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Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Vietnam unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
30.01.2025
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)
Kurzbeschreibung: Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.
Gesetzliche Grundlagen
Vietnam ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat neun von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: November 2024). Dazu gehört das hier relevante Übereinkommen über Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155). Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.
Das vietnamesische Arbeitsgesetz (45/2019/QH14), das Gesetz über Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (84/2015/QH13) sowie zahlreiche Rechtsverordnungen enthalten weitergehende Bestimmungen. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.
Im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurden die vietnamesischen Rechtsvorschriften im Laufe der Jahre angepasst, um bessere Bedingungen für die Arbeitnehmenden zu schaffen. Das Gesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz wurde explizit zur Behandlung dieser Fragen erlassen und gilt für alle Sektoren. Es legt die Verantwortlichkeiten von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden bei der Unfallverhütung genau fest und sieht Schulungen zum Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz für Arbeitnehmende als Pflicht des Arbeitgebenden vor.
Auch in der jüngsten Fassung des Arbeitsgesetzes von 2019 wurden einige Aspekte des Arbeitnehmerschutzes geregelt. Kapitel IX befasst sich mit „Arbeitsbedingungen und Maßnahmen der Arbeitssicherheit und -hygiene“. Es legt Mindestanforderungen für ein sicheres Arbeitsumfeld fest. In Artikel 134 des Arbeitsgesetzes heißt es ausdrücklich, dass sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende dafür verantwortlich sind, Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz durchzuführen und vollständig einzuhalten.
Neben diesen Gesetzen, die den grundlegenden Rechtsrahmen für die Arbeitssicherheit in Vietnam bilden, gibt es noch mehrere andere Rechtsinstrumente (Verordnungen, Erlasse und andere), die sich mit Sicherheitsinspektionen, der Erfassung von Arbeitsunfällen, der Risikobewertung sowie speziellen Zertifizierungen für den Betrieb gefährlicher Maschinen und giftiger Materialien befassen. Diese Vorschriften werden vom Arbeitsministerium (MOLISA) erlassen.
Risiken
Das gesetzliche Regelwerk gilt als umfassend, wird aber vom Staat nicht vollumfänglich durchgesetzt. Dies betrifft vor allem lokale kleine und mittlere Unternehmen. Ein Arbeitsschutzprogramm für den Zeitraum 2021 bis 2025 soll Todesfälle durch Arbeitsunfälle landesweit pro Jahr um 4 Prozent zurückführen und die Anzahl inspizierter Betriebe erhöhen. Der Arbeitsschutz untersteht allerdings den Provinzen und hier gibt es starke Unterschiede bei der Durchsetzung der Normen.
Vietnam verfügt derzeit über rund 600 Arbeitsinspektoren landesweit, die ein breites Spektrum an Aufgaben abdecken müssen. Unternehmensbesuche werden jährlich für jede Provinz auf Basis von Informationen über die Anzahl der Firmen in wichtigen Branchen geplant, während Informationen über die Zahl und Art von Arbeitsunfällen in einzelnen Branchen unberücksichtigt bleiben.
Experten zufolge gibt es Fälle in der Industrie, wo Schutzkleidung jeweils für Inspektionsbesuche ausgeliehen wird. Sicherheitszertifizierungen können teilweise erkauft werden und die Vorgaben werden nur teilweise umgesetzt. Fabrikhallen sind in der Regel nicht klimatisiert. Aufgrund des oft heißen Klimas empfinden Arbeiter das Tragen von Schutzkleidung vielfach als Belastung. Veraltete Maschinen und Anlagen erhöhen die Unfallrisiken. Darüber hinaus gibt es gerade unter ausländischen Firmen zahlreiche vorbildlich geführte Fabriken, in denen gewissenhaft auf die Einhaltung von Arbeitsschutznormen geachtet wird.
Obwohl das Arbeitsgesetz auch eine präventiv-beratende Funktion der Arbeitsinspektoren vorsieht, wird diese in der Praxis bisher kaum wahrgenommen. Stattdessen liegt der Fokus auf der Einzelfallüberprüfung von Beschwerden und gemeldeten Verstößen. Betriebe sind zwar verpflichtet, Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen zu melden, tatsächlich geschieht dies aber nur bei sehr ernsthaften Verletzungen oder Erkrankungen. Daher sind die offiziellen Daten nicht sehr verlässlich.
Das Arbeitsministerium zählt im Arbeitsschutzbericht für 2023 7.394 Arbeitsunfälle, davon 699 mit Todesfolge. Die meisten tödlichen Arbeitsunfälle geschehen demnach im Bereich Bauwesen (18 Prozent), gefolgt von Bergbau und Mineraliengewinnung (16 Prozent), Maschinenbau und Metallurgie (12 Prozent), Herstellung von Baumaterialien (10 Prozent), Textil- und Schuhindustrie (7 Prozent) sowie im Dienstleistungssektor (5 Prozent). Laut Bericht waren 46 Prozent der Unfälle auf Fehler der Arbeitgebenden zurückzuführen.
Druck zu Verbesserungen beim Arbeitsschutz entsteht dadurch, dass zumindest in Ballungsräumen Arbeiter durch immer neue Industrieansiedlungen heute eine bessere Jobauswahl haben als noch vor 5 oder 10 Jahren. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird auch über bessere Arbeitsbedingungen ausgefochten.
Um mögliche Risiken bei der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in Vietnam zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die AHK Vietnam bietet eine Nachhaltigkeitsberatung an, insbesondere in Bezug auf Lieferketten. Die ILO ist ein weiterer möglicher Ansprechpartner vor Ort. Außerdem sind Prüforganisationen wie TÜV Nord und TÜV Süd in Vietnam vertreten und bieten die Möglichkeit, Unternehmen nach internationalen Sozialstandards (SA 8000, SMETA, BSCI, ISO 45001 etc.) zu zertifizieren.
Am 14. Dezember 2024 wurde der Responsible Business Helpdesk (RBH) in Vietnam offiziell eingerichtet. Der Helpdesk wird von der vietnamesischen Industrie- und Handelskammer (VCCI) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betrieben. Das Netzwerk der Responsible Business Helpdesks (RBH) ist eine Unterstützungsstruktur, die lokale Unternehmen über die Vorschriften des LkSG und der EU-Richtlinie CSDDD sowie nachhaltige Lieferketten im Allgemeinen berät.
Das Netzwerk wird von der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Für Beratungen ist der Helpdesk in Vietnam zu erreichen unter: T +84 90 61 11 622 oder rbh.vietnam.vcci@gmail.com; Adresse 5th Floor, VCCI, No 9 Dao Duy Anh Street, Dong Da District, Hanoi, Vietnam.
Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden.