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US-Baukonzerne konzentrieren sich auf das Inlandsgeschäft
Gefüttert durch riesige staatliche Konjunkturprogramme und abgeschirmt von ausländischer Konkurrenz schwindet die internationale Wettbewerbsfähigkeit vieler US-Baufirmen.
02.08.2024
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Das Auslandsgeschäft spielt für die Bauunternehmen in den Vereinigten Staaten eine immer geringere Rolle. Das hat vor allem mit der boomenden inländischen Baukonjunktur zu tun. Die großen staatlichen Ausgabenprogramme – der Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA), der Inflation Reduction Act (IRA) und der Chips and Science Act – treiben den Ausbau der Infrastruktur voran und führen zu einer Art Reindustrialisierung.
Die Programme versprechen den US-Konzernen bis in die frühen 2030er-Jahre einen stetigen Auftragseingang. Zudem gibt es in den geförderten Bereichen hohe Barrieren für ausländische Anbieter durch lokale Wertschöpfungsanteile ("domestic content"). Da auch das Geschäft in zahlreichen Sparten des Hochbaus und in Bereichen wie der Öl- und Gasindustrie rund läuft, stellt sich für viele US-Firmen die Frage: wozu in die Ferne schweifen, wenn "das Gute liegt so nah"?
Fachkräftemangel als Hemmschuh der Internationalisierung
Hinzu kommt der Personalmangel, der in den USA noch stärker ausgeprägt ist als in Deutschland. Ingenieure, Statiker und Baufachkräfte – die zudem noch sehr teuer sind – werden im Inland dringend benötigt. In der Folge hat nicht nur nur das Interesse am Auslandsgeschäft abgenommen. Hinter den hohen Schutzmauern haben viele Firmen auch an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft verloren. So ist die Bauwirtschaft laut Engineering News Record die einzige Branche, deren Produktivität in den letzten Jahren abgenommen hat.
Daher beschränkt sich die Auslandstätigkeit von US-Bauunternehmen vielfach auf Spezialbereiche, insbesondere das Öl-, Gas- und Bergbaugeschäft in Kanada, Australien sowie den Golfstaaten. Zu ihren Aktivitäten gehören der Bau von Schmelzwerken, Raffinerien, Pipelines und Lagerstätten. Doch selbst wenn das Auslandsgeschäft relativ betrachtet eine kleine Rolle spielt, ergibt sich absolut gesehen aufgrund der riesigen statistischen Basis ein beachtliches Volumen.
Laut Engineering News Record gab es 2023 in den USA 400 Bauunternehmen mit einem Umsatz von mindestens 250 Millionen US-Dollar (US$). Zusammen brachten sie es auf ein Geschäftsvolumen von 557 Milliarden US$. Der Auslandsumsatz summierte sich 2023 auf rund 35 Milliarden US$, was einem Anteil von 6 Prozent am Gesamtgeschäft entsprach.
USA nur zweite Liga
Damit spielen die USA im globalen Maßstab betrachtet nicht in der Oberklasse. Allein der spanische Baukonzern ASC erzielte nach eigenen Angaben 2023 einen Auslandsumsatz im Baugeschäft von knapp 32 Milliarden US$. Zwei Drittel davon generierte er wohlgemerkt auf dem nordamerikanischen Markt. Auf der Liste der größten internationalen Baukonzerne lagen die beiden US-Unternehmen Fluor und Bechtel 2023 abgeschlagen auf Rang 18 und 19.
Von den 50 größten Branchenfirmen in den USA erzielten lediglich neun einen Auslandsumsatz von mehr als 1 Milliarde US$. Lediglich ein Achtel der 400 größten Bauunternehmen war überhaupt international tätig. Insbesondere unter den Mittelständlern – Firmen mit einem Umsatz von 250 bis 500 Millionen US$ – gab es ein äußerst geringes ausländisches Engagement.
Umsatz | Anteil | Schwerpunkt | |
---|---|---|---|
McDermott | 5.735 | 74 | Öl- und Gassektor (100 %) |
Bechtel | 5.650 | 44 | Öl- und Gassektor, Energie |
Fluor | 5.292 | 56 | Öl- und Gassektor |
PCL Construction | 3.948 | 54 | Hochbau |
Kiewit | 2.069 | 15 | Öl- und Gassektor, Verkehr, Energie |
Hoffmann Construction | 1.670 | 29 | Fabriken |
Alberici-Flintco | 1.253 | 31 | Hochbau, Fabriken |
Michels | 1.064 | 24 | Öl- und Gassektor, Energie |
Dragados | 1.036 | 26 | Verkehr |
Die drei US-Unternehmen mit den höchsten Auslandsumsätzen – McDermott, Bechtel und Fluor – sind hauptsächlich im Öl-, Gas- und Bergbaugeschäft tätig. Bechtel beispielsweise engagiert sich nach eigenen Angaben stark in diesen Bereichen in Australien, den Golfstaaten und im Vereinigten Königreich. Dort ist der Konzern auch an Infrastrukturprojekten beteiligt.
Firmen, die sich auf Gebiete wie Wasser, Umwelt oder Abfall konzentriert haben, sind nur in sehr geringem Umfang international engagiert. Das deckt sich mit Daten der Weltbank, nach denen US-Unternehmen kaum in weltweite Projekte involviert sind, die sich oft auf diese Bereiche konzentrieren.
Löwenanteil des internationalen Geschäfts in Kanada
Rund 40 Prozent der Auslandsaktivitäten der 400 größten Unternehmen entfielen 2023 laut Engineering News Record auf Kanada. Lateinamerika liegt knapp hinter dem Mittleren Osten auf Rang 3. Ein Großteil des dortigen Umsatzes wird in Mexiko und der Karibik erwirtschaftet. Das Europageschäft machte derweil nur ein halbes Prozent der Gesamtumsätze von US-Firmen aus.
Zusammengefasst treten US-Bauunternehmen auf Drittmärkten zumeist nicht als Konkurrenten zu deutschen Firmen auf. Das liegt einerseits an ihrer Spezialisierung auf die Bereiche Öl, Gas und Bergbau und andererseits an ihrem Länderfokus. Im Gegenzug bieten die Vereinigten Staaten durch die riesigen Konjunkturpakete umfangreiche Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen, und zwar trotz der protektionistischen Barrieren. So können deutsche Firmen Kooperation mit US-Partnern eingehen und damit das Siegel "made in America" erhalten. Damit haben sie die Möglichkeit, an öffentlichen Infrastrukturprojekten mitzuwirken.