auch der Schwesterkonzern Aldi Nord im US-Markt erfolgreich. Bei den Kunden ist die deutsche Tochter wegen ihrer trendigen Produkte beliebt. Nachdem die Essener 2024 gut zwei Dutzend Märkte eröffnet haben, erstreckt sich das Filialnetz mittlerweile über 43 Staaten mit knapp 600 Geschäften. "Wir prüfen aktiv Hunderte Standorte im ganzen Land und hoffen, jedes Jahr mehr neue Filialen eröffnen zu können", so Unternehmenssprecherin Nakia Rohde.
Lidl mit neuer US-Strategie
Der Neckarsulmer Discounter Lidl ist seit 2017 in den USA vertreten. Branchenkennern zufolge verläuft das Expansionstempo allerdings langsamer als beim Markteintritt erhofft. Die rund 170 US-Filialen sind bislang ausschließlich in neun Ostküstenstaaten zu finden. Um die Position auf dem US-Markt zu stärken, hat Lidl im Oktober 2024 eine umfassende Neuausrichtung seiner Marke gestartet. Auch das Sortiment wurde stärker an die Wünsche amerikanischer Kunden angepasst.
In letzter Zeit hat Lidl mehrere Geschäfte in New York und Washington, D.C. eröffnet. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Lidl seine Präsenz in Pennsylvania weiter ausbauen möchte. So besitzt Lidl Grundstücke in den nördlichen Vororten von Philadelphia. Auf einem 2023 in Falls Township erworbenen Grundstück könnte ein Distributionszentrum entstehen, wobei bislang aber noch keine konkreten Pläne vorgelegt wurden.
Private Labels: Die neuen Stars im Supermarkt
Inflation und hohe Lebensmittelpreise sorgen dafür, dass in den Supermärkten insbesondere Eigenmarken auf verstärkte Nachfrage stoßen. Denn diese sind im Schnitt um etwa 20 Prozent günstiger als Markenprodukte. Laut der Private Labels Manufacturers Association (PLMA) konnten Eigenmarken für Lebensmittel im Zeitraum 2019 bis 2023 ein beeindruckendes Umsatzplus von mehr als einem Drittel erzielen. Aktuell erreichen sie einen Anteil von knapp 21 Prozent an den Lebensmittelumsätzen.
Prognosen zufolge könnte dieser Wert in den nächsten zehn Jahren auf 25 bis 30 Prozent steigen. Discounter wie Aldi, Trader Joe's oder Lidl, deren Sortiment hauptsächlich aus Eigenmarken besteht, profitieren besonders stark von diesem Trend. Aber auch andere Handelsketten setzen auf den Ausbau ihrer Private Labels. Beispielsweise will Walmart mit der im April 2024 eingeführten Eigenmarke Bettergoods insbesondere einkommensstärkere Kunden ansprechen, die Wert auf hohe Qualität und innovative Produkte legen.
Auch amerikanische Ketten expandieren
Auch US-Discounter verfolgen ehrgeizige Wachstumsstrategien. Grocery Outlet will auf längere Sicht ein landesweites Netz von rund 4.000 Filialen aufbauen, fast achtmal so viel wie Ende 2024 mit rund 510 Märkten. Save A Lot plant, sein Filialnetz auf 3.000 Märkte zu verdreifachen. Auch die legendären "Dollar Stores" von Ketten wie Dollar General oder Dollar Tree passen sich an: Die Märkte boten traditionell vor allem allgemeine Handelsware an. Nun setzen die Betreiber stärker auf eigene Lebensmittelabteilungen und gewinnen Marktanteile. Dollar General will seine Präsenz von derzeit rund 20.000 Geschäften auf über 30.000 ausbauen.
Durch Niedrigpreise gewinnt auch der Einzelhandelsgigant Walmart Marktanteile hinzu. Mit rund 4.600 Standorten zeigt die Kette ihre Stärke in der Fläche: Über 90 Prozent der US-Bevölkerung leben weniger als 16 Kilometer von der nächsten Walmart-Filiale entfernt. In den kommenden fünf Jahren plant Walmart, 150 Standorte zu eröffnen oder auszubauen.
Mit Amazon entsteht ein neues Schwergewicht im Lebensmittelgeschäft. Mehrere Neueröffnungen ließen die Anzahl der Amazon-Fresh-Läden zum Jahresende 2024 auf 60 anwachsen. Im Premiumbereich ist der Onlineriese mit seinen Whole-Foods-Märkten auf Wachstumskurs und plant, jährlich mehr als 30 Filialen zu eröffnen. Zudem werden die Vertriebswege zwischen physischen Geschäften und Onlineplattformen stärker integriert. Im Jahr 2023 steuerte der Onlinehandel rund 11 Prozent zum gesamten Lebensmittelumsatz in den USA bei. Die Marktforscher von Brick Meets Click prognostizieren bis 2028 einen Anstieg auf 12,7 Prozent.
2021 *) | 2022 *) | 2023 *) | |
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Walmart | 23,7 | 24,1 | 25,2 |
Kroger | 12,1 | 11,2 | 10,7 |
Costco Wholesale | 9,4 | 9,6 | 9,9 |
Albertsons | 6,7 | 7,1 | 7,2 |
Sam's Club | 4,7 | 4,9 | 5,1 |
Ahold Delhaize | 5,4 | 5,3 | 5,0 |
Publix | 5,0 | 5,2 | 5,0 |
Target | 3,1 | 3,1 | 3,0 |
Aldi | 2,1 | 2,1 | 2,3 |
Dollar General | 1,9 | 2,0 | 2,1 |
Quo vadis, Kroger und Albertsons?
Die Handelskonzerne Kroger und Albertsons sind feste Größen im Alltag der Amerikaner. Zu Kroger gehören insgesamt rund 2.750 Filialen. Neben der Hauptmarke Kroger laufen diese unter Bannern wie Ralphs oder Fred Meyer. Albertsons betreibt mehr als 2.200 Filialen (unter anderem Albertsons, Safeway, Vonns). Für die klassischen Vollsortiment-Supermärkte droht jedoch Ungemach von allen Seiten, denn sowohl Discounter wie Aldi als auch Großmärkte wie Walmart und Costco jagen den Platzhirschen Marktanteile ab.
Deshalb suchten Kroger und Albertsons ihr Heil in einer Fusion. Im Dezember 2024 ist der erhoffte Deal allerdings geplatzt. Nachdem die Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) Bedenken angemeldet hatte, gaben Gerichte den Wettbewerbshütern recht. Dadurch stehen Kroger und Albertsons vor einer ungewissen Zukunft. In Branchenkreisen wird angenommen, dass Albertsons einen neuen Käufer suchen dürfte, um im Wettbewerb bestehen zu können. Kroger könnte seinen Fokus auf kleinere Übernahmen von Supermarktketten legen, um regional zu wachsen und Marktanteile gezielt auszubauen.