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Riesiger Bedarf: US-Wasserversorgung braucht 1 Billion US-Dollar
Staatliche Programme pumpen Milliarden ins marode amerikanische Wassernetz. Vor allem Leitungen aus Blei müssen getauscht werden. Das bietet Chancen für deutsche Firmen.
07.12.2023
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Im Rahmen des Infrastructure Development and Jobs Act aus dem Jahr 2021 stellt die US-Regierung rund 50 Milliarden US-Dollar (US$) für die Modernisierung und den Ausbau des Wassersektors zur Verfügung. Das Geld soll dabei mehrheitlich (35 Milliarden US$) in die Frischwasserversorgung fließen. Die Abwasserbehandlung bekommt 12 Milliarden US$.
Hinzu kommen zwei Bundesprogramme: Der Clean Water State Revolving Fund (CWSRF) richtet sich an die Kommunen. Er sieht zwischen 2023 und 2027 Zuschüsse im Umfang von knapp 13 Milliarden US$ vor. Im Rahmen des Drinking Water State Revolving Fund (DWSRF) erhalten die Bundesstaaten zinsgünstige Kredite. Die Darlehen haben eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren. Der DWSRF sieht auch Refinanzierungen und Zahlungsgarantien vor.
Geplante Investitionen reichen bei Weitem nicht aus
Die auf den ersten Blick großzügig erscheinenden Investitionsprogramme decken jedoch nur einen Teil des tatsächlichen Bedarfs ab. Die US-Umweltschutzbehörde EPA kommt in ihrem Bericht vom September 2023 an den Kongress ("Drinking Water Infrastructure Needs Survey and Assessment") zu dem Schluss, dass allein zur Sicherung der Trinkwasserversorgung zwischen 2021 und 2040 rund 625 Milliarden US-Dollar benötigt werden.
Rechnet man Bereiche wie Abwasserentsorgung und Hochwasserschutz hinzu, ergibt sich vermutlich eine Summe von etwa 1 Billion US$. Der in dem 20-Jahres-Plan genannte Betrag ist eine Maximalforderung. Sie basiert aber auf Preisen von Anfang 2021. Die Inflation eingerechnet, könnten sich die zukünftigen Investitionen in die Wasserwirtschaft bis 2040 durchaus auf einen mittleren dreistelligen Milliardenbetrag summieren.
Aus den geplanten Investitionen ergeben sich Zulieferchancen für ausländische Unternehmen, und zwar trotz der relativ hohen protektionistischen Schranken. Bei öffentlichen oder staatlich geförderten Projekten gibt es Mindestquoten zur Erbringung lokaler Wertschöpfung ("local content"). Diese liegen meist bei 30 bis 40 Prozent, können aber auch wie beispielsweise bei Baustoffen bis zu 100 Prozent erreichen. Ausnahmen gelten faktisch nur, wenn es keine einheimischen Anbieter gibt beziehungsweise diese nicht ausreichen.
Importe von Wassertechnik lassen nach
Laut der U.S. International Trade Commission importierten die USA im Jahr 2022 Pumpen, Rohre, Armaturen und Ventile sowie Filter und Wasserkraftmaschinen im Wert von fast 33 Milliarden US$. Das sind 21 Prozent mehr als im Jahr davor. In den ersten neun Monaten 2023 sanken die Brancheneinfuhren aber um gut 2 Prozent, verglichen mit dem Vorjahreszeitraum. Dieser Rückgang liegt vermutlich an der schwachen Nachfrage aus dem privaten Wohnungsbau.
Der Bedarf aus der Wasserwirtschaft indes bleibt hoch. Dafür spricht unter anderem die rege Investitionstätigkeit. So sind die erbrachten Bauleistungen für die Frischwasserversorgung in den ersten drei Quartalen 2023 um nominal gut 14 Prozent gewachsen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, berichtet das nationale Statistikamt. Bei der Abwasser- und Abfallentsorgung, die nicht getrennt erfasst wird, habe es sogar ein Plus von 25 Prozent gegeben.
Reindustrialisierung befeuert Nachfrage zusätzlich
Auch das verarbeitende Gewerbe kurbelt die Nachfrage an, denn die Vereinigten Staaten werden von einer Welle der Reindustrialisierung erfasst: Unternehmen holen ihre Fertigung aus China oder Mexiko zurück. Vor allem die Herstellung von Halbleitern-, Batterie- und Solarmodulen erlebt ein Renaissance. Die neuen Fabriken setzen zumeist auf eine umweltfreundliche Aufbereitung ihrer Abwässer. Die Nachfrage nach entsprechender Technologie dürfte daher auf absehbare Zeit hoch bleiben.
Bleileitungen sind ein Problem für die Kommunen
Zwei Drittel der von der Umweltschutzbehörde veranschlagten 625 Milliarden US$ sollen dem Verteilungsnetz zugutekommen. In den USA gibt es noch sehr viele Wasserleitungen, die Blei enthalten. Laut der Behörde wussten 2021 aber nur etwa 900 Versorger mit Sicherheit, dass sie keine Bleirohre verwenden. Die große Mehrheit der damals befragten rund 3.600 Wasserbetriebe war sich nicht sicher oder machte keine Angaben. Das lässt vermuten, dass in vielen Fällen schlichtweg keine entsprechenden Daten darüber abgerufen werden können.
Auch der geografische Schwerpunkt des 20-Jahres-Plans der Umweltbehörde ist klar umrissen: Knapp 60 Prozent sind für Kommunen mit weniger als 100.000 Einwohnern vorgesehen. Dabei sollen die besonders bevölkerungsreichen beziehungsweise großflächigen Bundesstaaten Nutznießer sein. Das Gros der Mittel fließt deshalb in die vergleichsweise dicht bewohnten Flächenstaaten Kalifornien und Texas.
Water Expo 2024 als Einstieg in den US-Markt
Für ausländische Mittelständler ist es angesichts der schieren Größe des US-Marktes schwierig, sich einen Überblick über die verschiedenen Investitionsprojekte zu verschaffen. Hinzu kommt ein Flickenteppich an Regularien: In jedem Bundesstaat gelten spezifische Regeln, dazu beschreitet jede Kommune eigene Wege. Für deutsche Anbieter macht es daher Sinn, sich zunächst auf die dicht besiedelten und wohlhabenden Metropolen an der Ost- und der Westküste zu konzentrieren. Eine gute Möglichkeit für Geschäftsanbahnungen ist die Water Expo im Jahr 2024.
Institution | Anmerkung |
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Nationale Umweltbehörde (EPA) | Umfrage 2023 und Prognose bis 2040 |
Nationale Umweltbehörde (EPA) | Clean Water State Revolving Fund |
Nationale Umweltbehörde (EPA) | Drinking Water State Revolving Fund |
Water Expo | Fachmesse, nächste Veranstaltung: 21.–22. August 2024 in Miami, Florida |
Water Week | Fachmesse, nächste Veranstaltung: 19.–21. Juni 2024 in Singapur |