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Wirtschaftsausblick | USA

US-Konjunktur weiter unter Volldampf

Präsident Joe Biden kann im Wahlkampf nicht von der überraschend positiven Wirtschaftsentwicklung profitieren. Die Wähler schauen vor allem auf die hartnäckige Inflation.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Top-Themen: Ökonomen verwundert, Bevölkerung enttäuscht

Praktisch alle Forschungsinstitute und Banken haben sich getäuscht: Der von ihnen vorhergesagte Abschwung zum Jahreswechsel 2023/2024 blieb komplett aus. Einige Institute wie der Internationale Währungsfonds (IWF) oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwarten zum Frühsommer sogar, dass die Wirtschaft 2024 noch ein wenig an Fahrt gewinnt. Allerdings zeigen sich erste kleine Wolken am ansonsten strahlend blauen Konjunkturhimmel.

Die Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 1. Quartal 2024 fielen zwar enttäuschend aus, waren aber vor allem auf volatile Faktoren wie Lagerbestandsveränderungen zurückzuführen. Der Privatkonsum, die mit Abstand wichtigste Konjunkturstütze, blieb lebhaft. Die Erwerbslosigkeit erreichte im April 2024 den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Sie lag aber immer noch bei unter 4 Prozent, der "magischen" Grenze zur Vollbeschäftigung. 

Wermutstropfen: Die Inflation bewegt sich seit dem Sommer 2023 bei über 3 Prozent und will einfach nicht weiter sinken. Die US-Notenbank Fed, die noch zu Jahresbeginn 2024 drei Zinssenkungsschritte für das laufende Jahr angekündigt hatte, schließt inzwischen eine vorübergehende Anhebung nicht mehr aus. In der Folge zogen die Zinsen für Immobilienkredite und Staatspapiere im Verlauf des Frühjahrs 2024 leicht an.

Von außen zeigen sich die USA als Wachstumslokomotive. In der eigenen Bevölkerung herrscht aber eine hohe Unzufriedenheit und die Verschuldung gerät aus dem Ruder. 

Der amtierende Präsident Joe Biden kann die positive Wirtschaftsentwicklung nicht zu seinen Gunsten nutzen. Die Bevölkerung stuft in großer Mehrheit die allgemeine Wirtschaftslage als schlecht ein, das zeigen alle Umfragen. Die Haushalte fokussieren vor allem auf die Inflation und die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Für viele ist der Kauf eines Eigenheims unerschwinglich geworden.

Die riesigen Infrastruktur- und Konjunkturprogramme kommen zudem kaum direkt bei den Verbrauchern an, sondern fließen an die Unternehmen. Der Inflation Reduction Act (IRA) etwa hat sich als riesiges Steuersenkungsprogramm für die Geschäftswelt entpuppt. Er führt zugleich zu enormen Einnahmeausfällen und treibt die Verschuldung in die Höhe. Knapp ein Viertel des laufenden Haushalts muss inzwischen mit Hilfe von neuen Krediten finanziert werden. Tragfähig ist das nicht.

Wirtschaftliche Entwicklung: Investitionen und Konsum stützen Konjunktur

Der IRA regt Investitionen vor allem im Bereich Umwelt und Klimaschutz an. Sein Volumen ist nicht gedeckelt und dürfte bis Ende 2031 die Grenze von 1 Billion US-Dollar (US$) deutlich überschreiten. Der Ende 2021 verabschiedete Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) sieht Ausgaben von 550 Milliarden US$ für neue Projekte zur Modernisierung der Infrastruktur vor. Der Chips and Science Act fördert zusätzlich den Aufbau einer Halbleiterfertigung in den USA.

Die Folgen sind allerorts zu spüren: Die erbrachten Bauleistungen in der Tiefbausparte wuchsen 2023 laut nationalem Statistikamt zweistellig. Im industriellen Hochbau haben sie sich zwischen 2020 und 2023 sogar mehr als verdreifacht. Investitionen in Fabriken zur Produktion von Solarpanels sowie Elektroautos und Batterien im Umfang von jeweils 100 Milliarden US$ befinden sich in der Pipeline. Außerdem wurde ein gutes Dutzend großer Chipfabriken mit einem Investitionsvolumen von mehr als 200 Milliarden US$ angekündigt. 

Der private Konsum ist traditionell für rund 70 Prozent der BIP-Verwendung verantwortlich. Die Verbraucher zeigten im Frühjahr 2024 angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes ihre ausgabenfreudige Seite. Dienstleistungen wie Restaurant- und Konzertbesuche sowie langfristige Konsumgüter entwickeln sich besonders positiv. 

Die Autoverkäufe stiegen 2023 um ein Viertel auf 15,5 Millionen Einheiten, so die National Automobile Dealers Association. Auch gegenüber dem bisherigen Rekordwert von 2021 ergab sich immer noch ein Zuwachs von knapp 4 Prozent. Der durchschnittliche Verkaufspreis pro Fahrzeug stieg in dem Zweijahreszeitraum sogar um 11 Prozent. Im 1. Quartal 2024 legten die Zulassungen um 7 Prozent zum Vorjahr zu.

Die Abkopplung von China zeigt sich bereits deutlich in der Außenhandelsstatistik.

Paradigmenwechsel bei den Importen: Jahrzehntelang war China das mit Abstand wichtigste Lieferland der Vereinigen Staaten. Doch 2023 errang Mexiko den ersten Platz. Im 1. Quartal 2024 verwies dann Kanada das "Reich der Mitte" auf Rang 3. Nach den Störungen der Lieferketten während der Coronapandemie setzen die US-Unternehmen auf eine Diversifizierung ihrer Beschaffungsmärkte sowie auf Nearshoring.

Deutsche Perspektive: steigende Umsätze, Exporte und Investitionen

Viele deutsche Unternehmen planen, ihr Engagement in den USA zu verstärken. Das zeigt unter anderem eine Umfrage der Deutsch-Amerikanischen Handelskammern (AHK). Dahinter steckt einerseits der wachsende Markt für Anlagegüter. Andererseits wollen sie sich vor dem zunehmenden Protektionismus schützen etwa mit dem Aufbau einer Produktion vor Ort.

Die Vereinigten Staaten waren 2023 laut dem Statistischen Bundesamt der größte Zielmarkt für die deutsche Exportwirtschaft. Gemäß der U.S. International Trade Commission stiegen die Einfuhren von "Made in Germany" in dem Jahr um 9 Prozent auf rund 160 Milliarden US$. Insbesondere deutsche Investitionsgüteranbieter profitieren stark von den großen Konjunkturprogrammen, denn dort greifen die nicht-tarifären Handelshemmnisse oftmals nicht. 

So gelten zwar für öffentliche Projekte Vorgaben zur Erbringung lokaler Wertschöpfungsanteile ("local content"). Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn nicht genug einheimische Anbieter existieren. So klaffen beispielsweise im Maschinenbau in etlichen Sparten Lücken. Die Lieferungen von deutschen Maschinen in die USA legten 2023 um 19 Prozent auf 37 Milliarden US$ zu.

Weitere Informationen zu den USA bietet die GTAI-Länderseite.

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