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Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse USA unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
31.10.2024
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)
Kurzbeschreibung: Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.
Gesetzliche Grundlagen
Die Vereinigten Staaten von Amerika sind Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und haben zwei von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: September 2024). Das hier relevante Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155) sowie das Übereinkommen über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (ILO-Übereinkommen Nr. 187) haben die USA bisher nicht ratifiziert. Dennoch sind die USA durch ihre Mitgliedschaft in der ILO zu deren Beachtung verpflichtet. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.
Gesetzliche Regelungen zum Arbeitsschutz finden sich auf Bundesebene in den USA im Occupational Safety and Health Act von 1970 (OSH Act). Ziel des Gesetzes ist es, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen für arbeitende Menschen zu gewährleisten. Im Rahmen der Generalklausel des Gesetzes (Sec. 5 OSH Act) werden Arbeitgebende verpflichtet, den Arbeitnehmenden eine Arbeitsumgebung zu bieten, die frei von Gefahren ist - wie zum Beispiel giftigen Chemikalien, Infektionserregern, übermäßigem Lärmpegel, mechanischen Gefahren und sonstigen Umständen, die zum Tod oder zu schweren körperlichen Schäden der Arbeitnehmenden führen oder führen können. Die Generalklausel verpflichtet auch die Arbeitnehmenden alle Arbeitsschutzstandards, Vorschriften und Anordnungen einzuhalten, die in Anlehnung an den OSH Act erlassen worden sind und für sie Geltung entfalten.
Zur Sicherstellung der Durchsetzung der gesetzlichen Regelungen räumt der OSH Act dem Secretary of Labor die Befugnis ein, Fabriken, Anlagen, Einrichtungen, Baustellen oder andere Bereiche in der näheren Umgebung von Arbeitsplätzen zu betreten und die Arbeitsbedingungen, Strukturen, Maschinen, Apparate, Geräte, Ausrüstungen, Materialien zu inspizieren sowie den Arbeitgebenden Eigentümer, Betreiber, Vertreter oder Arbeitnehmenden zu befragen (Sec. 8 OSH Act). Auf Antrag des Arbeitsministeriums können in den Vereinigten Staaten die Bezirksgerichte (United States district courts) alle Bedingungen oder Praktiken an einem Arbeitsplatz unterbinden, die eine drohende Gefahr für die körperliche Unversehrtheit oder das Leben der Arbeitnehmenden darstellen (Sec. 13 OSH Act). Arbeitgebende, die vorsätzlich oder wiederholt gegen den OSH Act und die einhergehenden Arbeitsschutzstandards verstoßen, können mit zivilrechtlichen Strafen belegt werden (Sec. 10, Sec. 17 OSH Act).
In Anlehnung an den OSH Act ist das National Advisory Committee on Occupational Safety and Health (NACOSH) gegründet worden, um die Ministerien für Arbeit und Gesundheit und soziale Dienste zu Programmen und Richtlinien für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu beraten. Das NACOSH besteht aus zwölf Mitgliedern: vier Vertretende des öffentlichen Lebens, zwei Vertretende der Geschäftsleitung, zwei Arbeitnehmervertretende, zwei Fachkräfte für Arbeitsmedizin und zwei Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Zuständige Behörde für die Sicherheit am Arbeitsplatz ist die Occupational Safety and Health Administration (OSHA). Die OSHA ist Teil des Arbeitsministeriums der Vereinigten Staaten. Die Aufgabe der OSHA besteht darin, den amerikanischen Arbeitnehmern sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Ihren Auftrag erfüllt die OSHA unter anderem durch die Festlegung und Durchsetzung von Normen des OSH Acts sowie durch die Unterstützung von Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen bezüglich des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmenden. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
Die Gefahr von tödlichen Arbeitsunfällen in den USA ist moderat. Insgesamt führte die bundesstaatliche OSHA im Jahr 2022 nach Angaben des Department of Labor 31.820 Betriebsinspektionen durch. Basierend auf diesen Daten kam es im Jahr 2022 zu 5.486 aufgezeichneten tödlichen Arbeitsunfällen. Dies macht eine Inzidenzrate von 3,7 pro 100.000 aus. Mit einer Inzidenzrate von 23,5 pro 100.000 traten die meisten tödlichen Arbeitsunfälle in der Land-, Fischerei- und Forstwirtschaft auf, aber auch die Bereiche Transport (14,6 pro 100.000) sowie Bau- und Bergbauindustrie (13 pro 100.000) wiesen ein erhöhtes Risiko auf. Der Großteil der tödlichen Arbeitsunfälle (38 Prozent) resultierte aus Unfällen im Straßenverkehr, gefolgt von Stürzen sowie Gewalttaten und anderen Verletzungen durch Personen oder Tiere.
Laut der ILO kamen die USA auf 900 nichttödliche Arbeitsunfälle pro 100.000 Beschäftigte und liegen damit deutlich vor Deutschland (1.500) und Frankreich (3.000). Das US-Arbeitsministerium kommt hingegen auf einen Wert von 2.700 pro 100.000 Vollzeitbeschäftigte. In diese Zahlen sind allerdings auch die arbeitsbedingten Krankheiten mit einbezogen. An erster Stelle rangiert der Bereich Transport und Lagerhaltung (4.800). Es folgen der Gesundheitssektor (4.500) und die Landwirtschaft (4.200). Im mittleren Bereich liegen das verarbeitende Gewerbe (3.200) und der Bausektor (2.400); unterdurchschnittlich fiel das Ergebnis für die Bereiche Bergbau, Öl und Gas (1.400) aus.
Die Gründung der OSHA vor rund 50 Jahren und die hierauf folgende Implementierung und Durchsetzung immer schärferer Regelungen zum Arbeitsschutz haben die Bedingungen der Beschäftigten in den USA wesentlich verbessert. Dennoch stagnieren die Zahlen seit einigen Jahren. Gerade die Klimakrise macht sich in der Statistik bemerkbar. Nach einem Bericht der New York Times sind Beschäftigte vor allem in der Landwirtschaft immer häufiger extremen Wetterereignissen wie Tornados oder Wirbelstürmen ausgesetzt. Parallel dazu nimmt auch die Zahl der tödlichen und nichttödlichen Arbeitsunfälle aufgrund von extremen Hitzewellen zu. Vereinzelt werden Beschäftigte gezwungen, unter diesen Konditionen weiterzuarbeiten. Generell gilt die Landwirtschaft als besonders anfällig für die Missachtung von Arbeitsschutz, da dort ein großer Teil der Arbeitnehmenden informell beschäftigt ist und Maßnahmen zur Eindämmung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren nicht ausreichend dokumentiert werden. Daher dürfte die Dunkelziffer der Arbeitsunfälle in diesem Bereich deutlich höher sein.
Risiken bestehen ferner in der Verarbeitungs- und Verpackungsindustrie sowie in der Logistik. Laut dem National Council for Occupational Safety and Health, einer Nichtregierungsorganisation im Bereich Arbeitsschutz, kam es gerade in den großen Warenhäusern und Logistikzentren von Amazon und FedEx vermehrt zu Arbeitsunfällen. Auch Automobilhersteller sahen sich zuletzt Vorwürfen der gezielten Missachtung von Arbeitsschutzstandards ausgesetzt.
Die derzeitige US-Administration hat kürzlich angekündigt, weitere Vorschriften zum Arbeitsschutz auf Bundesebene einzuführen. So veröffentlichte OSHA im Juli 2024 einen Entwurf eines neuen Regelungsrahmens zur Bekämpfung von hitzebedingten Arbeitsunfällen. Eine Verabschiedung der Regelungen, die zuvor nur uneinheitlich von den einzelnen Bundesstaaten bestimmt wurden, soll Berichten zufolge bevorstehen.
Um mögliche Risiken hinsichtlich der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in den USA zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die AHK USA mit Standorten in Atlanta, Chicago, New York, San Francisco und Washington, D.C. berät deutsche Unternehmen beim US-Markteinstieg und der Marktexpansion. Einer der häufigsten Gründe für das Scheitern eines Markteinstiegs ist oftmals nicht die Geschäftsidee oder das Produkt selbst, sondern ein Mangel an Informationen sowie fehlende Sorgfalt bei der Umsetzung. Der US-Markt ist sehr divers und regional geprägt. Darüber hinaus bestehen in den einzelnen Bundesstaaten teilweise unterschiedliche Regulierungen.
Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden.